Dieser Tag hatte mich mit all seinen Wirrungen ziemlich mitgenommen, so dass ich den Nachtflug nach Europa fast komplett verschlafen konnte. Geweckt wurde ich morgens von einer Ansage aus dem Cockpit: „Sehr geehrte Damen und Herren, hier spricht Ihr Kapitän. Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass der Flughafen Frankfurt am frühen heutigen Morgen aufgrund der Aschewolke vollständig geschlossen worden ist. Nach unseren aktuellen Informationen wird es uns noch gelingen, stattdessen in München zu landen, bevor auch dieser Flughafen aufgrund der südostwärts ziehenden Wolke geschlossen werden muss.“ Berlin, Frankfurt, München…, wo ich in Deutschland landen würde, war mir inzwischen total gleich. Ich fand es einfach nur super, dass zwischen mir und meinem Zuhause kein Ozean mehr liegen würde. Nach der Landung in München schaltete ich mein Mobiltelefon an und bekam gleich eine SMS-Nachricht von meinem Freund, der ja zeitgleich mit dem ursprünglich gebuchten Flug nach Amsterdam reisen wollte: „Schöne Grüße aus Curacao – Glückwunsch, du hast die richtige Entscheidung getroffen!“ Da an diesem Tag dutzende Langstreckenmaschinen aus dem gleichen Grund wie wir unplanmäßig in München landeten, gab es nicht genug Mitarbeiter, um uns unsere Koffer zurückzugeben. Also ging es ohne Gepäck im völlig überfüllten Zug nach Hause in Richtung Norden. Auch wenn der Zug aufgrund des Ausfalls sämtlicher Inlandsflüge brechend voll war und ich nur mit Glück einen Stehplatz ergattern konnte, war dies eine der glücklichsten Zugfahrten, die ich bisher unternommen hatte.
Tja, wer nun denkt, dass ich all dies aufgrund meiner lästerlichen Eingangsbemerkungen zu Henrys fehlgeschlagenem Rückflug von Curacao nicht besser verdient hätte, sei auf die kleine Ironie des Schicksals hingewiesen, dass kurz nach meiner Landung in München mein Telefon klingelte und Henry dran war: „So ein Mist, wir sitzen auf Barbados fest und unser Flug wurde gestrichen, hast du irgendeine Idee, was wir machen können…?“ – „Baden gehen, Henry, baden gehen – aber nicht im Chlorwasser, das gibt rote Augen!“
Nur ein knappes Jahr, nachdem der isländische Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen den Flugverkehr auf der Nordhalbkugel lahmlegte, widerfuhr der Südhalbkugel übrigens ein ähnliches Schicksal. Der chilenische Vulkan namens Puyehue begann, Rauch und Asche zu spucken und die Wolke zog ostwärts um den ganzen Globus, bis sie sogar wieder aus Richtung Westen aus Australien in Chile ankam. Man rate, wer sich genau zu dieser Zeit in dem am schwersten betroffenen Land Argentinien aufhielt. Ich natürlich! Kaum war ich dort gelandet, schon dachte ich an einen schlechten Scherz: Alle Flughäfen des Landes seien wegen einer Aschewolke komplett gesperrt, so vermeldeten es die Nachrichten. So langsam fühlte ich mich von Asche verfolgt und mehr noch - in meiner Reisefreiheit eingeschränkt. Konnte man jetzt gar keine Reisen mehr planen, ohne ständig Sorgen haben zu müssen, dass irgendein Vulkan alles wieder durcheinander werfen würde? Diesmal hatte ich tatsächlich riesiges Glück im Unglück – immerhin hatte ich vor der Flughafenschließung gerade noch mein Ziel erreicht und konnte somit meinen geschäftlichen Verpflichtungen in Buenos Aires nachkommen. Für das folgende Wochenende hatte ich zusammen mit Kollegen einen Ausflug mit dem Flieger zu den wunderschönen Iguacu Wasserfällen im Dreiländereck Argentinien – Brasilien – Paraguay geplant. Je näher das Wochenende rückte, desto skeptischer waren wir, ob die Flughäfen dann schon wieder geöffnet wären. Und tatsächlich entschied sich erst am Freitagabend, dass die Flughäfen pünktlich zu unserem Abflug am Samstagmorgen wieder offen sein würden. Was folgte, war ein wunderbares Wochenende an einem der schönsten und größten Wasserfälle der Welt. Die Niagarafälle sind gegen Iguacu beispielsweise klein und, na ja, nicht so hübsch. Wir genossen die Natur ganz unbeschwert, denn vom Vulkan war nichts mehr zu hören. Am Sonntagabend flogen wir zurück nach Buenos Aires, wo wir noch eine Woche zu arbeiten hatten. Als wir nach der Landung im Terminal ankamen und ich auf den Ankunfts-Monitor schaute, staunte ich jedoch nicht schlecht: „Cancelled, cancelled, cancelled,...“ – in dieser Minute hatten sie den Flughafen wieder geschlossen und offenbar war unser Flugzeug eines der letzten, wenn nicht das letzte, welches in Buenos Aires noch landen durfte. Glück gehabt! Mit dem Auto hätten wir 36 Stunden benötigt und wären damit kaum pünktlich zur Arbeit erschienen – es kann also auch mal gut laufen!
