claudia bischofberger
Kasimir
Urteile nicht voreilig über ein Wesen, nur weil es anders ist als Du.
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Inhaltsverzeichnis
Titel claudia bischofberger Kasimir Urteile nicht voreilig über ein Wesen, nur weil es anders ist als Du. Dieses ebook wurde erstellt bei
Die Geschichte von Kasimir, dem Streunerkater und der eingebildeten Stadtratte Charlotte Die Geschichte von Kasimir, dem Streunerkater und der eingebildeten Stadtratte Charlotte Claudia Bischofberger Urteile nicht voreilig über ein Wesen, nur weil es anders ist als Du.
Kapitel 1: Der Abschied
Kapitel 2: Die Heilung
Kapitel 3: Charlotte in Gefahr
Kapitel 4: Der Aufbruch
Kapitel 5: Der Weg durch die Stadt
Kapitel 6: Entlang der großen Straße
Kapitel 7: Gefährliche Überquerung
Kapitel 8: Mama Reineke, Schnuffel und Lene
Kapitel 9: Am großen Wald
Kapitel 10: Der lange Weg in die Heimat
Kapitel 11: Freunde fürs Leben
Impressum neobooks
Die Geschichte von Kasimir, dem Streunerkater und der eingebildeten Stadtratte Charlotte
Claudia Bischofberger
Urteile nicht voreilig über ein Wesen,
nur weil es anders ist als Du.
Kasimir liegt genüsslich in der Wiese auf dem Rücken und kaut auf einem Grashalm herum. Er schaut in den azurblauen Himmel, wo immer wieder Wolken in bizarren Formen vorbei ziehen. Seine beiden Kinder Leopold und Leonie tollen um ihn herum und freuen sich an den auffliegenden Samen der Pusteblumen.
„Schaut mal Kinder!“ ruft Kasimir den beiden zu.“ Diese Wolke da drüben sieht aus wie eine Ratte, findet Ihr nicht?“ „ Ja, stimmt! Hhhmm, lecker!“ meint Leopold. Und er springt hoch in die Luft, so als wolle er die Wolke fangen. „Habe ich Euch noch nicht von meiner Freundin Charlotte erzählt? Die eingebildete Stadtratte?“ „Du hattest eine Ratte als Freundin?“ ruft Leonie erstaunt. „ Warum hast Du sie nicht gefressen?“ „ Nun, wir steckten beide tief in der Klemme und waren in Gefahr, wir halfen uns gegenseitig und lernten uns zu schätzen. Es entstand eine wahre, tiefe Freundschaft.“ „Wo ist Charlotte jetzt? Und erzähl uns die Geschichte, bitte Papa!“ Kasimir schaut wieder zur Wolke auf und sagt: „ Wer weiß, vielleicht ist sie das da oben!“ Aber die Wolke hat inzwischen schon wieder eine ganz andere Form angenommen. „ Oder sie ist irgendwo?“ Kasimir will seinen Kindern nicht das Ende der Geschichte gleich am Anfang erzählen und daher gibt er sich unwissend. Ein paar Meter weiter liegt unter der großen Linde im kühlen Schatten eine alte Katzendame. Es sieht so aus, als schliefe sie, doch sie hört genau zu und Kasimir erzählt:
Wir Streunerkatzen hatten es nicht immer leicht auf den Bauernhöfen. Von überall her drohte uns Gefahr. Die großen Mähwerke, die Traktoren, aber vor allem der Mensch. Obwohl wir die Mäuse fraßen, die dem Bauer wiederum das Getreide wegfraßen, stahl er unseren Katzenmüttern immer wieder die noch hilflosen Babys. Was mit ihnen geschah, wusste niemand, jedenfalls waren sie für immer verschwunden. Manche Mütter suchten immer wieder neue Verstecke, doch vergeblich. Irgendwie schaffte meine Mutter es jedoch ein Versteck für meinen Bruder und mich zu finden, ohne das der Bauer uns fand. Erst als wir vor den Menschen flüchten konnten, ließ uns Mutter hinaus in die Freiheit.
