Jahrelange Übung, Du Arschloch!
»Gut erkannt, Sir!«, Erics Stimme klang unbedarft und freundlich. Seine Gedanken gab er nicht preis. »Meine Eltern stammen aus Schweden, sind aber schon vor meiner Geburt in die Staaten ausgewandert!«
»Aha, höchst interessant! Und was verschlägt Sie dann hierher nach England? Ein Kerl mit Ihrer Erfahrung kriegt doch drüben an jeder Ecke einen Job als Bodyguard!«
»Na ja, wie soll ich sagen, Sir ... bei meinem letzten Job gab es ... hm ... sozusagen Schwierigkeiten! Mein Boss gehörte nicht gerade zu den integren Persönlichkeiten der Gesellschaft. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Es gab Uneinigkeiten mit dem Gesetz. Und zur Wahrung seiner und auch meiner Sicherheit schien es besser, unser Arbeitsverhältnis zu beenden und den Staaten eine Zeit lang den Rücken zu kehren!«
Vogel friss oder stirb!
»Hahaha ... das haben Sie schön gesagt! Integre Persönlichkeit ... Uneinigkeiten mit dem Gesetz!« Allister bog sich vor Lachen. »Sie waren der Bodyguard eines Mafiosi und nach einer wüsten Schießerei mit der Gegenseite, wurden sie enttarnt. Darum haben Sie das Land verlassen. McLeod hat mir alles erzählt!«
Der Wolf hat also seine Hausaufgaben gemacht! Eric setzte ein gespielt erschrockenes Gesicht auf, als ob es ihm peinlich wäre, dass Allister seine wahre Identität kannte.
Sofort lenkte der ein: »Keine Angst Solberg ... ach was, ich werde Sie Eric nennen! Ihr Geheimnis ist bei mir in den besten Händen! Was interessiert mich die ›Cosa Nostra‹ . Aber es ist gut, zu wissen, dass Sie ... unter gewissen Umständen natürlich ... es nicht so genau mit dem Gesetz nehmen! Vielleicht muss ich ja einmal gegebenenfalls darauf zurückkommen!«
Der Fisch hat angebissen. Erics selbstgefälliges Grinsen kam aus tiefster Seele: »Ich sage immer, leben und leben lassen, Sir! Wenn Sie verstehen, was ich meine!«
Allister beugte sich vor und klopfte Eric lachend auf die Schenkel: »Ich verstehe Sie nur zu gut, mein Bester! Genau diese Antwort habe ich von Ihnen erwartet!«
*
Allisters Haus lag in ›Richmond‹, einem der vornehmen Stadtbezirke von London. Es war einer dieser typischen Protzbauten, mit direktem Blick auf die Themse.
Mike öffnete die Tür, sondierte automatisch die Umgebung und ließ dann seinen Boss und Eric aussteigen. Als sich Eric um sein Gepäck kümmern wollte, winkte Allister ab.
»Lassen Sie! Wir werden uns sowieso nicht lange aufhalten! Ich stelle Ihnen meine Frau vor und dann fahren wir weiter zu unserem Landsitz.« Er ging ein paar Stufen hinauf zur Tür.
Wie von Geisterhand wurde sie von einem livrierten Butler geöffnet. »Guten Tag, Sir!«, begrüßte er seinen Boss mit versnobter nasaler Stimme, ohne jegliche Gefühlsregung.
»Harold!«, Allister ließ sich wieder zu keiner Höflichkeit hinreißen, »Ist meine Frau reisefertig?«
»Mylady erwartet Sie bereits im Salon, Sir!« Abschätzend musterte der Butler Eric von oben bis unten unverhohlen.
Allister deutete mit einer Kopfbewegung auf den Mann hinter sich. »Das ist übrigens Eric, der neue Bodyguard meiner Frau!«
Eric lächelte freundlich und reichte dem Butler die Hand zur Begrüßung. Dieser verzog nur verächtlich die Mundwinkel und wandte sich augenblicklich dem Gepäck hinter sich in der Diele zu.
Allister war inzwischen mit schnellen Schritten ins Haus geeilt und verschwand in einem der unteren Räume.
»Kathryn, meine Liebe!«, säuselte er zuckersüß, »Komm her und lass dir deinen neuen Aufpasser vorstellen!«
Eric ließ sich von der Freundlichkeit in der Stimme nicht täuschen. Er hörte genau die gefährlich mitschwingende Nuance im Tonfall seines Bosses. Gespannt wartete er auf das blondierte Dummchen, das ihm Allister sicherlich gleich präsentieren würde. Eine Stimme aus dem Raum ließ ihn aufhorchen. Sie klang auf eine gewisse Weise vertraut, ohne dass er sie in diesem Moment zuordnen konnte.
