Aber er konnte nichts dagegen machen, sogar seinem Verlangen den ungeliebten Mitarbeiter abzulösen wurde von der Zentrale nicht nachgekommen.“
„Aha, jetzt weiß ich auch mal wie mein Alter sein Geld verdient.“
„Ich hatte mich dann ein klein wenig verschaut in den so unkonventionellen Mann aus Europa, der schien sehr viel freier und fröhlicher zu Leben, ohne Zwang, wenig Druck. Er schien so unbefangen und Frei. Ich wollte auch nach Europa, dort wo mich niemand kannte, endlich mal richtig Leben. Damals hatte ich eine sehr schwierige Zeit, dein Vater half mir aus einer Krise.“
„Misaki, du sagtest irgendwann mal du hättest Schuld auf dich geladen.
Hat es damit zu Tun?“
Sie zögerte lange. Sehr lange. Ein kritischer fragender Blick zu mir.
„Bleibt es unter uns?“
„Alles was wir reden bleibt unter uns. Außer deinen Eskapaden mit der örtlichen Polizia.“
Misaki kicherte, dann besann sie sich wieder.
„Willst du alles hören?“
„Alles was du von dir aus willst. Es interessiert mich.“
„Ich hatte früher einen Bruder. Haruto.“
„Das hörte ich schon mal Irgendwann.“
„Wir waren Zwillinge, ähnelten uns ziemlich. Viele gleiche Interessen, mein Vater erzog uns auch beide absolut gleich, mich mehr wie einen Jungen.
So kamen wir beide auch früh zum Motorradrennsport. Zuerst Motocross auf Juniorbikes. Das mit dem 400-er Markenpokal stimmt, das war unser Einstieg auf die Rundstrecke und wir waren damals 14. Später fuhren wir Superbike und Langstreckenrennen.“
„Die ganz fetten Dinger?“ ich war Erstaunt.
„Ja.
Seriennahe 1000cc Motorräder. Natürlich stark Modifiziert aber keine reinen Prototypen wie die MotoGP. Natürlich mit ordentlich Dampf.“
„Jetzt wird mir so einiges klar. Meine 750-er ist also nur ein Spielzeug für dich?“
„Nein, das macht mir durchaus Spaß, genauso wie die 400-er heute.
Das war Fun ohne Ende.“
„Weil du mich und die Jungs verblasen hattest.“
„Ja, das auch.“ sie grinste.
„Haruto und ich standen uns sehr nahe. Deutlich unterschied uns eigentlich nur unser Fahrstil. Bei Haruto ist es kurz Beschrieben: Sieg oder Sanka. Ein zweiter Platz war eine Niederlage.
Ich hingegen wollte Spaß am fahren, wollte nur ein möglichst fehlerfreies Rennen abliefern. Je weniger Fehler man machte umso schneller ist man. Ankommen ist wichtig, vor allem Gesund! Ausfälle vermeiden. Lieber ein 8.Platz und die Punkte mitnehmen als Verletzt oder mit Defekt ausscheiden.
Haruto machte spektakuläre Siege oder haarsträubende Abflüge. Trotzdem war ich in den Einzelwertungen bei Meisterschaften oft vor ihm obwohl mir die Siege fehlten. Ich punktete Beständig auf den vordersten Plätzen, hatte kaum Ausfälle oder Verletzungspausen. Mein Material hielt.“
„Warum redest du immer in der Vergangenheit?“
„Ich habe Schuld auf mich geladen weil mein Bruder Haruto tödlich verunglückte und ich selbst und vor allem mein Vater gaben Mir die Schuld dafür.
Das Team fuhr damals ausführliche geheime Probefahrten, sogenannte Longruns unter Rennbedingungen um das Material unter Wettkampfbedingungen zu Testen, um Wartungsintervalle festzulegen und die Crew auf den Rennstress vorzubereiten. Eben hätte ich den Stint übernehmen sollen, die nächsten etwa 2 Stunden fahren. Aus irgendeinem Grunde fuhr jedoch Haruto statt mir, man weiß nichtmal genau warum. Es gab gerade an der unpassendsten Stelle einen Bremsdefekt, das Versagen irgendeines lächerlichen Pfennigartikels, einen Impact an einer Hochgeschwindigkeitsstelle.
Just an dieser Stelle kein Kiesbett, nur hier eine Mauer – mit schrecklichen Folgen.“
Misaki senkte traurig den Kopf.
„Manche nennen so etwas Schicksal oder Bestimmung. Mein Vater war anderer Meinung: Die Schwester hatte den Bruder geopfert, sie wäre an dessen Stelle gewesen. Der Vorfall wurde zwar offiziell Untersucht, jedoch niemandem konnte irgendein Versäumnis nachgewiesen werden. So hielt man den Unfall bedeckt um keinesfalls einen Schatten auf das Team fallen zu Lassen.
