Marc von Malbec
DIE KRÄHE
Eine Novelle
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Inhaltsverzeichnis
Titel Marc von Malbec DIE KRÄHE Eine Novelle Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1 Kapitel 1 Da war er wieder, der Junge. Er lächelte. Es war ein sehr hübscher Junge mit blonden Locken und einem schönen sinnlichen Mund und fein geschnittenen Gesichtszügen. Und schlank war er, fast dünn. »Paul!«, flüsterte der Mann. Er sprach mit dem Jungen, als wäre der aus Fleisch und Blut. »Paul! Nein, ... bitte nicht!«, bettelte er, als könne er verhindern, was jetzt folgen sollte. Das himmlische Lächeln des Jungen verhallte, sein Mund geriet mehr und mehr zu einem starren Grinsen, seine Augen, eben noch leuchtend blau, füllten sich mit Blut. Die Blässe seines hübschen Gesichtes verwandelte sich in ein wachsweiches Grau, die Lippen wurden blau. Dann erstarrte der Körper des Jungen ganz und gar. Dieses Bild von Paul, als das letzte bisschen Leben durch seinen schmächtigen Körper pulsierte und dann vollends versiegte, dieses Bild hatte sich in seinem Gehirn festgefressen wie ein Tumor und er saß an einer Stelle, wo ihn auch der beste Operateur mit dem feinsten chirurgischen Besteck nicht erreichen konnte. Egal wie viel er trank, der Junge quälte ihn und die innere Qual fraß ihn langsam auf. »Paul, es tut mir leid«, sagte er leise, wohl wissend, dass ihn die Entschuldigung nicht schützen würde vor der nächsten Attacke. Den Kopf hielt er gesenkt, damit niemand in der belebten Fußgängerzone sehen konnte, dass er mit sich selbst redete. Dann folgte der Satz, der zu seinem Mantra geworden war: »Paul ist tot! Paul ist tot!« Seine Stimme klang müde und schwach.
Kapitel 2
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Impressum neobooks
Da war er wieder, der Junge. Er lächelte. Es war ein sehr hübscher Junge mit blonden Locken und einem schönen sinnlichen Mund und fein geschnittenen Gesichtszügen. Und schlank war er, fast dünn.
»Paul!«, flüsterte der Mann. Er sprach mit dem Jungen, als wäre der aus Fleisch und Blut. »Paul! Nein, ... bitte nicht!«, bettelte er, als könne er verhindern, was jetzt folgen sollte.
Das himmlische Lächeln des Jungen verhallte, sein Mund geriet mehr und mehr zu einem starren Grinsen, seine Augen, eben noch leuchtend blau, füllten sich mit Blut. Die Blässe seines hübschen Gesichtes verwandelte sich in ein wachsweiches Grau, die Lippen wurden blau. Dann erstarrte der Körper des Jungen ganz und gar.
Dieses Bild von Paul, als das letzte bisschen Leben durch seinen schmächtigen Körper pulsierte und dann vollends versiegte, dieses Bild hatte sich in seinem Gehirn festgefressen wie ein Tumor und er saß an einer Stelle, wo ihn auch der beste Operateur mit dem feinsten chirurgischen Besteck nicht erreichen konnte. Egal wie viel er trank, der Junge quälte ihn und die innere Qual fraß ihn langsam auf.
»Paul, es tut mir leid«, sagte er leise, wohl wissend, dass ihn die Entschuldigung nicht schützen würde vor der nächsten Attacke. Den Kopf hielt er gesenkt, damit niemand in der belebten Fußgängerzone sehen konnte, dass er mit sich selbst redete. Dann folgte der Satz, der zu seinem Mantra geworden war: »Paul ist tot! Paul ist tot!« Seine Stimme klang müde und schwach.
