Meine dritte und letzte Erfahrung mit Chauffeurskurrilitäten und erwähnenswerten Ereignissen trug sich auf der griechischen Mittelmeerinsel Kreta zu. Mein damaliger Chef und ich hatten dort einen Gesprächstermin mit einem deutschen Geschäftsmann. Dieser hatte eine Reihe von Firmen in Griechenland, mit denen wir eine Kooperation anstrebten. Wir arbeiteten stets so kostensparend wie möglich und hatten uns daher die günstigsten Low Cost Tickets für den Flug nach Griechenland gekauft, die wir nur bekommen konnten. Nach unserer Landung änderte sich dieser Ansatz ein wenig. Der Industrielle, mit dem wir uns treffen wollten, schickte uns ebenfalls einen 7er BMW mit einer Innenausstattung, von der man sonst nicht zu träumen wagt – diesmal allerdings zum Glück nicht in goldener, sondern in schwarzer Farbe. Der Chauffeur brachte uns zunächst zur Firmenzentrale mit künstlichem Koi Karpfen Fluss durch die Empfangshalle und dann zum großzügig angelegten Ferienhaus unseres Geschäftspartners. Wir checkten ein und trafen uns abends zum ersten Mal mit ihm zum Essen. Die aus meiner Sicht amüsante Diskrepanz zwischen unserer Low-Cost-Sichtweise und dem Kulturclash mit Chauffeur und Limousine setzte sich im Laufe des Abends in ähnlicher Art und Weise fort. Nie werde ich vergessen, wie mein Chef mit fast feierlicher Stimme ausführte, dass unsere kleine Firma jüngst ein paar Dauerkarten für den Fußballclub unserer Stadt erworben habe und dass wir ihn, unseren Geschäftspartner, doch gern bei nächster Gelegenheit mal einladen würden, mit uns eines der Spiele anzugucken. Irgendwie hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass wir aufgrund der offensichtlichen philosophischen Gegensätze aus Sicht des Industriellen vermutlich zwangsläufig popelig mit unserem Vorschlag erscheinen müssten und genau so bestätigte die Antwort dieses Herrn es dann leider auch: „Oh ja, das ist ein guter Club. Ich habe seit vielen Jahren die größte verfügbare VIP-Loge im Stadion privat gemietet. Wissen Sie, wenn man das über die Firma abwickelt, ist mir das einfach zuviel Papierkram. Vielleicht mögen Sie einfach mal bei uns vorbeischauen? Im VIP Bereich geht es auch einfach entspannter zu.“ Mein damaliger Chef hatte sichtlich Mühe, nicht vor Scham im Boden zu versinken und ich unternahm große Anstrengungen, mir so stark auf die Zunge zu beißen, dass ich ein unangebrachtes Grinsen vermeiden konnte. Wer nun denkt, die Limosine mit Chauffeur von der Anreise wäre schon das Highlight gewesen, der täuscht sich. Für den Rückflug hatten wir wieder die günstigsten Tickets der Welt für den geringsten Preis auf Erden gebucht. So fügte es sich trefflich, dass unser Partner überrascht feststellte, dass er und wir ja am selben Tag nach Deutschland zurückreisen wollten. „Dann lassen Sie doch einfach Ihre Tickets sausen und kommen Sie mit mir mit! Ich habe meinen Privatjet hier auf der Insel und nehme Sie gerne darin mit nach Hause, wenn wir eh alle zurück nach Deutschland wollen.“ Whow! Einmal im Leben im Privatjet richtig einen auf „dicke Hose“ machen – der Moment schien gekommen. Selbstverständlich willigten wir ein und frei nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ hatten wir eine phantastische Rückreise. Zunächst fuhren wir zum privaten Flugzeughangar, den unser Partner sich auf der Insel hatte errichten lassen. Das finde ich sehr konsequent. Ihr Auto parken Sie ja auch nicht in der Garage Ihres Nachbarn, sondern in der eigenen. Dort hüpfte er kurz auf den Flugzeugschlepper und schob seinen funkelnd neuen Privatjet eben schnell selbst aus dem Hangar aufs Flugfeld. Auch um den Rückflug kümmerte er sich persönlich: Zwar hatte unser Partner stets eine komplette Cockpitcrew, bestehend aus einem Kapitän und einem Kopiloten, in seiner Nähe im Hotel untergebracht, doch da er selbst einen Pilotenschein hatte, durfte einer der uniformierten Piloten zum Start und zur Landung jeweils hinten in der Flugzeugkabine Platz nehmen; mit hochgekrempelten Ärmeln setzte sich unser Partner schnell selbst auf den Kapitänssitz und übernahm das Ruder. Was für ein frustrierender Job muss es für einen Berufspiloten sein, eine Woche lang in einem Hotel fern der Heimat auf seinen einzigen Diensteinsatz pro Woche zu warten, den er sich dann nur von einem Passagiersitz aus angucken darf...?! Aber egal, unsere Sorge war das in diesem Moment nicht. Wir genossen einfach nur aus vollen Zügen den Flug und kamen uns einmal so richtig wichtig vor. Viel, viel wichtiger natürlich, als wir es je waren. Auch aus dieser Kooperationsidee wurde übrigens nichts. Sie müssen mich für einen ziemlichen Loser halten, der ständig wie Graf Koks zu Kooperationsgesprächen reist, die dann aber alle erfolglos verlaufen. Damit haben Sie aber nur teilweise Recht. Per Faustregel sagt man, dass aus zehn Geschäftsanbahnungen nur eine etwas wird. Das heißt, dass ich noch recht gut im Rennen bin. Die ab jetzt gezählte siebente Fahrt mit einem Chauffeur müsste dann mein Durchbruch sein, also Contenance. Nach meinem Flug im Privatjet bin ich aber erstmal mit dem öffentlichen Bus nach Hause gefahren, ein Taxi war mir zu teuer...
