»Ich war sogar heute schon bei der Uni, hab mir kurz angeschaut, was für Pflichtfächer ich belegen muss, und bin gleich wieder abgehauen.«
»Das kannst du nicht machen!«, entrüstete sie sich. »Du musst dahin! So fängt man kein Studium an!«
»Keine Bange, Kleines, ich krieg das schon hin. Ich werde das regeln. Aber auf keinen Fall lasse ich mir von der Uni Düsseldorf meine Anna-Zeit nehmen, nie und nimmer. So lange müssen die eben auf meine Anwesenheit verzichten. Und ich erwarte von dir, dass du das verstehst und mich nicht anmeckerst, hörst du? Das Rumgemeckere hat nämlich Viktoria schon zur Genüge erledigt.«
Zuerst wurde Anna still, verfiel aber rasch in albernes Gelächter. »Weißt du was?«, kicherte sie heiter, als Viktor sie fragend ansah. »Du kannst dich bei meinen sauberen Herren Lehrern Zitt und Bionda hintenanstellen. Die haben nämlich auch große Erwartungen an mich.« Als Viktor immer noch nicht verstand, erzählte sie ihm von der sogenannten Strafarbeit und den Respekterwartungen.
»Die sind ja ganz schön durchgeknallt, was? Aber ich stell mich nicht bei denen hintenan, Anna. Klar soweit?«
Seine Lippen deuteten ein Schmunzeln an. »Beim Wecken könnte ich dir gedanklich helfen, wenn du magst. Du bist morgens wirklich zu süß. Es würde mir Spaß machen, dich wachzudenken. Und diese blöde Ausarbeitung gehen wir die Tage zusammen durch. Photosynthese war eines von Isinis’ Spezialgebieten. Sie fand es ungemein faszinierend und wollte von dem Thema gar nicht mehr ablassen.« Er registrierte, wie Anna auf einmal ernst wurde. »Was ist los?«
»Da gibt es noch eine Sache zum Thema Erwartungen. Ich wollte es dir nicht per Gedanken sagen. Das war mir einfach zu wichtig. Silvi erwartet nämlich ein Baby.«
Viktor schluckte. »Wow!«
»Ja. Wow trifft es ganz gut.«
»Wie geht es ihr und Jens?«
»Mit Silvi hab ich noch nicht gesprochen. Und Jens ist total durch den Wind. Sie wollen das Baby, sind aber noch zu überrascht, um sich so richtig drauf einzulassen und zu freuen.«
»Hm, wissen deine Eltern es schon?«
»Nein, Jens will es ihnen erst nach dem Urlaub sagen. Und das finde ich auch gut so.«
»Ja, das scheint mir das Richtige zu sein.«
»Und? Was hältst du davon?«
Viktor zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht, Anna. Das ist deren Sache, oder?« Er sah zu ihr hinüber und verstand. »Oh, du meinst, wenn uns das passieren würde?« Er dachte nach. »Uns passiert das nicht.« Sofort spürte er, dass seine Antwort nicht die von Anna erwartete war. »Glaubst du allen Ernstes, ich würde dich nicht mehr wollen, wenn du ein Kind von mir kriegen würdest? Oder ich würde dich gar dazu zwingen, es wegmachen zu lassen? Schau mich an, Anna. Glaubst du das?«
»Nein«, antwortete sie schlicht, aber bestimmt. »Und guck um Himmelswillen auf die Straße.«
Viktor freute sich über ihr Vertrauen und grinste breit. »Du wolltest eigentlich auf die Kondome verzichten und jetzt hast du Angst davor, stimmt’s?« Ein Hauch Rosa legte sich auf ihre Wangen. Sie nickte stumm. »Oh, Anna, ich liebe dich so sehr. Hör zu, mir machen die Dinger echt nichts aus. Hauptsache wir können zusammen sein. Ob mit oder ohne, das ist mir egal. Ist das denn so wichtig für dich?«
Sie schüttelte den Kopf und sagte wieder nichts.
