Horst Neisser - Centratur - zwei Bände in einer Edition

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Der Roman spielt in einer Zeit lange vor Menschengedenken. Realismus und Fantasie verschmelzen in einer faszinierenden Welt voller Abenteuer und Gefahren. Der Große Krieg ist lange vorüber und sein Verursacher, Ormor der Dunkle Herrscher, unschädlich gemacht. Er hatte die Welt in schreckliches Leid und Elend gestürzt. Bis ihm schließlich von dem weisen und mächtigen Zauberer Aramar Einhalt geboten worden war. Doch auf einmal wird der Kontinent Centratur wieder mit Krieg überzogen. Ormor greift wieder nach der Macht. Aber eine Allianz aus Zwergen, Erits und Menschen leistet dem drohenden Unheil erbitterten Widerstand. Zusammen mit Aramar und der Hohepriesterin Qumara aus Rutan stellen sie sich der Übermacht entgegen. Sie alle erleben Abenteuer voller Gefahren, Leid und Mühsal. Sie müssen Schreckliches mit ansehen und sich gegen furchtbare Grausamkeiten zur Wehr setzen. Doch sie erfahren auch Freundschaft und Liebe und erleben Zeiten, in denen es sich zu leben lohnt. Aber als der Sieg schon nahe ist, tritt plötzlich der wirkliche Feind auf. Er ist so mächtig, dass ihm scheinbar nichts in Centratur widerstehen kann. Wird es gelingen, Hispoltai die Hauptstadt von Equan gegen den Ansturm der grausamen Orokòr zu verteidigen? Wird der Turm Loron und mit ihm das magische Kraftfeld des Weißen Rates dem Angriff standhalten? Werden die beiden Erits, Akandra und Marc, ans Ziel ihrer Reise gelangen und ihren gefährlichen Auftrag zu Ende führen können? Kommen die Zeitenwanderer als Retter oder besiegeln sie den Untergang Centraturs? Dieses Buch ist eine Verführung zum Eintauchen in eine längst untergegangene Welt. Centratur wurde bei seinem ersten Erscheinen im List-Verlag als der beste deutsche Fantasyroman bezeichnet und sein Autor als «deutscher Tolkien» gefeiert. Über 1600 TB-Seiten.

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Heute erhob er nicht die Stimme, um zu jammern, sondern sagte aufgebracht: „Was kümmert es uns, dass der König tot ist? Hat er sich denn je um uns gekümmert? Keiner der hohen Herren hat mir meinen Acker gepflügt oder mein Korn gedroschen. Nur Abgaben und Steuern wollen sie haben. Die können mir gestohlen bleiben mit ihrem Schutz, von dem immer die Rede ist.

Der König ist tot, na und? Was Besseres, das sage ich euch, kommt nicht nach. Also lasst mich in Ruhe mit eurem Lamentieren. Wenn man seine Arbeit macht, niemandem etwas wegnimmt und niemandem etwas tut, dann hat man keine Feinde und muss sich nicht fürchten. Dann braucht man auch keinen Schutz und keinen König und keine Herren. Die ziehen einen doch nur in ihre Streitereien mit hinein. Wir müssen den Kopf hinhalten und die Suppe auslöffeln, auch dann noch, wenn die da oben sich längst wieder vertragen."

Bei diesen Worten musste Mog an den König von Whyten denken, den er gut gekannt hatte, und Trauer erfüllte sein Herz. Er stellte seinen Krug mit einem lauten Knall auf den Tisch und sagte langsam: „Ohne den König Meliodas könntest du nicht hier sitzen, Bauer Pflugmann. Du redest so, weil du es nicht besser weißt. Hast du nichts von den Kämpfen gehört, die er gegen Ormor und seine wilden Horden gefochten hat, und die uns allen erst die Freiheit gebracht haben? Möchtest du von Ormor versklavt sein? Das wärst du nämlich, wenn es diesen König nicht gegeben hätte.