Die Vision von Paul hatte sich - wie so oft - mit einem fast unmerklichen Schwindelgefühl angekündigt. Seine Reaktion darauf hatte er nicht immer unter Kontrolle. Einmal hatte er laut geschrien, Paul möge verschwinden, er hatte auch schon wild um sich geschlagen, er war auch schon zitternd zusammengebrochen, mit Schaum vor dem Mund wie ein tollwütiges Tier. Dieses Mal hatte er schnell reagiert. Eilig war er aus dem Strom der Leute ausgeschert und hatte sich vor das Ladenlokal gestellt. Er wollte hier unter all den Leuten keineswegs unangenehm auffallen. Wenn sich die Vision nicht so schnell aufgelöst hätte, dann wäre seine Reaktion eine andere gewesen, eine heftigere und jemand hätte vielleicht Polizei und Notarzt gerufen und die ganze Mission wäre gescheitert. Vielleicht gab es etwas in ihm, dass das verhindern wollte. Er wusste, dass er ein hartes Stück Arbeit vor sich hatte, er wusste aber nicht, ob es den gewünschten Erfolg hatte. Er war auf dem Weg, sich von Paul zu befreien.
Während er noch nachdachte, klebte sein Blick an dem Schaufenster. Es sollte so aussehen als interessiere er sich für die Auslage. In Wirklichkeit nahm er überhaupt nicht wahr, was in dem Laden verkauft wurde, so sehr war er nach innen gewandt. Sowohl sein Geist als auch sein Körper waren angespannt. Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und sie zu Fäusten geballt. Er stand regelrecht unter Strom. Jede Faser seiner Muskeln war zum Zerreißen angespannt. Er musste sich sehr zwingen, nicht aufzugeben und sich am nächstbesten Kiosk einige Biere zu kaufen und das Ganze einfach für beendet zu erklären. Er musste sich auch zwingen, seine Sinne, seine Gedanken und sein Bewusstsein wieder der Außenwelt zuzuwenden.
Tief und laut sog er die Luft in seine Lungen ein. Dann rieb er sich mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die Augen. Das machte er immer nach einer Attacke. Er spürte wie sein Herz langsam aufhörte wild zu pochen, auch sein Atem wurde wieder flach und gleichmäßig. Für dieses Mal war es vorbei. Aber er wusste auch, dass es nicht das letzte Mal gewesen war.
In der spiegelnden Schaufensterscheibe beobachtete er jetzt die Passanten, die durch die Fußgängerzone eilten. Er hörte das Stimmengewirr und schnappte Gesprächsfetzen auf. Ihm schoss ein unsinniger Gedanke durch den Kopf, nämlich dass keiner von all diesen Leuten, niemand, auch nur im Entferntesten ahnte, was für ein Mensch er war. Niemand würde auf die Idee kommen, dass er ein Mörder war. Ja, ein Mörder. Er hatte Paul umgebracht. Er hatte es zwar nicht gewollt, es war einfach so passiert. Es war ein Versehen gewesen. Paul war dreizehn Jahre alt gewesen.
»Nein, Mami, nein. Ich will nicht!«, drang eine Kinderstimme an seine Ohren.
Ein weinender Junge stand neben ihm. Seine Mutter beugte sich zu ihm hinunter und redete ihm gut zu. Aus ihren Worten war herauszuhören, dass sie in dem Laden etwas kaufen wollte, der Junge aber nach Hause wollte, um dort zu spielen. Die Stimme der Frau zitterte vor Wut. Sie hatte wohl schon etliche solcher Diskussionen mit dem Kind geführt. Als sie merkte, dass es mit Worten nicht getan war, versuchte sie ihren Sohn in den Laden zu zerren. Der Junge wehrte sich mit all den Kräften, die in so einem kleinen Kinderkörper steckten und die schienen enorm zu sein.
Er betrachtete die Frau genauer. Sie war noch recht jung, viel jünger als er. Sie gefiel ihm. Ihre blonden Haare fielen in glatten Strähnen über die Schulter. Sie hatte eine einwandfreie Figur. In dem gleichen Augenblick, wo er darüber nachdachte, wie es wäre, die Frau anzusprechen, fand er sein Interesse an ihr auch schon merkwürdig. Er interessierte sich schon lange nicht mehr für Frauen. Derweil hatte die Frau seinen bohrenden Blick bemerkt. Sie wandte sich dem Fremden zu und lächelte ihn freundlich an. Er war nun seinerseits verdutzt. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Normalerweise warf man ihm mitleidige, angeekelte oder auch wütende Blicke zu. Der einzige Mensch, der in all den Jahren freundlich auf ihn reagiert hatte, das war Paul gewesen. Gleichzeitig wurde ihm auch bewusst, dass die Frau ihn deshalb freundlich angelächelt hatte, weil er ja jetzt einer von ihnen war.
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