Ihr Vater war furchtbar traurig, damals. Noch auf dem Heimweg konnte sie die Spuren seiner Tränen sehen, wenn sie von der Seite auf sein Gesicht schaute. Er war so verzweifelt am Grab gewesen, dass sie fast fürchtete, er fiele gleich mit hinein, in die grün ausgeschlagene Grube.
Später, im Wohnzimmer, hatte ihr Vater noch lange nur so da gesessen, einfach vor sich hin gestiert. Kaum geredet. Und dann hatte er sich plötzlich drei Flaschen Bier geholt. Aus dem Kühlschrank.
Sie sah diesen Film immer in der gleichen Reihenfolge, immer wieder so, als ob alles gerade erst passierte. Und immer hatte sie diesen Kloß im Hals und das Ziehen in der Magengegend. Am Ende würde sie sich übergeben müssen oder mit der Rasierklinge ihre Arme ritzen. Sonst würde die Übelkeit bleiben.
Vater trank keinen Alkohol, weil er ihm nicht schmeckte, und aus Prinzip nicht. Er wollte nüchtern bleiben, sein Gehirn nicht lahm legen, seine Handlungen kontrollieren. Bier gab es nur für Gäste. Und nun standen diese drei Flaschen Bier auf dem Tisch. Er trank sie langsam, eine nach der anderen, und weinte dabei.
Als sie an jenem Abend gegen 20:00 Uhr im Bett lag, dachte sie noch lange über die schrecklichen Ereignisse nach. Mitten in der Nacht wachte sie auf. Ihr Vater legte sich langsam neben sie und deckte sich mit ihrer Decke zu. Er roch nach Bier.
„ Ich bin so traurig, Jana, so traurig. Mama kommt nie wieder zu uns. Was soll ich bloß machen? Was sollen wir bloß machen?“ Er rückte näher an sie heran. Sie roch das Bier. Ganz intensiv. Und sie spürte seine Traurigkeit. Vorsichtig streichelte sie ihm über das nass geweinte Gesicht und flüsterte: „Du bist nicht alleine. Ich bin doch bei dir, Papa.“
Bei diesen Worten zog er sie näher an sich heran, presste sie richtig fest an seinen von Schmerz geschüttelten Leib. Ihr wurde allmählich etwas mulmig zumute und sie versuchte, ihn ein wenig weiter wegzuschieben. Aber er rückte immer dichter an sie heran, fuhr über ihren Oberkörper, wischte ihr Shirt über die Schultern und schnaufte plötzlich ganz fremd. Ihr wurde richtig angst und bange.
Was ihr Vater wohl hatte? Ob er krank war? War diese Leukämie vielleicht ansteckend? Dann plötzlich durchfuhr sie ein heftiger Schmerz. Irgendetwas fuhr in ihren Unterleib und ihr Vater zuckte rhythmisch auf ihrem schmalen Körper. Nach wenigen Minuten schnaufte er noch einmal wie der alte Hund ihrer Freundin bei großer Anstrengung, und dann rutschte er von ihr runter und nahm das Ding unten mit aus ihrem Leib.
Kurz darauf war er eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wachte sie auf und schaute auf ihren Vater. Er öffnete verschlafen seine Augen.
„ Papa, was hast du gestern mit mir gemacht? Du hast mir weh getan, und so geschnauft.“ Ihr Vater schaute ziemlich erschreckt und antwortete eindringlich: „Wir zwei sind jetzt ganz alleine auf dieser Welt. Wir gehören zusammen. Wir sind eins. Du darfst es aber NIEMANDEM erzählen, was heute Nacht geschehen ist, sonst trennen sie uns und du bist dann ganz alleine. Aber mit diesem Ritual zeige ich dir, wie lieb ich dich habe. Du wirst es lernen zu mögen. Denke immer daran, wir haben nur noch uns. Wir sind EINS und müssen das auch spüren.“
Diese letzten Sätze waren es gewesen, die sie damals überzeugt hatten. Damals. Damals, als sie gerade neun geworden war. Sie hatte nie etwas erzählt, keinem. Bis jetzt nicht. Aber sie hatte gelernt, ihren Vater zu hassen und zu verachten.
Inzwischen wusste sie genau, was er tat und warum. Sie hasste ihn dafür täglich mehr, und manches Mal wünschte sie sich, einfach seinen Penis abzuschneiden, ihn ihm in den Mund zu stopfen. Oder ihn anzuzünden. Einfach so.
