Liebe Leserin, lieber Leser,
Ihr Arzt hat Ihnen mitgeteilt, dass Sie ein künstliches Gelenk benötigen oder Sie leiden unter so starken Beschwerden, dass Sie über ein künstliches Gelenk nachdenken – das ist mit Sorgen und Ängsten verbunden. Ich möchte Sie auf Ihren Entscheidungsweg und das Leben mit einem künstlichen Gelenk vorbereiten und mit allen Informationen versorgen, die Sie auf diesem Weg benötigen. Vor allem möchte ich Ihnen eine Last von der Seele nehmen: Die Operation für ein künstliches Gelenk ist mittlerweile ein Routineeingriff. Und die beste Nachricht: Sie werden sich nach der Operation besser fühlen als jetzt. Denn die Entscheidung für einen künstlichen Gelenkersatz wird nur dann getroffen, wenn mit allen konservativen Maßnahmen keine Verbesserung erzielt werden konnte. Nach der Operation können Sie ein viel mobileres Leben mit weit weniger Beschwerden führen. Die Medizin hat im Bereich der künstlichen Gelenke enorme Fortschritte gemacht, und dieser Eingriff ist einer der erfolgreichsten in der Therapie von massiven Gelenkbeschwerden. Ihre Lebensqualität wird mit diesem Eingriff steigen, dass kann ich Ihnen aus meiner langjährigen Praxiserfahrung versprechen. Aber ohne Sie geht es nicht. Sie sind der wichtigste Baustein der Behandlung, ohne Ihre aktive Mithilfe wird dieser Eingriff nicht den Erfolg bringen, den Sie sich wünschen – das muss Ihnen bewusst sein. Sie können sowohl vor als auch nach der Operation viel tun, um den Eingriff zu einem optimalen Ergebnis zu führen. Ich werde Ihnen in diesem Buch alle Möglichkeiten aufzeigen und erklären – Sie müssen aber mitmachen.
Wenn Sie konsequent in der Rehabilitation mitarbeiten und sich um Ihre Gelenke kümmern, wird Ihnen die Operation die Lebensqualität zurückgeben, die Sie schon längere Zeit vermissen. Außerdem begleitet Sie stets der Arzt Ihres Vertrauens.
Ihr
Dr. Alexander Rümelin
Was Sie über Ihre Gelenke wissen sollten
Sie haben dieses Buch in die Hand genommen, weil Sie wahrscheinlich schon seit langer Zeit Probleme mit Ihren Gelenken haben. Die Überlegungen zu einem operativen Ersatz eines Gelenkes kommen nicht von heute auf morgen, sondern sind in der Regel der letzte Schritt auf einem langen Weg einer krankhaften Veränderung des Gelenks. Sie sind also sicherlich kein Laie mehr in diesen Fragen, doch ich möchte Ihnen noch einmal die Basisinformationen zu diesem Thema zusammenfassen. Dies kann helfen, sollten Sie sich für ein Leben mit einem künstlichen Gelenk entscheiden.
Unsere Gelenke – Wunderwerke der Natur
Unsere Gelenke sind eine faszinierende und komplizierte Konstruktion. Sie verbinden die Knochen miteinander und ermöglichen uns Bewegungsfreiheit und Mobilität. Funktionieren sie reibungslos, denken wir nicht darüber nach. Erst wenn Bewegungen anfangen zu schmerzen, wird uns bewusst, in welch hohem Maß unser Wohlbefinden von der einwandfreien Funktion der Gelenke abhängt - das werden Sie bereits am eigenen Leibe erfahren haben. Ich möchte Ihnen hier den Aufbau und die Funktionsweise unserer Gelenke erläutern, denn dann können Sie die Ursachen Ihrer Beschwerden besser verstehen. Ich werde auch einige Fachbegriffe verwenden. Sie müssen sich diese nicht merken, aber es hilft Ihnen, diese Begriffe schon einmal gehört zu haben, wenn Sie einen Befund verstehen möchten oder wenn Ihr Arzt diese Bezeichnungen verwendet.
Gelenke finden sich in unserem gesamten Körper: Unsere Knie, Hüften, Finger, Zehen, Fuß- und Handgelenke, Schultern und Ellbogen, sie alle sind Gelenke. Über 100 Gelenke besitzt der menschliche Körper, die unsere insgesamt über 200 Knochen miteinander verbinden – sie ermöglichen uns gemeinsam mit der
Muskulatur, den Bändern und Sehnen Bewegung und Mobilität. Gelenke sind die beweglichen Verbindungsstellen zwischen den Knochen.