Fotos zur Geschichte:
http://www.facebook.com/media/set/?set=a.107295406093892.13049.100004402989835&type=3&l=d514e11231

Das Problem mit dem Nachhauseweg
Flugausfälle als höhere Gewalt einfach hinzunehmen, habe ich weitestgehend gelernt und ich ertrage mein Schicksal zumeist mit Fassung. Insbesondere wenn technische Ausfälle oder Naturkatastrophen ursächlich sind und man weder mit Sachlichkeit noch mit cholerischen Anfällen eine Änderung der Situation herbeiführen kann, bleibe ich lieber gelassen und ertrage mein Schicksal. Gerade wenn nach getaner Arbeit der Rückflug zu einem ohnehin schon viel zu kurzen Heimataufenthalt nicht pünktlich stattfinden kann, benötigt man eine gehörige Portion Selbstbeherrschung, um wenigstens äußerlich ruhig zu bleiben. Auch das Pech, welches nur mich traurig am Flughafen zurückbleiben lässt, während alle anderen Gäste an Bord des Flugzeugs glücklich abheben, knabbert zuweilen an meinem Nervenkostüm. Aufgrund negativer Erfahrungen gehe ich beispielsweise schon immer in Deckung, wenn am Gate oder im Flugzeug Passagiernamen ausgerufen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass im nächsten Moment mein eigener Name zu hören ist, liegt bei gefühlten 50 Prozent. So kam es beispielsweise vor, dass ich an Bord einer abflugbereiten Maschine nach Hause mit 180 Menschen an Bord schon in entspannter Vorfreude eingeschlafen war, als plötzlich laut über die Lautsprecheranlage des Flugzeugs die Aufforderung ertönte, dass ich mich zu erkennen geben soll. Haben die denn nicht meinen Sitzplatz in ihrem Computersystem? Na egal. Unschuldig und regelgetreu meldete ich mich und wurde zum Dank aus dem Flugzeug geworfen. Der Grund war, dass das Check-In System meinen Sitzplatz doppelt vergeben hatte und man es offenbar für wichtiger befand, den anderen Timesharing-Besitzer meines Sitzplatzes zum Ziel zu fliegen. Die Menschheit fliegt zum Mond, baut Fusionsreaktoren und führt Drohnenkriege, aber ein Check-In System an einem der größten Flughäfen der Welt kann einfach mal „aus Versehen“ einen Sitzplatz doppelt vergeben? Oh Mann, na gut, bin ich halt ausgestiegen. Das Tollste daran war, dass ich in der letzten Sitzreihe gesessen und geschlafen hatte und dass ich nun noch an 180 glücklichen abflugbereiten Fluggästen vorbei spazieren durfte. Der wahre Grund, weshalb ich derjenige war, der das Flugzeug verlassen musste, war übrigens, dass ich im Gegensatz zu dem anderen Gast nur mit Handgepäck gereist war. Es hätte viel zu lange gedauert, das aufgegebene Gepäck des anderen Gastes wieder aus dem Frachtraum des Flugzeugs zu puhlen. Statt eine Verspätung des gesamten Fluges zu riskieren, hat man lieber mich über Bord geworfen. Seit diesem Tag fliege ich ausschließlich mit aufgegebenem Gepäck, bevorzugt mit leeren kleinen Reisetaschen. Die Damen und Herren am Check-In sind dann immer ganz belustigt, wenn die Gepäckwaage ein Gewicht anzeigt, dass man auf dem innerdeutschen Postwege mit einer 55 Cent Briefmarke verschicken könnte. Einige Monate später fand ich mich in exakt derselben Situation wieder. Ich saß diesmal in der vorletzten Reihe auf dem Nachhauseflug, die Maschine war voll und abflugbereit und... mein Name wurde ausgerufen. Ich möge mich bitte zu erkennen geben. „Nö“, habe ich mir gedacht. Das letzte Mal war ich so nett, ehrlich zu antworten und wurde deshalb von Bord geworfen, diesmal mache ich es anders. Und weil mir nichts Besseres einfiel, stellte ich mich gleich schlafend. Sogar mit offenem Mund, was mir besonders eindrucksvoll erschien (nur auf den eigentlich obligatorischen Sabberfaden zwischen Mundwinkel und Hemdkragen hatte ich aus Hygienegründen verzichtet). Aber nach fünf Minuten hatten sie mich dann doch gefunden und die Flugbegleiterin „weckte“ mich mit sanften Schlägen auf die Schulter. Diesmal war die Sachlage aber anders, die Dame sagte nur: „Sie haben Ihre Bordkarte liegen lassen, hier ist sie“ – und reichte mir eine. Ich zog meine Bordkarte aus der Tasche und sagte: „Hab ich nicht, hier ist meine.“ Ein kurzer Abgleich der Aufdrucke führte zu der Erkenntnis, dass beide identisch waren, was sowohl bei der Flugbegleiterin als auch bei mir ein ratloses Stirnrunzeln verursachte. Wie auch immer. Den Schock des erneuten Ausrufens meines Namens hatte ich zwar erst eine Woche später überwunden, aber wenigstens durfte ich diesmal an Bord bleiben.
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