Dennoch hatte sie durchgehalten. Bis jetzt. Sie hatte ihr Abitur gemacht und wollte eigentlich Lehrerin werden. Aber wegen ihres Vaters war sie zur Polizei gegangen, war Kommissarin geworden. Sie wollte solche Schweine wie ihren Vater nicht mit so etwas durchkommen lassen. NEIN. Sie wollte alle überführen. ALLE. Das war ihre Rache.
A: Im Prologist Jana ein Kind, im weiteren Roman eine junge Polizistin, die eine sexuelle Kindesmisshandlung aufdecken soll.
Hier wird ein Thema angesprochen, dass sich unterschwellig durch den ganzen Roman zieht. Die Spannung wird langsam aufgebaut, da die Charaktere sich erst entwickeln müssen. Im Prolog wird Neugier geweckt und Spannung erzeugt, die im Roman erst langsam wächst.
B: Das Hineinspringen in den Text
Sie hielt den Atem an und versuchte, sich im Schrank ganz unsichtbar zu machen. Ihr Herz schlug so heftig in ihrer kleinen Brust, dass sie fürchtete, ER möge es hören.
Langsam, ganz langsam kamen die Schritte näher. Schützend hielt sie ihre kleinen Händchen vor ihre Augen. Aber ihre Ohren vernahmen jedes noch so leise Geräusch.
Ein Knarren sagte ihr, dass er sie gefunden hatte. Die Türe öffnete sich und sie blickte in das Gesicht eines Mannes mit einer Clownsmaske. In der Hand hielt er ein Messer.
Noch während sich ihre Augen vor Furcht weiteten, spürte sie einen schneidenden Schmerz in der Brust, der langsam in ein Brennen überging. Schützend hielt sie ihre Hände über die blutende Wunde. Sie hörte ein gellendes Lachen, ehe ihre Sinne langsam schwanden und der Schüttelfrost einsetzte.
NUN folgt, wie es dazu kam . In der Kindheit, im Urlaub,.... auf jeden Fall ein Text, der VORdieser Handlung liegt und dann im Buch weiter geführt wird, bis es zur Lösung kommt.
C: Eine andere Möglichkeit ist der Auslöser für die Handlung, zum Beispiel ein Mord bei einem Krimi.
Vor ihr lag die Leiche einer jungen Frau. Die Haare hatte man ihr abgeschoren und in ihren Mund gestopft. Die Kleidung war mit Buchstaben besprüht.
Hauptkommissarin Wilma Weggenstahl versuchte, sie zu einem Wort zusammenzufügen.
NUTTE stand da. Handelte es sich um einen erneuten Mord an Prostituierten? Wilma schauderte es.
Hier erfährt man sofort, worum es geht, um Mord. Der Leser kennt vielleicht schon den Namen der Polizistin. Vielleicht eine Serie? Dann taucht sie in jedem Krimi wieder auf. Spannung entsteht durch die Leiche. Wer ist sie? Warum wurde sie ermordet? Von wem? Serienmörder? Vom Mord ausgehend wird ermittelt. Zurück, vor die Tat. Wer ist der Mörder? Wie kam es dazu? Welche Spuren geben Aufschluss?
Bei einem solchen Roman steht die Polizeiarbeit im Vordergrund. Aufgedeckt wird der Mord. Aber die Beweggründe des Täters machen die Story erst spannend. Stückchen für Stückchen, wie kleine Häppchen, werden sie dem Leser gereicht.
Schritt 4: Romanfiguren und deren Erzählersprache
Die Romanfiguren müssen so gestaltet sein, dass sie den Leser gefangen nehmen. Sie müssen so sein, wie Menschen in der Realität auch sind: Gut und böse, mit Vorurteilen behaftet, mit Selbstzweifeln, manchmal willenlos, alkoholabhängig oder willensstark. Dick, dünn, sportlich, attraktiv oder hässlich. Aber auch fröhlich, hilfsbereit, humorvoll und liebenswert . Die Kunst besteht darin, diese Eigenschaften zu mischen, jedem Charakter seine guten und bösen Eigenschaften glaubhaft zuzuordnen.
Wenn die Eigenschaften festgelegt worden sind, gilt es, den Charakter Schritt für Schritt weiter zu entwickeln. Jede Handlung löst Reaktionen aus, auch auf das Umfeld. In meinem Roman „Böse im Bett“ entwickelt sich Mia von einem hübschen, lieben und klugen Mädchen hin zu einem rachsüchtigen, bösen Teenager. Dafür verantwortlich ist der Tod zweier Mitschüler, verbunden mit dem sich ändernden Verhalten der Eltern. Ohne diesen Auslöser wäre vielleicht gar nichts passiert. Wichtig also, starke Auslöserzu finden. Ehebruch, Geldgier, Rache oder Betrug sind starke Motive für böse Taten.
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