»Nur weil es Silvi und Jens passiert ist, muss das uns nicht auch passieren, Anna. Wenn du die Dinger leid bist, dann lassen wir sie ab heute weg.«
Sie runzelte die Stirn. »Ab heute?«
»Na, wer wollte denn so schnell zu mir nach Hause?«
Anna nickte. »Ja, ich«, gab sie kleinlaut zu.
Kopfschüttelnd lächelte er. »Wir können auch was anderes machen, ich …«
»Nein«, fiel sie ihm ins Wort, »das ist eine hervorragende Idee. Ich bin nur etwas durcheinander.« Sie klimperte kokett mit den Wimpern. »Ehrlich gesagt, kann ich es kaum abwarten.«
»Hast du Jens und Lena Bescheid gegeben, dass du weiterhin hier bei mir bleibst?«
»Klar. Jens ist ein bisschen traurig. – Oh, nicht wegen des Babys. Nein, ihm fehlt nur das Ganze hier. Das war halt alles so aufregend damals. Das Gipfeltreffen und so. Er würde gern mal wieder herkommen.«
»Gipfeltreffen?«
Anna kicherte. »Ja, so haben Jens und ich es genannt, als wir uns alle hier bei euch getroffen haben, um uns gegen Kana zusammenzutun: Vitus, seine Wachleute, die ganzen Elfenfürsten, ihr und wir.«
Viktor lachte. »Hübscher Begriff. Den werde ich mir merken. Hm, schade, dass Jens unsere Elfensache vor seiner Silvi geheim halten muss. Aber die beiden können doch jederzeit zu uns nach Hause kommen. Wir wohnen schließlich in der Menschenwelt. Und da Silvi über den ersten Schock hinweg ist, dass mein Schwesterherz der Viola von den Urlaubsfotos so ähnlich sieht, dürfte das Thema Viktoria auch kein Problem mehr sein.«
»Das geht aber nur, wenn Ketu mit dabei ist. Sonst dreht Silvi vielleicht doch wieder durch. Sie ist immer noch tierisch eifersüchtig auf die geheimnisvolle Viola.«
Viktor und Anna lachten verschmitzt.
»Was macht Viktoria eigentlich? Ich hab sie seit Freitag nicht mehr gesehen. Das sind immerhin schon drei Tage.«
»Sie ist bei Ketu.« Er schmunzelte. »Seit er sie seinen Eltern vorgestellt hat, ist sie ziemlich oft dort. Sistra hat mir erzählt, dass er dem Liebesglück so oft wie möglich entflieht und deshalb sogar Extraschichten bei Vitus auf dem Schloss schiebt.«
»Ja, der Ketu, der hat echt lange gebraucht. Wie sagt Mama immer: Was lange währt, wird endlich gut.« Auch Anna schmunzelte. »Ach, apropos Vitus. Wusstest du schon, dass er sein Imperium in Amerika verkauft, um mehr Zeit mit euch zu verbringen? Sorry, die Notlüge ist mir zu Hause einfach so rausgeplatzt, weil mir das Ganze allmählich zu kompliziert wurde. Er ist ja tatsächlich viel mehr mit euch zusammen als früher. Ich hoffe, das geht in Ordnung.«
»Aber sicher doch. Mach dir keinen Kopf.«
»Meine Eltern wollen ihn übrigens kennenlernen. Du und Viktoria sollt ihn demnächst mal mitbringen.«
Sie lagen im Bett, nackt. Anna völlig entspannt auf Viktor. Ihre Haut glühte noch vom vorangegangenen Liebesspiel und er strich ihr zärtlich über den Rücken, während sie sich angeregt über dies und das unterhielten.
»Weißt du was, Anna? Das sagst du Vitus am besten selbst.«
»Oh, kommt er heute? Wann? Nicht, dass es wieder eine dieser peinlichen Situationen gibt. Ich hasse das. Das weißt du ja.«
»Nein, meine Süße, wir werden ihn besuchen.« Er gab Anna einen Klaps auf den Po. »Komm, steh auf. Er hat uns nämlich eingeladen. Die ganze Truppe kommt. Auf dem Schloss findet so etwas Ähnliches wie ein Gipfeltreffen statt.« Zögernd fügte er hinzu: »Vitus hat Geburtstag.«
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