Gelenke sorgen auf der einen Seite für eine ausreichende Bewegungsfreiheit und auf der anderen Seite für die notwendige Stabilität – ein schwieriger, weil entgegen gesetzter Zusammenschluss. Man unterscheidet unechte und echte Gelenke. Bei unechten Gelenken sind die Knochen über ein Füllmaterial - Bindegewebe, Knorpel oder Knochengewebe - verbunden, das nur wenig Bewegungsfreiheit zulässt. Echte Gelenke sind dagegen durch einen Gelenkspalt gekennzeichnet, der die Knochen voneinander trennt und somit Bewegungen zulässt. Auf die echten Gelenke wollen wir uns nun konzentrieren:
Unsere Gelenke haben einen charakteristischen Aufbau, auch wenn nicht alle Gelenke gleich sind. Sie bestehen aus:
einem Gelenkkopf und einer Gelenkpfanne, die (mehr oder weniger gut) ineinander passen (= Kongruenz). Das Schultergelenk besitzt beispielsweise eine schwache Kongruenz, das Hüftgelenk eine starke.
den Gelenkflächen, die die Oberflächen der verbindenden (= artikulierenden) Gelenkpartner darstellen
einem Gelenkspalt, der die artikulierenden Gelenkflächen trennt
dem glatten, weißen, wenige Millimeter dicken Gelenkknorpel, der die Gelenkflächen überzieht und für eine reibungslose Bewegung und eine Dämpfung sorgt
einer Gelenkkapsel, die das Gelenk umschließt und das Gelenk schützt und ihm Halt gibt
der Gelenkinnenhaut (= Synovia), die die Gelenkschmiere (= Synoviale Flüssigkeit) produziert, die für die Ernährung des Gelenkknorpels und für eine reibungslose Bewegung verantwortlich ist
Schleimbeuteln (Bursae synoviales), die einem besseren Gleiten zwischen Sehnen und Knochengewebe dienen
einer große Zahl von weiteren Strukturen des Bewegungsapparates, die die aktive Bewegung des Gelenkes ermöglichen und die Gelenke schützen und stützen: die Muskulatur, Bänder zur Verstärkung der bindegewebigen Kapsel, zur Führung und Hemmung von Bewegungen; Binnenbänder im Innern des Gelenkes; Zwischenscheiben (= Disci u. Menisci articulares), die wie verschiebbare Gelenkflächen wirken, die als Puffer dienen und inkongruente Gelenkflächen ausgleichen.
Unsere Gelenke unterscheiden sich in ihrer Form, je nachdem, welche Funktion sie haben. Die Natur hat für jedes Körperteil die optimale Gelenkform geschaffen, welche die notwendigen Bewegungen erlaubt, aber Bewegungen, die überflüssig oder sogar schädlich sind, verhindert. Probieren Sie die verschiedenen Bewegungsmöglichkeiten Ihrer Gelenke doch einmal aus. Wir unterscheiden:
Scharniergelenke:z. B. Ellenbogen-, Knie- oder Finger- und Zehengelenke. Scharniergelenke erlauben die Bewegung nur um eine Achse, wie bei einem Scharnier in der Tür. Mit Scharniergelenken können wir Streck- und Beugebewegungen durchführen.
Zapfen- oder Radgelenke:z. B. Kopfgelenk. Zapfen- oder Radgelenke sind eine Sonderform der Scharniergelenke, bei denen sich ein zylinderförmiger Zapfen in einer Art Ring bewegt. Dadurch ist nur eine Rotation in alle Richtungen möglich, was im Beispiel des Kopfgelenkes für die Orientierung sehr wichtig ist.
Flache Gelenke: z. B. Hand- und Fußwurzel. Flache Gelenke erlauben aufgrund ihrer Form eine Bewegung in alle Richtungen.
Eigelenke:z. B. Fingergrundgelenke. Eigelenke sind ellipsenartig aufgebaut mit einer konkaven und einer konvexen Gelenkfläche. Damit sind vier Bewegungsrichtungen in zwei Achsen möglich, nämlich Streckung (= Extension) und Beugung (= Flexion) und Seit- zu Seitbewegungen.
Sattelgelenke:z. B. Daumengelenk. Das Sattelgelenk hat seinen Namen, da es aussieht wie ein Pferdesattel. Es besitzt zwei konkav geformte Gelenkflächen, die wie beim Eigelenk vier Bewegungen in zwei Achsen erlauben; die Vorwärts- und Rückwärtsbewegung und eine Seit- zu Seitbewegung.
Kugelgelenke:z. B. Hüft- oder Schultergelenk. Kugelgelenke erlauben die größtmögliche Bewegungsfreiheit. Ihr Name ergibt sich aus der Form des Gelenkkopfes, der wie eine Kugel aussieht. Dadurch kann er sich in der dafür passenden Pfanne in praktisch alle möglichen Richtungen bewegen: Kugelgelenke können eine Beugung (= Flexion) und Streckung (= Extension), Abspreizung (= Abduktion) und Heranführung (= Adduktion) sowie eine Drehung (= Rotation) durchführen.
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