Wenn ich bedenke wie gestört, verängstigt, misstrauisch und wütend er die ersten Monate gewesen war, und wie er bei jeder noch so harmlosen Hand- oder Fußbewegung entsetzt panikartig die Flucht ergriffen hat, kann ich mich natürlich über seinen Stolz nur freuen. Das ist die Welt eines Tieres, die frische Luft, die Natur, in der Erde wühlen zu können und selbst frische Nahrung zu sammeln oder zu jagen, je nach dem ob Raubtier oder Pflanzenfresser und was auch elementar wichtig ist, sind natürlich die Kontakte und Begegnungen mit anderen Tieren, egal ob Freund oder Feind. Auch sie wollen sich ihre Freunde selbst aussuchen und wenn sie einen nicht leiden können, ziehen sie weiter in ein anderes Revier! Was sie bei uns aber nicht können.
Manche Papageien müssen mit einem Idioten von Trottel, den sie zum Tod nicht mögen ein Leben lang mit ihm in einem engen Käfig verbringen, weil Frauchen das so schön findet, dass er jetzt nicht mehr so alleine ist. Was für eine Folter! Sie dürfen noch nicht einmal mehr fliegen, obwohl es das ist was einen Vogel überhaupt erst ausmacht. Gerade Papageien leben in riesigen Verbänden, wie in einer Großstadt und müssen hier, einsam und allein durch Gitterstäbe der Welt da draußen zu sehen, wo es keinen einzigen Freund gibt. Man kann auch Papageien halten und sie tagsüber draußen fliegen lassen, sie kehren abends wieder zurück, wie Katzen, wenn sie Hunger haben oder wenn sie uns mögen. Ich habe mich immer gerne mit freilebenden Tieren angefreundet, wenn es solche waren die mich nicht verspeisen wollen soweit das in der Stadt möglich ist, wie Amseln, Sperlinge oder Tauben. Ihnen ihre Freiheit zu nehmen finde ich unerträglich!
Ich will mich ja auch mit Dingen beschäftigen die mich ausmachen und die mich interessieren, wie das Malen, Schreiben und Singen. Da lässt mich mein Kater ja auch machen und legt sich sogar oft neben mich wenn er vom draußen Herumstromern genug hat und seinen Mittagsschlaf hält. Nur die Gitarre mag er nicht so, weil ihm die Töne irgendwie im Ohr zu kratzen scheinen. Aber doch bleibt er treu an meiner Seite liegen und versucht es auszuhalten wenn ich singe, obwohl ihm die Stahlsaiten des Instruments sichtbar den Nerv töten. Ich habe mich oft gefragt warum bleibt er, obwohl er es hasst? Er kann ja hingehen wo er will und ich habe ihm in jedem Raum Plätze gemacht, auch im Treppenhaus, mit weichen alten Decken, wenn er mir signalisiert hat dass er dort gerne liegt, weil es nicht zu zugig ist. Vielleicht denkt er: sie weint wieder, da will ich sie nicht alleine lassen! Mein bestes Stückchen!
Wenn ich telefoniere schaut er mich manchmal so mitleidig an und ich kann sehen dass es in ihm arbeitet was ich da wohl wieder Seltsames tue und ich hatte einmal das Bild dass er einer Verrückte zusieht die mit sich selber redet, laut lacht und dann wieder bewegungslos verharrt und ein Loch in die Luft starrt, an einer ganz speziellen Stelle, wo aber nix ist. Er begreift ja nicht dass das ein Telefon ist, er sieht nur mich und hört irgendein schnarrendes Geräusch das aus dem kleinen Kasten kommt.
Die Mäuse frisst er nicht weil er bei mir zu wenig zu essen bekommt (!!!), sondern weil Raubkatzen nun einmal frisches Blut brauchen, wie ich einmal herausgefunden habe. Sie haben einen ganz anderen Magen als wir Menschen. Außerdem wird er immer selbstständiger und will uns beide versorgen, wie ich es ja auch tue. Wenn ich vom Einkaufen komme, folgt er mir immer freudig ins Haus und denkt, ich war auf der Jagd und bringe Beute mit heim, denn danach gibt es immer etwas zu essen.
Manchmal leben die Mäuse noch, die er mir so begeistert vor die Füße legt und dabei ein Lob für seinen erfolgreichen Jagdeinsatz ergattern möchte, während ich nur einen spitzen Schrei ausstoße. Aber ich lernte bald schnell zuzupacken, bevor die Maus unterm Bett verschwinden kann, um mir nächtelang den Schlaf zu rauben. Sie graben sich ja durch alles durch und das laut und immer dann wenn man gerade so schön eingeschlafen ist, wo ich so entsetzliche Schlafstörungen habe. Ich habe nun eine saubergemachte Plastikschale von der Margarine neben meinem Bett stehen, mit Deckel, die ich sonst für Essensreste benutze (wer braucht schon Tupperware?) und muss sie nur schnell über die Maus stülpen, bevor sie aus ihrer Ohnmacht erwacht und abhaut.
