Irgendein Unwetter braute sich da zusammen! Ein glücklicher Exel war das Schlimmste, was ihm in einem entscheidenden Moment wie diesem widerfahren konnte. Er spürte die positiven Schwingungen, die von seinem Gegenspieler ausgingen und wusste, dass er die Ursache für so viel Glück zunächst finden und dann unbedingt auslöschen musste. Aber eigentlich hatte er nicht die notwendige Zeit dafür. Die Menschen beschäftigten ihn ununterbrochen. Ja, er überzeugte sie mit Leichtigkeit von seinen Ideen, aber sie änderten mit der gleichen Leichtigkeit wieder ihre Meinung und zwangen ihn dazu, ununterbrochen erneut einzugreifen, um sie nicht vom Weg des Bösen abweichen zu lassen. Verfluchte Willensfreiheit!!!
Der Satane betrachtete sein Söhnchen, das selig schlief ... selig, da waren wir bereits beim nächsten Problem. Manchmal schien es ihm, in den Augen des Kindes ein Gefühl menschlicher Wärme aufblitzen zu sehen, in Augen, die nichts anderes als eisige Kälte zum Ausdruck bringen sollten.
Es war wirklich nicht immer einfach, ein Teufel zu sein, und manchmal musste man seine gesamte Fantasie walten lassen, um die bösartigste Lösung für eine Situation zu finden. So wie damals, als ihm die Sache mit dem Kauf der Seelen eingefallen war! Allein der Gedanke daran ließ ihn zufrieden lächeln. Die Seele im Tausch gegen Geld und Macht oder die Umsetzung eines sonst unerfüllbaren Wunsches! Sogar vertraglich abgesichert und mit dem eigenen Blut unterzeichnet! Zu Anfang fand er es recht amüsant, in einer Rauchwolke zu erscheinen und mit tiefer, verlockender Stimme seinen Part zu spielen, um dem armen Idioten zu allerletzt den Vertrag vorzulegen, für dessen Unterzeichnung er sich auch noch selbst verletzte. Welch brillante Idee! Aber dann wurde die ganze Sache immer aufwendiger. Ununterbrochen musste er von einem Ort zum anderen eilen, in einer Rauchwolke erscheinen und immer wieder den gleichen Auftritt inszenieren. Er konnte ja nicht ahnen, mit diesem Schwachsinn einen solchen Triumpf zu feiern!

Aber dann folgte sein genialster Streich!
Statt immer persönlich zu erscheinen und den Vertrag von Blindgläubigen unterschreiben zu lassen, hatte er andere damit beauftragt, dies an seiner Stelle zu tun … und zwar die Banken! Einfach genial! Wenn es einen Nobelpreis für Teufel gegeben hätte, hätte er diesen sicher verdient. Der Einfall erfüllte ihn immer wieder mit einem gewissen Stolz! Zugegeben, dieses neue Konzept war nicht so melodramatisch. Das Blut wurde durch Tinte ersetzt, statt mit der Seele wurde mit Geld gehandelt, aber unter dem Strich hatte sich nichts geändert: für Geld und unerfüllte Wünsche waren die Leute gewillt, auch die schlimmsten und unvorstellbarsten Dinge zu tun!
Alles lief exakt nach Plan ... bis der liebe Exel auf der Bildfläche erschienen ist. Ein Problem, das er lösen musste, und zwar bald!
Während der Teufel seinen schwarzen Gedanken nachhing, verzauberten Klara und ihr Partner zwischen tanzenden Schneeflocken das Publikum zum Walzertakt und Exel musste sich beherrschen, nicht auf die Bühne zu eilen und den Platz des zum Prinzen verwandelten Nussknackers einzunehmen. Er fragte sich, wie die Rasse der Menschen etwas erschaffen konnte, an das seine eigene Spezies nicht einmal im Entferntesten gedacht hatte. Sicher war die Entstehung dieses Tanzes einem Zufall zu verdanken, überlegte Exel, während er die einzelnen Tänze des Divertissement verfolgte. Vielleicht war der Spitzentanz des klassischen Balletts dem Gehirn eines geizigen Zwerges entsprungen, der im Mittelalter zum Amüsement des Königs auf den Hof gerufen wurde und die brillante Idee hatte, auf den Fußspitzen zu tanzen, einfach um etwas größer zu wirken. Als er sich bewusst wurde, dass darüber hinaus die Sohlen seiner Schuhe weniger abgenutzt wurden – ein in den damaligen Zeiten sicher wichtiger Aspekt – war die Grundlage für den neuen Tanz geschaffen. Exel schmunzelte über seinen etwas verrückten Gedankengang, aber die amüsante Erklärung gefiel ihm.
