"Z'ehynn'dha qu'an th'eyza! N'nin'ktshu qu'av! M'ekethz! M'ekethz 'nnu ah'nya vez'kynth!" Immer aufbrausender und fluchender kamen die Worte über die Lippen des Fremdlings. Sie klangen hart, sogar beißend und hatten doch eine natürliche Melodie, die dazu verleitete, mehr von ihr vernehmen zu wollen. Immer wieder deutete er auf das Fell und anschließend auf alle anderen Anwesenden um ihn herum.
König Faryen wandte den Kopf merklich beunruhigt zu seinem Berater. "Der Gesandte schwört, dass die Menschen 'ein böser Fluch' treffen wird, solltet Ihr nicht damit aufhören, 'ah'nya zu spotten' und ihre … 'Kinder' zu töten …", dann beugte sich Hal ein wenig zu ihm herunter und flüsterte: "Eure Majestät, es wäre höchst ratsam, dass Ihr ihnen ein Zeichen Eurer 'guten Absicht' gebt, ansonsten ist es nur eine Frage von Monaten oder gar Wochen, bis sie zuhauf vor Eurem Palast stehen und 'Rechenschaft' fordern – wenn Ihr versteht, was ich meine …", und er hob eine kahle Augenbraue, "Es scheint, als würden sie keine Ruhe geben, bis die Wolfsschlachtung aufgehört hat."
Der König nickte langsam und räusperte sich schließlich, woraufhin sich der Mercurio Hal wieder aufrichtete. "Nun …", begann der Menschenkönig – jedoch nicht, ohne vorher einen bedeutungsvollen Blick mit seinem Berater gewechselt zu haben, "Ihr habt da etwas missverstanden: Wir haben …", er zögerte und wählte seine Worte mit Bedacht, "… bereits in die Wege geleitet, dass … unsere Menschen keine sinnlosen Tieropfer mehr bringen." Er sah kurz zu Hal, welcher daraufhin begann, das Gesagte in Qu'elza, die Sprache der Elfen, zu übersetzen.
Der Fremdling hielt nun inne und lauschte den Worten des Königs. Dieser fuhr fort: "Aber wie das bei uns Menschen leider so ist, brauchen Veränderungen …", Rex zögerte erneut, "… ihre Zeit, bis sie sich vollkommen durchgesetzt haben. Deswegen bitte ich euch um ein wenig Geduld. Gebt den Menschen die Zeit, die sie brauchen, um sich an die neuen Umstände zu … 'gewöhnen' …" Beim Sprechen vollzog seine rechte Hand leichte, kreisende Bewegungen, welche die latente Nervosität des alten Mannes verrieten. "So nehmt denn als Zeichen meines guten Willens diesen … diesen …", was sollte er ihnen bloß geben?, "… ja, diesen Baumsamen entgegen!" Der König ließ einen Diener hastig ein kleines Lederbeutelchen auf einem Tablett bringen. "Er stammt vom großen Baum unserer Väter und kann nur in einer einzigen Nacht in sieben Jahren gewonnen werden, da die Blüte ihn nur für diesen kurzen Augenblick preisgibt …!"
Auf einen flüchtigen Wink hin schritt der Diener an den Elfen heran, während der Mercurio die Worte zu Ende übersetzte. Der Bursche wartete, bis der Gesandte das Beutelchen vom Tablett genommen hatte, und entfernte sich danach wieder. Der Waldbewohner besah sich das Säckchen und öffnete es, um den Inhalt in Augenschein zu nehmen. Er tunkte seinen Finger vorsichtig in diesen hinein und zog ihn mit einer hauchfeinen, staubartig glitzernden Schicht an der Fingerkuppe wieder heraus. Höchst neugierig, wenn auch skeptisch, musterte er seinen Finger und sah dabei immer wieder zum König auf dem Thron auf. Dieser erwiderte seinen Blick ruhig und wartete …
Letztendlich schloss der elfische Gesandte das Säckchen wieder, band es an seinem Gürtel fest und neigte kaum merklich den Kopf. "Ay'zawa qu'enn ah'nya", sagte er leise, legte dabei seine Hand flach auf die Brust und wandte sich zum Gehen.
Noch lange nachdem das leise Tapsen der nackten Füße auf dem Steinboden verhallt war, verharrten alle anderen Anwesenden regungslos an Ort und Stelle, … bis der König selbst laut ausatmete und dem unangenehmen Schweigen ein Ende bereitete. Augenblicklich brach ein reges Gemurmel unter den Menschen im Thronsaal aus: Eine Hand voll weiterer Gestalten in dunkelblauen Roben beriet sich durch lautlosen Blickkontakt mit dem Mann im goldverzierten Umhang neben dem Thron, der als Mercurio offensichtlich eine leitende Funktion inne zu haben schien. Unter den anwesenden Dienern des Königs wurde mit aufgebrachter und verängstigter Stimme diskutiert, was das denn nun zu bedeuten hatte, und auch die henxischen Wachen wirkten sichtlich beunruhigt.