Fotos zur Geschichte:
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Rhodos: Du kommscht hier ned rein!
Ein guter Freund von mir steuerte langsam, aber unaufhaltsam auf den Hafen der Ehe zu und so war es das Gebot der Stunde, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Weil sein Trauzeuge aus beruflichen Gründen keine Möglichkeit dazu hatte, kümmerte ich mich gerne um den Junggesellenabschied unseres gemeinsamen Freundes. Dieser kam als Angestellter in der Reisebranche an günstige Tickets heran und unter Nutzung selbiger hatte ich die einzigartige Möglichkeit, ein anständiges Programm auf die Beine zu stellen. Die Wahl fiel auf einen Tagesausflug zur griechischen Sonneninsel Rhodos. Wir wollten an einem frühen Samstagmorgen dorthin fliegen, einen ganzen Tag auf der Insel verbringen und erst abends wieder nach Hause zurückkehren. Ich stellte eine illustre Reisegruppe von 15 Partyprofis aus dem Fliegerumfeld des angehenden Bräutigams zusammen. Wir bekamen für unseren Trip tatsächlich Freitickets geschenkt, aber natürlich konnten wir diese Tickets nur an einem Tag nutzen, an dem die Buchungslage mit „richtigen“ Fluggästen ausreichend freie Plätze für unser Partykommando übrig ließ. Zusammen mit den Spendern der Tickets suchte ich einen passenden Samstag heraus, an dem sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückflug derart viele freie Plätze zur Verfügung standen, dass wir uns keine Sorgen machen mussten. Als der Tag gekommen war, trafen sich alle 15 Reiseteilnehmer gegen vier Uhr morgens auf einem Parkplatz im nächtlichen Nirgendwo in der Nähe des Hauses unseres Freundes und bereiteten unseren Zugriff vor, der auch unmittelbar erfolgte. Schnell wurde unser Freund in das eigens vorbereitete Reisegruppen-T-Shirt gesteckt und mit einem der Fahrzeuge aus unserer Kolonne in Richtung Flughafen entführt. Weil dies so üblich ist auf Junggesellenabschieden, schenkten wir ungeachtet der frühen Stunde bereits auf der Fahrt zum Flughafen reichlich Bier aus, was zu einer durchweg heiteren Stimmung führte. Am Flughafen hatte ich vorab alles vorbereitet. Die Schichtleiterin am Check-In erwartete uns bereits und alles war bestens organisiert. Als wir gegen 6 Uhr schon mit diversen Bierchen im Schädel, mit behörnten Wikingerhelmen auf dem Kopf sowie in den obligatorischen peinlichen Sprüche-T-Shirts sowie zielgebietskonform in kurzen Hosen am Flughafen ankamen, war die Reiselust auf ihrem Höhepunkt. Bis, ja bis die überaus liebenswerte und hilfsbereite Schichtleiterin des Check-Ins mit versteinerter Miene zu mir kam und mit ihrem niedlichen schwedischen Akzent bekannt gab: „Ick varstähe niecht die Problämm, aba die Kapitänn will nur 13 von 15 Jungs mitnehmen, dabei haben wir genug freie Plätze auf die Flugzeug.“ Nach einer derart langen Vorbereitungszeit war dies ein Rückschlag für uns, der die Stimmung zerstörte wie Impotenz in der Hochzeitsnacht oder der neue Benzinpreis vor der Fahrt in die Osterferien. Müde und alkoholisiert sowie unter erheblichem Zeitdruck musste ich mich nun also auf die Fehlersuche begeben. Nach einigen Telefonaten mit Leuten, von denen ich annahm, dass sie helfen könnten, fand ich zwar nicht heraus, was verdammt noch mal das Problem des Kapitäns war, aber immerhin mit welcher Begründung er meine Aktion sabotieren wollte: Das Flugzeug sei zu schwer. Nun, um technische Details an dieser Stelle zu vernachlässigen, beschränke man sich schlichtweg auf das Fazit, dass die gegebene Kombination aus Flugzeugtyp, Startbahnlänge und Entfernung des Ziels es faktisch unmöglich machte, dass das Flugzeug selbst bei voller Belegung nur ansatzweise zu schwer sein könnte. Amüsant an dieser Angelegenheit war nun, dass fast das komplette Partykommando –mich selbst und einige weniger andere ausgenommen – aus Berufspiloten bestand. Als ich den Kollegen nun den vermeintlichen Grund mitteilte, löste ich Entsetzen und Heiterkeit im Übermaß aus. Das war so, als würde man Dreißigjährigen erklären wollen, dass ihre Renten später einmal sicher sein werden – die Zuhörer wissen einfach, dass es nicht stimmt. Insbesondere