Felix, so hieß mein Bruder, und ich, genossen dieses Leben in vollen Zügen. Mutter zeigte uns alles, was wir für die Jagd, ja was wir fürs Leben wissen mussten. Eines Tages, wir zählten vielleicht drei Monate in dieser Welt, ging ich alleine auf Erkundungstour. Schon lange wollte ich wissen, was wohl hinter diesen Türen ist, wo die Menschen schlafen und essen. Ich hatte Glück, denn es war Sommer und die Türe stand offen. Es war kein Mensch zu sehen und so schlich ich hinein. Aus einem Raum kam ein verlockender Duft, dem ich nicht widerstehen konnte und so ging ich hinein. Leider habe ich das kleine Holzstück nicht gesehen, auf dem ein angespannter Draht befestigt war und ich tappte voll drauf. Die Falle schnappte zu und hielt meine Pfote mit eisernen Armen fest. Plötzlich fiel ein langer dunkler Schatten über mich. Ich konnte mich nicht bewegen, denn der Schmerz lähmte meinen ganzen Körper. „Oje, was ist denn hier passiert!“ Es war die alte Bäuerin und als sie sah, was die Mausefalle angerichtet hat, nahm sie mich im Nacken hoch, setzte mich auf den Tisch und befreite mich erst mal von diesem Ding. Die Pfote sah nicht gut aus und ich war noch immer unfähig mich zu bewegen, obwohl Mama mir immer eingebläut hat, ich solle mich in Acht vor den Menschen nehmen. Die Bäuerin verschwand, aber noch ehe ich mich zur Flucht bewegen konnte, kam sie wieder und steckte mich in eine Schachtel. Vor lauter Panik vergaß ich meine Schmerzen und fing an zu toben, doch sie hatte die Schachtel gut verschnürt, so dass es kein Entrinnen mehr gab. Es war sinnlos und mit der Dunkelheit in der Schachtel überkam mich eine tiefe Müdigkeit. Die Bäuerin hat mit jemand gesprochen, aber ich hörte keine zweite Stimme. Wenn Menschen so ein seltsames Plastikteil in der Hand halten, sprechen sie zwar, aber niemand ist da!? „Papa, das heißt Telefon!“ rief Leonie laut dazwischen, „ das weiß doch jedes Kätzchen!“ „Na gut, dann sprach sie eben mit Telefon!“ Jedenfalls hörte ich einige Zeit später, wie ein Auto vor fuhr und jemand die Tür zu schlug. Eine sanfte Frauenstimme sagte: „ Wo ist das Kätzchen, Mama?“ „Es ist in der Schachtel. Nimm es mit in die Stadt und geh zu einem Tierarzt mit ihm. Pflege es und lass es bei Dir. Es ist nicht gut, wenn Dein Vater ein Kätzchen sieht, das vielleicht nur noch drei Pfoten hat. Die junge Frau war einverstanden und lud mich mit samt der Schachtel in das Auto. Ich schrie: Miau miau, Mama, Felix…! Doch das Auto hielt nicht mehr und ich konnte nicht aufhören zu weinen.
Irgendwann hielt das Auto an und der Motor ging aus. Ich spürte wie der Karton angehoben und getragen wurde. Dann hörte ich eine Männerstimme. Die Tochter der Bäuerin, sie heißt übrigens Luise, holte mich aus der Schachtel. Nein, ich wollte nicht flüchten. Zwar hatte ich Angst wie ein kleines Häschen, aber irgendwie sagte mir mein Instinkt, dass Luise mir nichts Böses wollte. Außerdem waren die Schmerzen so stark- entweder sollte ich sterben oder jemand half mir- mir war beides recht. Ich fand mich auf einem langen und blank geputzten silbernen Tisch wieder, nachdem Luise mich behutsam aus Schachtel nahm. Um mich herum war alles ganz hell, sogar der Mann, ein großer, kräftiger Mensch, hatte einen weißen Kittel an. Er schaute mich an und schmunzelte zunächst. Er sagte: „ Na das ist ja ein süßer kleiner Fellknäuel. Diese hübschen grünen Augen!“ Dann schaute er auf meine Pfote und wurde sehr ernst. „Armer kleiner Kater. Da hat es Dich aber böse erwischt!“ Und zu Luise sagte er: „ Tut mir leid, aber wir müssen den Kleinen in Narkose legen und ihm ein Stück von der Pfote entfernen.“ Mir wurde ganz flau und ich musste an Mama und Felix denken. Würde ich sie jemals wieder sehen? Mama hat immer gesagt, ich sei ein kleiner Kämpfer. Und genau das hatte ich jetzt vor: Ich würde kämpfen um mein Leben. Für Mama und Felix. Und ein klein wenig auch für Luise. Denn ich glaube, sie mochte mich von Anfang an und eigentlich mochte ich auch sie. Nicht so wie Mama und Felix, aber anders. Was dann geschah liegt wie ein Nebel in meinem Gedächtnis.
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