Wenn ich Glück habe, gehen sie in die Lebendfallen, die ich in der Küche aufgestellt habe, wo sie manchmal unter dem Schrank hervor schießen wenn mir beim Essenzubereiten ein Krümel herunterfällt. Sie warten da schon und wenn sie mich kommen hören, beobachten sie meine Gewohnheiten und wissen genau wann es essen gibt.
Mir fällt es an dem Tag auf, als mir etwas herunterfällt und ich schnell die Karotte noch zu Ende schneide und dann das, was auf den Boden gefallen war aufheben will. Es ist weg und ich sehe noch, wie in der Ecke etwas davon huscht, mit etwas Rotem in den kleinen Händen. Ich kann ihnen nicht böse sein. Wenn ich sie kriege, trage ich sie hinunter in den dunklen Garten (grusel), was halt nur nachts geschieht weil sie nachtaktive Tiere sind und lasse sie dann frei. Man soll sie nicht länger als 5 Stunden in der Falle lassen, weil sie sonst verdursten. Das Freilassen liebe ich. Sie machen dann jedes Mal Riesen Sprünge wenn sie ins Gestrüpp verschwinden und denken sie haben clever ihre Chance genutzt, als ich die Tür der Fall öffnete und sie noch rausstupsen musste weil sie mit dem Hintern zur Tür stehen und nix schnallen.
Wenn ich sie aber nicht kriege, fressen sie meine Bettlaken und Handtücher auf, da ich keine Schränke habe, nur offene Regale. Sie machen dann ein Loch, senkrecht durch alle Schichten, 30 Zentimeter tief und ziehen dort ihre Jungen groß. Musste einmal einen ganzen Stapel Winterpullis wegwerfen da, als es Kalt wurde und ich meine Wintersachen herausholte genau vorne in der Mitte aller Pullis ein schönes rundes Loch prangte. Diese Maus, erinnere ich mich noch, hat mehrere Wochen bei mir/uns gelebt, bis ich oder Katerlè sie endlich gekriegt hatte. Wie lange ist eine Maus schwanger?
Nachdem die Freundin mit dem Näh- Kram gegangen ist bekomme ich einen hysterischen Weinkrampf, vor Dankbarkeit, froh, Morgen, am Montag etwas Gescheites zu essen kaufen zu können. Katerlè beobachtet mich ganz genau dabei und ich komme mir lächerlich vor. Muss ich immer so übertreiben und muss ich immer alles so intensiv empfinden? Warum bin ich immer nur so extrem? Aber normal, ist ja langweilig.
Der elfte Tag (das Ende der Welt!)
Heute ist mir bewusst geworden daß es auf der ganzen Erde keinen Menschen gibt, der zu checken scheint wie schlecht es mir geht. (Ich erzähle es ja auch nicht!) Es gibt Niemanden der sich Sorgen um mich macht. Keiner vermisst mich und keinem fällt auf dass ich mich so lange schon nicht mehr gemeldet habe. Nicht, daß ich will daß irgendwer schlechte Gefühle wegen mir hat, kann ich ja auch nicht ertragen, aber muss ich denn so still und leise vor mich hin verrecken? Wie kommt es nur, daß ich jedes Mal, wenn es mir schlecht geht so alleine bin? Habe auch alle Telefonnummern vergessen. Weg, alles weg! In meinem Kopf, nur ein leeres Nichts.
Wieso ist Niemand da? Wo sind denn alle und was tun sie da? Wenn die Freundin gestern nicht gekommen wäre, wären mein Kater und ich schon längst verhungert. Da wären nur noch ein paar Skelette in einer verlassenen Wohnung übrig gewesen! Oder ich müsste Mäuse essen, obwohl ich schon lange kein Tierblut mehr zu mir nehme.
Mein armer kleiner, großer Kater. Er ist da. Liegt neben mir. Ist immer an meiner Seite, meine treue Seele. Ich liebe ihn so sehr dass es wehtut. Ich heule nun auch deswegen und tu mir so leid und er tut mir auch so leid, flenn, obwohl es ihm gut geht. Besser als mir!
Hoffe nur daß er meine Traurigkeit nicht so sehr mitbekommt. Will nicht, daß er Angst kriegt. Habe mal erfahren dass Tiere telepatisch kommunizieren. In Bildern. Was ist, wenn er meine Selbstmordgedanken mal gesehen hat, als ich mir vorstellte vom Hochhaus zu hüpfen?
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