König Faryen legte die Stirn in Falten und stützte sie mit einer Hand ab. Sein Blick fiel wieder auf das blutige Fell vor seinen Füßen und er ließ es mit einem knappen, genervten Wink entfernen. Dann schloss Rex die Augen und atmete tief durch. Sein langes, grau gewelltes Haar vermochte nicht, die Sorge in seinem Gesicht zu verdecken, und die Falten darin schienen tiefer denn je …
"Nun, Eure Königliche Majestät …", ertönte die schneidende Stimme des Mercurios laut im Raum, sodass wieder Stille einkehrte, "Wie genau … gedenkt Ihr jetzt vorzugehen?"
König Faryen setzte sich schwermütig auf und schaute in die Runde seiner Untertanen. Er sah in all ihre verunsicherten Gesichter und wusste, was er zu tun hatte. So festigte Rex seinen Blick und setzte ruhig, aber bestimmt an: "Die Elfen wissen nicht im Geringsten, wie wir uns fühlen; sie wissen nicht, was es heißt, eines Morgens aufzuwachen und feststellen zu müssen, dass die, die uns am wichtigsten, am liebsten waren!, nicht mehr da sind und von ihnen keine Spur mehr zu finden ist."
Die Anwesenden hörten ihm aufmerksam zu und nickten vereinzelt. Der alte Mann schüttelte seinen Kopf, während sein Tonfall zunehmend anklagender und bitterer wurde: "Sie haben also auch keine Ahnung, wie es uns dabei ergeht. Sie wissen nichts über uns und unsere Sitten oder Kultur; aber dafür meinen sie, alles an Getier, ja, jeden Wurm und jeden Käfer beim Eigennamen zu kennen!", und er lachte trocken auf, während seine Untertanen es ihm gleich taten und spottendes Gelächter hören ließen, "Jaaah, sie 'kennen' die Tiere als ihre 'Kinder von Mutter Natur' – doch wir wissen nun mal über ihre wahre Natur Bescheid!"
Der König verengte die Augen zu Schlitzen und ballte die Hand zur Faust. "Voller Boshaftigkeit sind sie doch nur darauf aus, uns zu hintergehen und uns zu vernichten! Aber wir dürfen uns nicht täuschen lassen! Wir werden unsere Verlorenen nicht im Stich lassen! Und wir werden auch nicht zulassen, dass weitere Verluste auf uns zukommen! Nein, wir werden uns mit aller Macht gegen diese Bestien wehren und das ist unser ureigenes Recht!!!"
Zum Schluss hin war Rex aufgestanden und hatte mit der Faust in die Luft geschlagen, um die Macht seiner Worte zu bekräftigen. Nun strahlte König Faryen wieder Selbstsicherheit aus, dass in seinen dunklen Augen das lodernde Feuer des Lebens aufflackerte. Angesteckt von seinem Enthusiasmus riefen die Anwesenden jubelnden Beifall und sahen ihre Gemüter wieder beruhigt.
'Welch einfaches Volk', schoss es dem alten Mann traurig durch den Kopf – und als er zur Seite blickte, wunderte es ihn nicht, dass sein königlicher Berater mitsamt dessen Anhanges an dunkelblau gekleideten Gefährten herzlich unbeeindruckt von seiner Rede war. König Faryen schmunzelte ein wenig. Richtig … Wie hätte es auch anders sein können? Sie würden ohnehin noch einiges zu besprechen haben. Doch für den Moment waren die anderen ruhiggestellt. So schickte er alle Anwesenden bis auf den Mercurio hinaus.
Als der König mit seinem Berater allein zurückgeblieben war, seufzte er leise und stieg von seiner Thronerhöhung herunter. Der Saal war recht schmal, aber dafür lang gebaut und wurde zu beiden Seiten von marmornen Säulen flankiert. Die Wände waren in schlichtem Weiß gehalten und große, runde Buntglasfenster in sie eingelassen, sodass stets ein farbenfrohes Lichtspiel auf dem hellen Steinboden stattfand. Die Wappen der vier Grafenhäuser zierten das Gewölbe über den Säulengängen, wobei das Wappen des Königshauses alleinstehend über dem Thron hing.
Der Sitz des Königs befand sich mittig in der Hälfte des Raumes auf einem kleinen Sockel. Hinter ihm war eine große Öffnung im Gewölbe eingelassen, die weitere säulengestützte Stockwerke sowie ein gläsernes Dach offenbarte. Durch die Öffnung zum Himmel hinaus wuchs ein großer, stämmiger Baum mit heller Rinde und üppig verdrehten, blassgrünen Blättern, die mit Weiß gesprenkelt waren. Die Borke schälte sich zum Teil in feinen Streifen ab und bildete eine gekräuselt abstehende Rindenschicht um den eigentlichen Stamm herum. Um den Baum selbst waren die verschiedensten exotischen Grünpflanzen gesetzt, sodass sie insgesamt ein harmonisches und überaus malerisches Bild abgaben. Hinter dem rund gehaltenen Innenhof erstreckte sich eine große Treppe zum Festsaal im ersten Stock – und abgesehen davon gab es noch vier Seitengänge, die zu anderen Räumen sowie zu den königlichen Gemächern führten.
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