Schon begann der Pas de deux und beim Tanz der Zuckerfee blickte Exel fassungslos auf die Bühne und verfiel in eine Art Trance, aus der er erst durch den rauschenden Beifall des Publikums gerissen wurde. Wieder musste er dem Impuls widerstehen, auf die Bühne zu eilen und Lina um einen Tanz zu bitten, einen Tanz, der den irdischen Zuschauern als himmlische Darstellung sicher für immer im Gedächtnis verankert geblieben wäre.
Aber dann zuckte Exel zusammen, als ihn der Blick der Primaballerina traf! Sie sah ihn an, ja, ihn, es gab keinen Zweifel! Sie fixierte ihn ... und zwar ... mit panischem Gesichtsausdruck! Aber warum? Das war doch nicht möglich!
Erneuter Applaus, das Ensemble verbeugte sich mehrere Male, Hand in Hand eine Kette bildend, als Lina nach einem letzten panischen Blick auf Exel die Kette unterbrach und die Bühne fluchtartig verließ. Sowohl das Publikum, welches vor Begeisterung klatschend aufgestanden war, als auch die Mitglieder des Ensembles beobachteten verblüfft das Verschwinden der Hauptdarstellerin, unentschlossen, wie sie den plötzlichen Abgang interpretieren sollten. Aber nach einem kurzen Moment der Befremdung brauste der Beifall umso heftiger auf und die Kette schloss sich erneut, um mit noch tieferen Verbeugungen und Knicksen den Zuschauern für ihre Kundgebungen der Begeisterung zu danken.
Langsam strömte das Publikum durch die verschiedenen Ausgänge aus dem Saal. Exel folgte in Gedanken vertieft Gina und Jeff. Immer wieder kehrte der Blick der Ballerina in sein Gedächtnis zurück und er konnte sich ihre Reaktion beim besten Willen nicht erklären.
Ein Mann trat gegen den Menschenstrom ankämpfend auf Exel zu.
„Frau Zamarova würde sich freuen, Sie in ihrem Ankleideraum empfangen zu dürfen. Wenn Sie mir bitte folgen.“
Exel sah den Mann verblüfft an und wandte sich dann seinen Begleitern zu:
„Entschuldigt bitte, aber ich habe eine unvorhergesehene Verabredung. Geht einfach vor und wartet nicht auf mich!“
Nach diesen Worten drehte er sich um und folgte dem Mann in dichtem Abstand. Gina und Jeff sahen ihm verwundert hinterher, aber dann zuckte die Journalistin mit den Schultern und sagte:
„Nun gut ... oder vielleicht sogar ... besser! So sympathisch Exel sein mag, er sollte nur in kleinen Mengen genossen werden!“
Gina hängte sich bei ihrem Partner ein und setzte augenzwinkernd hinzu: „Auf geht's, großer Mann! Jetzt genehmigen wir uns zunächst eine Pizza und dann ... führe ich dir ein tolles Ballett vor. Niemand knackt Nüsse so gut wie ich, das weißt du doch!“
Im gleichen Moment wurde Exel ins Kämmerchen der Zamarova geführt, vor dessen Tür sich eine Gruppe begeisterter Fans versammelt hatte, in der Hoffnung, von der größten Ballerina aller Zeiten ein Autogramm zu ergattern. Endlich stand Exel der großen Künstlerin gegenüber und nahm sofort die enorme Nervosität der Frau wahr. Sie hielt ein kleines weißes Taschentuch zwischen den zarten Händen, welches sie durch ihr ununterbrochenes Zupfen und Drücken zu peinigen versuchte. Exel betrachtete sie, ohne ein Wort zu sagen. So hatte er sich ihr erstes Treffen wirklich nicht vorgestellt!
„Wer bist du?“ brachte Lina schließlich zögernd hervor.
„Ich bin einer deiner größten Bewunderer“, antwortete Exel mit sanfter Stimme und ging auf die verängstigte Frau zu, die mit gesengtem Kopf vor ihm stand. Lina hob langsam den Kopf und als sie in die sanften Augen des Außerirdischen blickte, wurde sie unversehens ruhiger und sprach die gravierenden Worte, die über ihre Lippen kamen, mit seltsamer Gelassenheit aus.
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