Wer hat all die Jahre die Grenzen des Heimlandes in schlimmen wie in guten Zeiten geschützt? Was glaubst du denn, wem du den Frieden verdankst, indem du ein Feld nach dem anderen aufkaufen kannst? Du solltest deine Zunge etwas hüten!"

Da sich der alte Mog selten in die Gespräche einmischte, hatten alle in der Stube aufgehört zu reden und aufmerksam zugehört. Nun war einen Moment lang betretenes und erstauntes Schweigen. Auch der Bauer Pflugmann war kurze Zeit sprachlos. Dann aber nahm er einen tüchtigen Schluck Bier und wandte sich der Kaminecke zu, wo der unerwartete Widersacher saß.

„Ich weiß nicht, was du mit diesem Ormor hast, Mog? Immer erzählst du von ihm und seinem Land Darken, wie machthungrig er gewesen war und was für einen heldenhaften Kampf ihr damals gefochten habt. Aber keiner von uns weiß, ob das alles nicht nur pure Angeberei ist. Ob du dich vielleicht nur selbst zum Helden machst? Von deinem viel beschworenen Krieg haben wir alle hier recht wenig mitbekommen. Sicher, es mag zu Kämpfen gekommen sein, aber ihr Alten übertreibt doch immer. Wer sagt uns denn, dass es diese Orokòr, von denen immer die Rede ist, überhaupt gibt? Ich habe sie noch nicht gesehen und kenne auch keinen, der sie mir wirklich beschreiben könnte. Vielleicht existieren sie nur in Geschichten, die den Kindern Angst machen sollen? Vielleicht bist du nie weiter als nach Weiler gekommen. Vielleicht haben deine Abenteuer nur in deinem Kopf stattgefunden, nachdem du zu viel Bier im ‘Blauen Krug’ getrunken hast?"

Diese Worte waren eine offensichtliche Gemeinheit. Jedermann war bekannt, dass sich Mog im Großen Krieg große Verdienste erworben hatte. Sein Name stand auf der Ehrenliste, in der alle Helden aufgeführt waren. Ja, sein beherztes Eingreifen soll für den Sieg sogar ausschlaggebend gewesen sein. Aber Mog schwieg, und weil Widerspruch ausblieb, kam Bauer Pflugmann immer mehr in Fahrt.

Gehässig fuhr er fort: „Wenn ich das schon höre: Heldentum! Helden sind entweder Dummköpfe oder Wichtigtuer. In der Regel wird das Heldentum von denen da oben nur gepriesen, um uns klein zu halten und uns für ihre Kämpfe gefügig zu machen. Und dann immer dieses Gerede von den Abenteuern. Abenteuer sind Geschichten aus Büchern. Wir geben sie unseren Kindern zum Lesen, solange sie vom wirklichen Leben noch nichts verstehen. Das Abenteuer von uns großen Leuten ist die tägliche Arbeit. Unsere Gefahren sind zu viel Regen für unser Getreide und zu viel Sonne für unsere Rüben.

Ich möchte diesen Kinderkram von Grenzen-Bewachen und Kämpfe-Ausfechten nicht noch abends in meinem Wirtshaus hören. Dort will ich mich nach einem Tag voll harter Arbeit entspannen. Ich muss für mein tägliches Brot ganz schön schwitzen. Nur wenn man keine Sorgen im Alltag hat, kann man sich leisten, von Gefahren und Abenteuern zu träumen und anderen Leuten damit auf die Nerven zu gehen."

Das war starker Tobak, und Mog saß mit bleichem Gesicht auf seiner Bank. Am liebsten wäre er diesem unverschämten Kerl an die Gurgel gesprungen. Aber er beherrschte sich.

„Du redest so, weil du es nicht besser weißt", antwortete er zähneknirschend. „Es würde mich interessieren, ob du den Markgrafen unseres Landes und den Grafen von Waldmar auch so unverschämt anreden würdest? Die können nämlich alles bestätigen, was ich je erzählt habe."

