„Aufstehen du kleine Schlafmütze oder hast du heute schulfrei?“
Biene rieb sich verwundert die verschlafenen Äuglein und blinzelte ihre Mama an:
„Natürlich habe ich Schule! Wir schreiben doch heute eine Mathearbeit.“
„Und hast du geübt?“
„Ja“, log sie und dachte an ihr gestriges Erlebnis. Würde das eigenartige Wesen an der verabredeten Stelle warten? Wenn nicht, könnte es zu einer Katastrophe in Mathe führen!
Zum Frühstück brachte sie kaum einen Bissen hinunter. Hastig trank sie ihren Kakao aus, hängte den Schulranzen über die Schultern und verließ winkend ihr zu Hause.
Als sie sich außer Sichtweite befand, schlug sie schnell den Weg zu der verabredeten Stelle ein. Atemlos erreichte sie die Stelle.
Niemand da!
Sie schaute sich um, blickte zum Himmel, kein Ballon und kein Männchen! Weit und breit nichts zu erspähen! Das Wesen hatte die Verabredung nicht eingehalten.
War doch alles nur ein Traum gewesen?
Als sie sich gerade abwenden wollte vernahm sie wieder dieses Rauschen und Zischen und Sekunden später stand ein Feuerball, aus dem sich das Wesen mit den drei Köpfen herauskristallisierte, vor ihr.
„Entschuldige bitte, aber auf unserem Planeten wird heute der Jahrestag unserer Entstehung gefeiert. Der Besucherstrom hat mich aufgehalten.“
„Ich dachte schon du kommst nicht mehr“, sagte Biene.
„Wenn ich etwas verspreche halte ich es auch!“
„Schön, dann lass uns gehen.“
„So? In meinem Zustand?“
„Nein, ich dachte als Radiergummi.“
„O.K.! Dann nimm mich auf deine Hand.“
„Du bist viel zu schwer für mich.“
„Vertrau mir nur und las mich setzen.“
Biene hielt ihre Hand auf und das Wesen nahm darauf Platz, ohne dass sie etwas von seinem Gewicht bemerkte. Ein Kopfnicken, zischen und ein leichter Windzug und ihr Händchen umklammerten den dreifarbigen Radiergummi.
„Dann wollen wir mal“, sprach dieser.
„Was muss ich denn tun“, fragte Biene?
„Du legst mich auf deine Aufgaben und alles andere überlasse dann mir!“
Fröhlich lachend und abwechselnd auf einem Bein hüpfend erreichte sie die Schule.
Wie erwartet erfolgte gleich in der ersten Stunde die angesagte Klassenarbeit.
Biene legte den Radiergummi auf ihren Tisch und wartete auf die Aufgaben, die ihre Lehrerin verteilte.
Als sie die Aufgaben in ihren kleinen, schmalen Fingern hielt, rutschte das Herzchen in die Hose. Wie sollte sie diese Aufgaben jemals lösen.
Sie sah ihre Nachbarin an, die bereits mit der Lösung beschäftigt schien und legte unauffällig ihren Radiergummi auf die Aufgaben.
Wie von Geisterhand geführt jagte der über die verschiedenen, unterschiedlichen Aufgaben und, ein Geschenk des Himmels, es erschien jeweils ein Lösungsweg mit Endergebnis!
„Hoffentlich verrechnet er sich nicht“, dachte Biene, „dann bin ich aufgeschmissen!“
„Darf ich mal“, fragte ihre Nachbarin und griff nach ihrem Wunderradiergummi?
Bevor sie ihn noch zurückziehen konnte, radierte ihre Freundin schon damit. Was sollte man auch anders mit einem Radiergummi machen?
„Aua! Dein Radiergummi beißt ja“, schrie ihre Freundin auf!
„Spinnst du“, antwortete Biene, „wie kann ein Radiergummi beißen?“
Ihre Nachbarin zeigte ihr den geschwollenen Finger, wo sie deutliche Biss-Spuren erkannte!
„Ruhe“, rief die Lehrerin und Biene nahm ihren Radiergummi wieder an sich. Als sie ihn betrachtete, erkannte sie das Augenzwinkern, drehte ihn herum und küsste unauffällig und flüchtig den Mund bevor sie ihn wieder auf die Aufgaben legte.
Lächelnd beobachtete sie den Gummi, wie er über die restlichen Aufgaben ihrer Mathearbeit tobte und Lösung auf Lösung niederschrieb. Unauffällig, damit niemand etwas bemerkte, folgte ihm Biene mit ihrem Bleistift.