»Eric, das ist meine Frau Kathryn!«, tönte es in diesem Moment aus Allisters Mund. Die Frau, die schattengleich hinter ihm auftauchte, um im nächsten Moment vor ihm zu stehen, warf Eric für ein paar Sekunden aus seiner sicheren Bahn.
»Kathryn, das ist Eric Solberg! Er wird zukünftig für deine Sicherheit zuständig sein!«
Kathryn hob den Blick und in ihren grünen Augen blitzte blankes Entsetzen auf. Ihr Gesicht wurde augenblicklich leichenblass und ihre Beine wurden weich. Ausgerechnet der Typ, der trotz seines perfekt sitzenden Anzugs aussah, wie ein Kampfkoloss aus einem Actionfilm, sollte ihr Bodyguard sein. Nach ihrem gestrigen Zusammenstoß gingen ihr diese stechenden blauen Augen nicht mehr aus dem Kopf. Den ganzen Tag lang hatte sie seinen anziehenden Geruch aus Sandelholz und etwas Zeder in der Nase. Seine starken Arme, die sie fest aber nicht grob hielten. Und diese sanfte Stimme, die trotzdem auf eigenartige Weise dominant und unnachgiebig klang. Da waren plötzlich Gefühle in ihrem tiefsten Inneren, die sie so noch nie verspürt hatte. Die sie bis ins Tiefste verwirrten. Und jetzt stand der Kerl plötzlich vor ihr. Die Haare korrekt nach hinten gestylt und durch einen Zopf gebändigt.
Verdammt, der sieht so gut aus, obwohl er nicht diesen Schönlingstypen entspricht , dachte sie bei sich.
»Mrs. Allister, Ma’am! Schön, Sie kennenzulernen!«, Eric ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. Er verbeugte sich knapp, ergriff ungefragt Kathryns Hand und hauchte einen Kuss darauf. Ihre Hand war eiskalt und doch so wundervoll zart. Unmerklich für Außenstehende drückte er sie sanft. Er würde ihr kleines Geheimnis von dem Zusammenstoß am Flughafen für sich behalten. Er konnte es an ihren Augen ablesen, dass ihr das unangenehm war. Vermutlich durfte ihr Mann davon nichts wissen.
Seine Berührung durchfuhr Kathryn wie ein Stromschlag. Sein Händedruck war fest und auf eine gewisse Art und Weise trotzdem zärtlich. Wieder roch sie die Mischung aus Sandelholz und Zeder. Unaufdringlich aber trotzdem präsent. Seine Geste beruhigte sie. Ihr Herzschlag regulierte sich langsam und die Hautfarbe wurde wieder normal. Schüchtern lächelte sie ihn an: »Mr. Solberg! Danke, ganz meinerseits!«
»Eric, Ma’am! Sagen Sie einfach Eric zu mir!« Gerne darfst du mich auch Master nennen! , fuhr es ihm durch den Kopf. Er schenkte ihr ein warmherziges Lächeln und stieß den kleinen Teufel in seinen Gedanken augenblicklich von der Schulter. Sie war die Frau seines Bosses! Und auch wenn sie ihn maßlos reizte! Er hatte verdammt wichtigere Dinge zu tun.
Allister unterbrach unbewusst die vorherrschende Stimmung: »So nachdem wir jetzt genug der Höflichkeiten getauscht haben, können wir uns auf den Weg machen! - Kathryn! Du fährst mit mir und Eric in der Limousine! Mike soll den SUV nehmen. Dann können wir mit Eric unterwegs noch ein wenig genauer seine zukünftigen Tätigkeiten besprechen.« Ohne auf eine Zustimmung zu warten, packte er Kathryn am Arm und zog sie unsanft nach draußen zum Wagen.
Wenn er Allister nicht schon von jeher hassen würde, ab diesem Moment würde er es mit Sicherheit tun. Erics Kiefer mahlten hart aufeinander. So ein gottverdammtes Arschloch! Man behandelt eine Frau nicht auf diese Art und Weise. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Was tust du da, Eric? Fragte seine innere Stimme! Sie ist seine Frau! Und genauso schuldig, wie er! Dann kann es dir doch scheißegal sein, wie er sie behandelt! Sie hat es nicht anders verdient! Denk an Berrit! Und denk an den kleinen Engel! Um dessentwillen du dich jetzt endlich zusammenreißt und den Auftrag professionell ausführst und nicht einfach mit einem Sprengsatz aus Johns Spielwarenlager den Milliardär und seine verwöhnte Tussi mit all ihren unterwürfigen Untertanen ins Jenseits beförderst.
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