„Das habe ich mir beinahe gedacht, dass du jetzt mit deiner noblen Bekanntschaft auftrumpfst. Aber die Herren sind nicht hier, sondern irgendwo in der Welt. Es steht auch gar nicht fest, ob sie dein Geschwätz auch beglaubigen würden. Ist es nicht seltsam, dass diese hohen Herrschaften so wenig von dir wissen wollen, obgleich du dich ihnen angebiedert und sogar deine Kinder nach ihnen genannt hast? Wann hast du sie denn das letzte Mal gesehen, hä?"

Bei so viel gemeinem Spott blieb Mog nichts übrig als aufzustehen, eine Münze auf den Tisch zu werfen und wortlos zu gehen. Als er die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, hörte er wie in der Wirtsstube auf einmal alle durcheinanderredeten. Verdrossen machte er sich auf den Heimweg.

Bauer Pflugmann hatte einen wunden Punkt in Mogs Leben angesprochen. Dieser war Mogs Beziehung zu seinen ehemaligen Gefährten, Marc und Pet. Zusammen hatten sie große Abenteuer und Gefahren bestanden und waren weit in der Welt herumgekommen. Im Großen Krieg hatten sie das ihre zum Sieg der guten Sache beigetragen. Gemeinsam waren sie schließlich zurückgekehrt. Mog hatte zwei seiner Kinder nach ihnen benannt, und sie waren bereit gewesen, die Gevatternschaft zu übernehmen. Aber, und das wurde Mog nun schmerzlich bewusst, die ehemaligen Weggenossen wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Pflugmann hatte mit seinem Spott recht gehabt, so wie auch in vielem von dem, was er sonst noch gesagt hatte, ein Körnchen Wahrheit lag.

Marrham, den man nur Marc nannte, und Pet von Hagen, die beiden fröhlichen Freunde, mit denen Mog in der Vergangenheit so viele Abenteuer erlebt hatte, waren nicht nur in Whyten und Equan, sondern auch im Heimland angesehene Männer geworden.

Marc, der heutige Graf von Waldmar, über dessen Späße selbst König Meliodas gelacht hatte, war braungebrannt und selbstbewusst aus dem Krieg in die Heimat zurückgekehrt. Seine große Familie wählte ihn, der nun berühmt war, zum neuen Oberhaupt. Von nun an nannte er sich nicht mehr Marc, sondern Marrham. Er wurde ernster und gesetzter. Bald machte er sich daran und baute das alte Schloss, den Stammsitz seiner Familie, weiter aus. Waldmar lag jenseits des großen Flusses und war ein kleines, aber selbstständiges Land. Es war vom Heimland durch den Erfstrom getrennt. Schon vor vielen Generationen hatten Marrhams Vorfahren Teile des Wilden Waldes gerodet. Es mussten mutige und abenteuerliche Leute gewesen sein, die es gewagt hatten, das sichere Heimland zu verlassen.

Marrham war ein Ritter Equans im Großen Krieg geworden, und irgendwann verlieh ihm der ferne König, zu dem Marc weiterhin gute Verbindungen unterhielt, auch den Titel eines Grafen. Waldmar gedieh unter seiner Führung und blühte noch mehr auf, als schon unter seinen Vorfahren. Die Leute in Waldmar waren stolz auf die Entwicklung, die ihr Land genommen hatte. Sie begannen, ‘ihren’ Grafen zu verehren.

Graf Marrham residierte im Schloss und richtete sich in einem Jagdhaus, das er Waldlust nannte, noch einen zweiten Wohnsitz ein. Dorthin zog er sich zurück, wenn er sich von seinen Herrscherpflichten ausruhen wollte. Im fünften Jahr seiner Erhebung zum Grafen hatte Marrham geheiratet. Er nahm die Tochter einer angesehenen Familie aus Nadelholz zur Frau. Sie hieß Rosana, war eine gute Partie, sehr schön und sehr vornehm. Nach zwei Jahren wurde eine Tochter geboren, der sie den Namen Akandra gaben. Sie liebten und hüteten sie sehr.

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