William Thackeray - Jahrmarkt der Eitelkeiten
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Dieses E-Book enthält eine vollständige deutsche Ausgabe des Romans «Jahrmarkt der Eitelkeiten» (Originaltitel: «Vanity Fair») von William Makepeace Thackeray.
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Diese Art Liebe war es nicht, die Amelias Erziehung vollendete und im Laufe eines Jahres ein artiges junges Mädchen zu einem schönen jungen Weib wandelte, das eine gute Ehefrau werden würde, sobald die glückliche Zeit kam. Dieses junge Wesen liebte von ganzem Herzen den jungen Offizier im Dienste Seiner Majestät, dessen Bekanntschaft wir bereits flüchtig gemacht haben (vielleicht war es nicht sehr klug von ihren Eltern, sie in solchen närrischen, romantischen Ideen noch zu ermuntern und zu bestärken). Der Gedanke an ihn war der erste beim Aufwachen, und sein Name war der letzte, den sie im Gebet erwähnte. Niemals hatte sie einen so schönen und klugen Mann gesehen, noch nie eine solche Gestalt zu Pferde erblickt, noch nie einen solchen Tänzer, überhaupt einen solchen Helden zu Gesicht bekommen. Man schweige von des Prinzregenten Verbeugung! Was war sie schon gegen Georges? Sie hatte Mr. Brummel gesehen, von dem jedermann schwärmte. Wie konnte man einen Menschen wie diesen mit ihrem George vergleichen? Unter allen Beaus in der Oper (und es gab damals etliche Beaus, mit richtigen Klapphüten) war keiner, der ihm das Wasser reichen konnte. Er war gut genug, ein Märchenprinz zu sein, und ach! wie großmütig war es doch von ihm, sich zu einem so geringen Aschenbrödel herabzulassen! Miss Pinkerton hätte wahrlich versucht, dieser blinden Ergebenheit Schranken zu setzen, wäre sie Amelias Vertraute gewesen; aber gewiss nicht mit viel Erfolg, darauf kann man sich verlassen. Das liegt nun einmal in der Natur mancher Frauen. Einige sind zum Ränkeschmieden geboren, andere zum Lieben; und ich wünschte, jeder anständige Junggeselle, der dies liest, möge die Sorte wählen, die ihm entspricht.
Unter diesem überwältigenden Eindruck vernachlässigte Amelia ihre zwölf lieben Freundinnen in Chiswick aufs grausamste, wie es selbstsüchtige Menschen immer tun. Sie dachte natürlich stets nur an diesen einen Gegenstand, und Miss Saltire war für eine Vertraute viel zu kühl. Auch Miss Swartz, der wollköpfigen jungen Erbin von Saint Kitts, konnte sie ihre Gefühle nicht mitteilen. Während der Ferien war die kleine Laura Martin bei ihr zu Besuch, und ich glaube, sie machte sie zu ihrer Vertrauten und versprach, dass Laura bei ihr wohnen sollte, wenn sie erst verheiratet wäre. Sie erzählte Laura eine Menge Dinge über Liebesleidenschaft, die für dieses kleine Mädchen besonders nützlich und neu gewesen sein müssen. Oje! Ich fürchte fast, es stand mit ihrem Kopfe nicht eben zum besten.
Warum aber hinderten ihre Eltern dieses kleine Herz nicht daran, so schnell zu schlagen? Der alte Sedley schien von diesen Dingen nicht viel zu bemerken. Er war in der letzten Zeit ernster geworden, und seine Geschäfte in der City nahmen ihn ganz und gar in Anspruch. Mrs. Sedley war so ruhig und so wenig neugierig, dass sie nicht einmal eifersüchtig war. Mr. Joe war fort und wurde in Cheltenham von einer irischen Witwe belagert. Amelia hatte das Haus ganz für sich allein – ach! bisweilen zu sehr für sich allein; nicht dass sie je von Zweifeln geplagt worden wäre, denn sicherlich war George im Kriegsministerium; und er konnte auch nicht ständig Urlaub von Chatham bekommen; er musste seine Freunde und Schwestern besuchen und, wenn er in der Stadt war, in der Gesellschaft auftauchen (er, die Zierde jeder Gesellschaft!); und wenn er beim Regiment war, so war er zu müde, um lange Briefe zu schreiben. Ich weiß, wo sie das Bündel aufbewahrte, das sie bekommen hatte, und ich kann mich in ihr Zimmer stehlen und wieder unbemerkt verschwinden, wie Jachimo. Wie Jachimo? Nein, das wäre eine schlechte Rolle. Ich will nur den Mondschein spielen und arglos in das Bett lugen, wo Treue, Schönheit und Unschuld träumen.
Osbornes Briefe waren kurz und soldatisch, müssten wir allerdings Miss Sedleys Briefe an Mr. Osborne veröffentlichen, hätten wir diesen Roman zu einer solchen Menge von Bänden zu erweitern, dass auch der sentimentalste Leser es nicht aushalten könnte. Sie füllte nicht nur große Bogen voll, sondern beschrieb sie auch in ihrer Durchgedrehtheit kreuz und quer; sie kopierte ohne Gnade und Barmherzigkeit ganze Seiten aus Gedichtsammlungen, unterstrich Wörter und Sätze mit wahrhaft wahnsinnigem Nachdruck und ließ, mit einem Wort, die üblichen Zeichen ihres Zustandes merken. Sie war keine Heldin, ihre Briefe waren voller Wiederholungen. Bisweilen war die Grammatik recht zweifelhaft, und in ihren Versen erlaubte sie sich alle Arten von Freiheiten mit dem Metrum. Aber, omeine Damen, wenn es Ihnen nicht erlaubt sein soll, manchmal aller Syntax zum Trotz das Herz zu rühren, und wenn Sie erst geliebt werden sollen, wenn Sie den Unterschied zwischen Trimeter und Tetrameter kennen, so mag alle Poesie zum Teufel fahren und jeder Schulmeister eines elenden Todes sterben!