dass 15 zusätzliche Gäste zu schwer und 13 nicht zu schwer sind, war selbst für Laien erkennbar albern, schließlich würde eine solche Variation von 160 Kilo ein Flugzeug mit einem Startgewicht von 70 Tonnen ganz offenkundig nicht zum Absturz und auch den Kapitän nicht ins Gefängnis bringen. Da die genannten Parameter nun also quasi entgegen der Interpretation unseres Kapitäns eine Garantie dafür waren, dass wir alle problemlos mitfliegen könnten – warum sollte das nicht gehen? Im Endeffekt stellte sich heraus, dass der Kapitän dümmlicherweise das Flugzeug bis zum Rand mit Treibstoff vollgeknallt hatte, statt nur – wie üblich – die für den Flug benötigte Menge und alle Reserven aufzunehmen. Ich hatte zwar auch ihn ausgiebig über mein Vorhaben gebrieft und für eine solche Betankung gab es keinen betrieblichen Grund, aber vielleicht hatte er während des Betankungsvorgangs einfach einen kleinen Sekundenschlaf, der Gute. Zwar bin ich kein Pilot und kann mir kaum ein Urteil erlauben – dafür waren dann aber die fachlich qualifizierten Anwesenden fassungslos. Folglich lud der Kapitän zwei Personen aus, mich und einen anderen Kollegen. Die gesamte Freude der Reisegruppe war dahin. Wir beiden Stehengebliebenen waren sogar noch mit zum Flugzeug gefahren, um mit dem wild rechnenden Kapitän zu reden, konnten dann aber nur noch aus nächster Nähe beobachten, wie der Flieger mit unserer Gruppe und einigen leeren Sitzplätzen direkt vor unserer Nase wegrollte und abhob. Es war natürlich seeeeehr knapp, aber doch, das Flugzeug hob ab – aufgrund der fehlenden 120 Kilo an Bord, versteht sich. Wir, die wir nicht abgehoben waren, hatten nun ein Problem. Angetrunken und mit peinlichem Outfit standen wir wieder im Terminal vor dem Check-In Counter. Drei Stunden später startete ein Flugzeug einer anderen Fluggesellschaft nach Rhodos. Weder waren wir angemessen gekleidet, um mit einem Standby-Ticket bei der Konkurrenz mitzufliegen, noch wären unsere Tickets auf den Flug der anderen Airline übertragbar gewesen. Außerdem war deren Maschine im Gegensatz zur bereits abgeflogenen bis auf den letzten Platz ausgebucht. Ich hatte aber nichts zu verlieren. Monatelang hatte ich alles genau vorbereitet. Auch vor Ort auf Rhodos war der geplante Ablauf genau durchgeplant und nun hatte ich quasi schon alles verloren – da erschien jeder Rettungsversuch angemessen. Die freundliche Schichtleiterin schaffte es nach einiger Zeit tatsächlich, dass die Damen am Check-In unsere Tickets auch für die andere Fluggesellschaft akzeptieren würden. Damit hatten wir zwar immer noch keinen Sitzplatz, aber wir konnten zumindest schon einmal ans Gate der Maschine gelangen. Unsere Hoffnung war es, dort der Cockpit-Crew unsere verzweifelte Lage glaubhaft machen zu können und einen Klappsitz, einen so genannten „Jump Seat“, zu ergattern. Auch der andere, freiwillig mit mir zurückgebliebene Reisende war Pilot – und er sah ebenso peinlich aus und war angetrunken. Unvergessen seine Antwort auf die Frage der Dame am Check-In, ob er ihr bitte zur Bestätigung unserer wortreichen Erklärung seinen Pilotenschein zeigen könne: „Das einzige, was ich dabei hab, is ne Badehose. Die kann ich ihnen zeigen, hier isse!“ und hielt sie ihr sogleich direkt unter die gerümpfte Nase. Nachdem seine Freundin ihm die Pilotenlizenz noch faxen konnte, waren wir schließlich legitimiert und begaben uns zum Abflug - Gate. Von dort aus konnten wir tatsächlich kurz mit dem Flugkapitän telefonieren und ihm tränenreich unsere Lage darstellen. Der lachte nur und sagte: „Na gut Jungs, kommt man an Bord und setzt euch auf die Jumps. Mit dem Bier macht ihr aber bitte erst nach der Landung weiter, ja?“. Es hatte uns fast zu Tränen gerührt, dass in der total überregulierten und in Regeln und Verbote verliebten Luftfahrt ein solches Entgegenkommen überhaupt möglich war. Wäre dies eine Kategorie im Guinness Book of Records, dann wären wir dort als die am schlechtesten gekleideten und am unangenehmsten riechenden Reisenden auf Mitarbeiterflugtickets aller Zeiten eingegangen.
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