„Fertig“, flüsterte der Radiergummi!“
„Was hast du gesagt“, fragte ihre Nachbarin?
„Fertig!“
„Ruhe“, rief die Lehrerin, kam auf Biene zu, schaute ihr über die Schulter und nickte anerkennend mit dem Kopf.
„Soll ich deine Arbeit schon mitnehmen?“
„Nein, ich wollte noch einmal nachrechnen.“
„Gut“, sagte die Lehrerin, „aber es sieht gut aus! Was hast du da für einen hübschen Radiergummi?“
Dabei griff sie nach dem kleinen „Kobold“ und betrachtete ihn aus der Nähe, bis sie ihn plötzlich unvermittelt fallenließ und erstaunt ihre Hand inspizierte.
„Was ist“, fragte Biene und bückte sich nach dem am Boden liegenden Gummi?
„Ich weiß nicht, aber mir wurde rasend heiß in der Hand!“
Biene erkannte auch diesmal das freche Augenzwinkern und steckte den Radiergummi schnell in die Schultasche bevor er noch mehr Unheil anrichten konnte.
„Hallo“, rief dann plötzlich eine vertraute Stimme und Biene beeilte sich, ihn wieder herauszuholen! Unauffällig hielt sie ihn an ihr Ohr und hörte die flüsternde Stimme:
„Nicht ins Dunkle, da geht mein Zauber zu Ende!“
„Entschuldige“, flüsterte sie zurück.
Nachdem sie ihre Arbeit abgegeben hatte endete ihr heutiger Unterricht und sie trabte fröhlich mit ihrem Radiergummi in der Hand nach Hause.
„Nimmst du mich mit zu deinen Eltern?“
„Als Radiergummi wird Mutter dich sofort in meine Tasche stecken und vorbei ist dein Zauber!“
„Ich könnte mich in einen Hund verwandeln?“
„Meine Eltern mögen keine Hunde, weil bei uns eine Katze lebt.“
„Eine Katze? Prima, das kann ich auch. Wie sieht eure Katze denn aus?“
Biene griff in ihre Manteltasche und brachte ein etwas zerknittertes Foto ans Tageslicht.
Wo eben noch ein dreifarbiger Radiergummi in ihrem kleinen Händchen lag, schnurrte auf einmal eine drollige schwarz weiß gemusterte Katze, die unverkennbar ihrer Mucki ähnelte.
„Wie gefalle ich dir“, fragte die Katze?
„Toll, eine sprechende Katze hatte ich noch nie“, jubilierte Biene und drückte das süße Tier an ihre Brust.
Mutter begrüßte die beiden mit den Worten:
„Wo hast du denn Mucki aufgegriffen. Ich habe sie schon seit Tagen nicht mehr gesehen?“
„Sie saß vor der Haustür und maulte mich an. Vielleicht hat sie Hunger?“
„Aber kein Katzenfutter“, flüsterte die vermeintliche Mucki.
„Du musst noch ein paar Minuten mit dem Essen warten, aber der Braten ist mir verbrannt und ich muss mal sehen, ob ich etwas Schnelles herzaubern kann?“
„Herzaubern ist gut“, flüsterte die Katze und nickte in Richtung Küchenherd.
Mutter beugte sich derweil am Herd nieder und wollte den verbrannten Braten entsorgen.
„Das ist ja eigenartig“, schüttelte sie dann erstaunt das graue Haupt.
„Was ist passiert“, wollte Biene wissen?
Mutter schüttelte noch immer den Kopf. Roch an dem Braten, schaute erneut in die Backröhre, als suche sie etwas Besonderes, und schüttelte wiederum den Kopf:
„Das gibt es doch nicht! Ich glaube ich spinne! Eben stand hier im Rohr ein schwarzer, ungenießbarer Schweinebraten!“
„Ja und“, fragte Biene, „und wo ist der jetzt? Der hier sieht aber nicht verbrannt und äußerst lecker aus!“
„Eben! Das grenzt an Zauberei!“
„Warst du das“, flüsterte Biene der Katze zu?
„Meinst du ich möchte Katzenfutter essen?“
„Was hast du gesagt“, fragte Mutter, die wohl etwas von dem Zwiegespräch mitbekommen hatte?
„Ach nichts Besonderes. Ich habe nur laut gedacht.“
„Dann trenn dich bitte von Mucki und setz dich. Die Katze bekommt später etwas wenn wir fertig sind mit essen.“
Wenn sich Biene unbeobachtet fühlte, reichte sie schnell ein Stück von dem leckeren Braten unter den Tisch.
„Du hast ja schon aufgegessen“, freute sich ihre Mutter?
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