Hohe Sponsorengelder stehen auf dem Spiel. Ich fuhr die Saison unbemerkt für Haruto zu Ende. Bei Mannschaftsrennen fuhr ich Doppelstints, bei den Einzelrennen fuhr ich an seiner Stelle. Eigentlich recht erfolgreich nach Punkten.
Niemand merkte es oder wollte es merken weil die großartigen Siege ausblieben. Am Ende der Saison hatte das Team trotzdem die Meisterschaft und damit den neuen Werksvertrag in der Tasche. Ich zerbrach unter dem Druck, genau in dieser Zeit lernte ich deinen Vater kennen.“
„Das ist ja krass! Wie fühlst du dich heute damit?“
„Noch nie habe ich so offen mit jemandem darüber gesprochen. Bei dir Miky habe ich das Gefühl dass ich offen sein kann.
Deinen Vater interessierte das nie wirklich.“ Misaki tätschelte meinen Oberarm.
„Ja, du kannst absolut sicher bei mir sein, ich schätze dich als Menschen sehr!“
„Jetzt wo alles auch räumlich weiter Weg ist geht es leichter. Ich erkenne dass es damals nicht mein Fehler war. Endlich kann ich wieder Leben. Niemand kennt mich, alle gehen mit mir offen um.
Es ist sogar leichter als Ausländer gemieden zu werden als ständig an eine vermeintliche Schuld erinnert zu werden. Nur die Jungs waren heute ein wenig in ihrem Stolz gekränkt. Aber ich wollte einfach etwas Spaß haben, mich nicht wieder verstecken müssen.“
Jetzt grinste ich. „Sie werden es überleben.
Vielleicht senden sie dir ihre Psychiater-Rechnungen. Oder sie schrauben dir zwei Zündkerzen aus deiner 400-er raus zum Bremsen. Die Feuerklinge von Armin wirst du sicher auch nicht mehr bekommen, da stehen die Drahtfetzen seitlich aus dem Hinterreifen. Aber sonst bewundern sie dich eher.“
„Du bewunderst mich auch? Das merke ich an deinen Blicken.“
„Ja, du bist eine tolle Mischung.
Eine echt schöne Frau und gleichzeitig der beste Kumpel. Wann hat man so etwas?“
„Miky, lass uns gehen, ich werde Sentimental!“
Interessiert sah ich zu wie Misaki ihre Beine mit dem engen Rock über die Mauer schwang und wieder Schritt aufnahm, als ich neben ihr lief hakte sie sich bei mir unter. Sie brauchte anscheinend jetzt den Kontakt, sie wollte nicht alleine sein.
Ebenfalls ungewohnt wie schnell man in Begleitung einer Frau wie Misaki in eine Disco eingelassen wird. Gucken können die Italiener.
Wir tranken ein paar Cocktails, zum weiteren Reden mussten wir unsere Köpfe in der Lautstärke ziemlich eng aneinander halten. Dabei war ich leider immer wieder gezwungen in ihren von zwei harten Brüsten offen gehaltenen Ausschnitt zu schielen, was mich sehr beunruhigte.
Danach tanzten wir sehr lange. Sonst kümmert sich kaum ein Mädchen um mich. Wenn du mit einer solchen Frau am tanzen bist sehen dich plötzlich alle an.
So nach dem Motto: Hey, was hat dieser Typ dass er ein solches Bunny bei sich hat? Nun, in meinem Falle ist es der Trauschein meines Vaters.
Mit fortschreitender Stunde wurde die Musik ruhiger, es wurden richtige Paartänze gespielt. Ein klein wenig war noch von meinen Tanzkursen in der Realschule im Hinterkopf, ich zeigte Misaki was ich noch zusammenkratzen konnte. Sie scheute keinerlei Körperkontakt. Es war einfach nur schön! Die Hände verschränkt, der andauernde Körperkontakt, das mit seinem gegenüber beschäftigen müssen, in ihren Ausschnitt schielen.
Ehrlich, ich wollte das nicht! Etwas übersinnliches zwang mich ständig dazu!
Dazu ihre schönen Hände mit den langen gepflegten Fingernägeln in meiner Hand und die schlanke Hüfte in der Anderen, neidische und bewundernde Blicke von anderen Gästen. Wegen mir hätte das noch ewig so weiter gehen können!
Irgendwann muss Misaki kurz auf Toilette. Der Discjockey hatte uns die ganze Zeit über schon beobachtet, winkte mich nun zu sich heran, quatschte mich mit erhobener Stimme gegen die Lautstärke auf italienisch an. Als er merkte dass ich ihn nicht verstand probierte er es mit Deutsch:
Читать дальше