13. Kapitel
Sentimentales und anderes
Ich fürchte, der Herr, an den Miss Amelias Briefe gerichtet waren, war ein ziemlich verstockter Kritiker. Leutnant Osborne folgte überall eine solche Menge von Briefchen, dass er sich beinahe der Späße seiner Kameraden darüber schämte und seinem Diener befahl, sie nur in seiner Privatwohnung abzugeben. Es wurde beobachtet, wie er sogar einmal seine Zigarre mit einem solchen Brief anzündete, zum Entsetzen Hauptmann Dobbins, der, wie ich glaube, das Dokument gern mit einer Banknote aufgewogen hätte.
Einige Zeit suchte George die Verbindung geheimzuhalten. Er gab zu, dass eine Frau im Spiel sei. „Bestimmt nicht die erste“, sagte Fähnrich Spooney zu Fähnrich Stubble. „Der Osborne ist ein Teufelskerl. In Demerara wurde eine Richterstochter seinetwegen fast verrückt; dann kam in Sankt Vincent das prachtvolle Quarteronmädchen, Miss Pye, Sie wissen; und seitdem er nach England zurückgekommen ist, soll er ein wahrer Don Juan sein, beim Zeus!“
Stubble und Spooney dachten, dass „beim Zeus, ein wahrer Don Juan“ zu sein eine der besten Eigenschaften eines Mannes sei, und Osborne erfreute sich bei den jungen Leuten des Regiments eines ungeheuren Ansehens. Er war ausgezeichnet in allen möglichen Sportarten, er war ein ausgezeichneter Sänger, er war ausgezeichnet bei der Parade und freigebig mit dem Gelde, womit ihn sein Vater reichlich versah. Seine Röcke waren besser gearbeitet als die aller anderen im Regiment, und er hatte mehr davon als alle anderen. Die Soldaten beteten ihn an. Er konnte mehr trinken als alle anderen in der Offiziersmesse, einschließlich des alten Obersten Heavytop. Im Boxen übertraf er selbst Knuckles, den Gemeinen (der Preiskämpfer gewesen war und ohne seine Trunksucht zum Korporal befördert worden wäre); auch war er weitaus der beste Kricketspieler und Kegler des ganzen Regimentsklubs. Bei den Quebec-Rennen ritt er sein eigenes Pferd, den „Geölten Blitz“, und gewann den Garnisonspokal. Außer Amelia gab es noch andere, die ihn verehrten. Stubble und Spooney hielten ihn für eine Art Apollo, Dobbin sah in ihm einen „bewundernswerten Crichton“, und die Majorin O'Dowd bekannte, dass er ein eleganter junger Bursche sei und sie an Fitzjurld Fogarty, Lord Castlefogartys zweiten Sohn, erinnere.
Stubble und Spooney und alle anderen ergingen sich also in höchst romantischen Vermutungen, wer Osborne wohl Briefe schreibe. Sie meinten bald, es sei eine Londoner Herzogin, die sich in ihn verliebt habe, bald, es sei eine Generalstochter, die mit einem anderen verlobt sei, ihn aber rasend liebe, bald, es sei die Frau eines Parlamentsabgeordneten, die ihm eine Entführung im Vierspänner vorschlage, bald, es sei ein anderes Opfer einer für alle Teile reizvollen, aufregenden, romantischen und schmachvollen Leidenschaft. Auf alle diese Vermutungen wollte Osborne nicht das geringste Licht werfen und ließ seine jungen Bewunderer und Freunde ihre ganze Geschichte nach Belieben erfinden und ausspinnen.
Der wirkliche Sachverhalt wäre nie im Regiment bekannt geworden, hätte nicht Hauptmann Dobbin Indiskretion geübt. Eines Tages saß der Hauptmann beim Frühstück in der Offiziersmesse, als der Unterarzt Cackle und die beiden obenerwähnten Ehrenmänner Vermutungen über Osbornes Liebeshandel anstellten. Stubble behauptete, die Dame sei eine Herzogin am Hofe der Königin Charlotte, und Cackle schwor, es sei eine berüchtigte Opernsängerin. Diese Worte erregten Dobbin dermaßen, dass er, den Mund voller Ei und Butterbrot, herausplatzte, obwohl er gar nichts hätte sagen dürfen: „Cackle, Sie sind ein Dummkopf. Immer haben Sie Unsinn und Skandalgeschichten auf Lager. Osborne hat nicht vor, eine Herzogin zu entführen oder eine Putzmacherin unglücklich zu machen. Miss Sedley ist eines der bezauberndsten jungen Mädchen, die es je gegeben hat. Er ist mit ihr schon seit langem verlobt, und wer sie beschimpft, sollte es nicht in meiner Gegenwart tun.“ Hier schwieg Dobbin, puterrot geworden, und erstickte beinahe an einer Tasse Tee. In einer halben Stunde wusste das ganze Regiment die Geschichte, und noch am gleichen Abend schrieb die Majorin O'Dowd an ihre Schwägerin Glorvina in O'Dowdstown, sie brauche sich nicht zu beeilen, von Dublin anzureisen, der junge Osborne sei bereits, und leider zu früh, verlobt.
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