1 ...6 7 8 10 11 12 ...23 Dad begrüßt unterdessen Saundra, welche sich auf dem Bett wieder aufgesetzt hat, nimmt sie liebevoll in den Arm und wiegt sie tröstend hin und her, während sie ihren Kopf auf seine Schulter sinken lässt.
Nur ganz leise höre ich wie sie ihm tränenerstickt zuflüstert.
„Ich liebe ihn so sehr Thomas … so sehr dass es fast weh tut und ich will ihn auf keinen Fall verlieren. Matt darf nicht sterben … das darf einfach alles nicht wahr sein...“ berichtet sie abgehackt und weinerlich, wobei bereits die ersten heißen Tränen ihre Wangen benetzen.
„Aber das wirst du nicht mein Mädchen! Du wirst sehen … Matt ist zäh und er wird das schon irgendwie meistern!
Ich kenne doch meinen Sohn und ich weiß, dass er dich auch sehr liebt und dich niemals allein zurück lassen würde.“ raunt er ihr zu, doch das weitere Gespräch halten beide so leise, dass ich nichts mehr verstehen kann.
Insgeheim finde ich es so schön, dass Dad Saundra ‚mein Mädchen‘ nennt, denn dadurch weiß ich dass er sie akzeptiert und sehr gern hat.
Mum entledigt sich unterdessen ihres Mantels und setzt sich mir sehr aufmerksam gegenüber.
„Was ist denn das für ein Frühstück?“ fragt sie verwundert.
„Das? Ach das ist Madre Tierra. Von dem ich dir doch erzählt hatte, dass Miguel es in Mexiko immer für mich gemacht hat.
Als Saundra hier in der Klinik nach ihrem Unfall in Behandlung war, hat Lázló Miguel das Rezept aus den Rippen geleiert und den Koch hier bestochen damit er es eigens für mich macht.
Scheinbar hat es sich bei den Angestellten hier im Albert Einstein Medical Center schon herum gesprochen, dass wir wieder da sind und es diesmal um mich geht.
Schwester Megan meinte, der Koch hätte es sich nicht nehmen lassen es extra für mich zuzubereiten.
Schließlich waren wir ja nach Saundras Unfall lange genug hier, so dass uns jeder der Angestellten kennt und Lázló hat am Ende das ‚Verwöhnprogramm’ natürlich mit einer großzügigen Spende bedacht.“ erkläre ich ihr freimütig.
„Ach so! Aber eigentlich ist es ja auch schon reichlich spät für ein Frühstück. Hast du heute Morgen nichts bekommen?“ fragt sie und zieht die Augenbrauen dabei nach oben.
„Mum!“ sage ich zurechtweisend.
„Muss ich dir jetzt die Welt erklären oder was? Du weißt doch selbst, dass man für Blutuntersuchungen nüchtern sein sollte und das MRT hat anschließend eineinhalb Stunden gedauert.“
„So lang?“ sagt sie abermals erstaunt.
„Wovon haben die denn das MRT gemacht und wozu?“
„Es war ein Ganzkörper-MRT um Entzündungen, Tumore oder Parasiten auszuschließen.“ erkläre ich weiter.
„Parasiten?“ fragt sie stutzend.
„Ja! Dr. Spector meinte ich könnte mir vielleicht in Mexiko auch Parasiten zugezogen haben, die sich erst jetzt bemerkbar machen.
Aber das ist doch jetzt egal wie wir es drehen und wenden und darüber spekulieren. Das Ergebnis von dem was ich wirklich habe bekommen wir erst morgen und bis dahin müssen wir eben ausharren.“
sage ich etwas genervt und löffle die Auflaufschale doch bis auf den Boden leer.
„Aber wozu dann die Liste mit den möglichen Spendern?“ fragt sie neugierig weiter.
„Mum! Die ist vorerst nur zur Vorsorge. Falls es doch Leukämie ist hat man sie gleich griffbereit und kann sich mit den Leuten in Verbindung setzen.“ antworte ich wieder etwas sanfter.
„Also deine Schwester habe ich schon angerufen und die macht sich gleich heute Abend auf den Weg hierher.“ sagt sie leise.
„Ach Mum!“ sage ich seufzend, schiebe die Auflaufschale von mir und nehme ihre Hände in die meinen.
„Das war vielleicht zu früh, am Ende brauchen wir sie vielleicht gar nicht. Wir sollten wirklich erst abwarten zu welchen Ergebnissen Dr. Spector kommt. Hast du die Liste schon gemacht?“ frage ich und versuche ein kleines Lächeln zustande zu bringen.
„Nein! Wir sind ja sofort hierher gefahren, aber ich habe mir noch einen Block und einen Stift eingesteckt.“ sagt sie aufgeregt, kramt dabei in ihrer geräumigen Handtasche und zieht beides daraus hervor.
Erneut geht die Tür auf und Schwester Megan holt das Tablett mit dem Geschirr wieder ab.
„Na also! Sehen Sie! Ich wusste doch, dass Ihnen das schmeckt.“ sagt sie erfreut und trollt sich wieder ohne eine Antwort abzuwarten.
Mum breitet ihren Block auf dem Tisch aus und fängt an zu schreiben, während sich Dad und Saundra nun ebenfalls zu uns setzen.
„Also als erstes kommen natürlich ich und Thomas in Frage, dann deine Schwester und dein Onkel Robert.
Danach sein Sohn Timothy und dessen Sohn Michael.“
„Aber der ist doch noch viel zu klein.“ werfe ich ein.
„Michael ist doch jetzt gerade einmal fünf Jahre alt.“
„Ja und?“ schaut mich Mum verständnislos an.
„Deswegen kann er doch Stammzellen spenden, wenn seine Eltern einverstanden sind. Das ist doch heutzutage völlig ungefährlich für den Spender. Also weiter jetzt … meine Schwester Louise und ihre Töchter Taylor und Kacey und deren Kinder Keith, Brad und Sara.
Dabei fällt mir auf, dass meine Schwester und der Bruder von deinem Dad längst schon Großeltern sind und wir immer noch warten müssen. Bei deiner Schwester tut sich ja in Richtung Freund, Mann oder ähnlichem überhaupt nichts und…“
Bedrückt sehe ich wie Saundra mich erschrocken mit großen Augen ansieht und unterbreche Mum schnell.
„Mum, bitte! Ich glaube das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt über Kinder und Enkelkinder nachzudenken.“
Mum scheint selbst erschrocken zu sein über ihre eigene Aussage und entschuldigt sich schnell.
„Ja natürlich! Entschuldige! Tut mir leid! Aber das ist mir gerade so aufgefallen. Also wen haben wir dann noch…“ überlegend kaut sie auf dem Ende des Stiftes herum.
„Deine Großeltern sind ja zu unserem Bedauern leider nicht mehr da und mir fällt spontan auch keiner mehr ein. Fällt dir noch jemand ein Thomas?“ stellt sie die Frage an meinen Vater, welcher ebenfalls überlegt.
„Höchstens noch die Geschwister meiner Eltern und ihre Familien, aber ich weiß nicht ob das nicht zu weit geht und ich weiß auch nicht ob mir ihre Namen alle einfallen, denn zu meinen Cousins und Cousinen hatte ich nicht so viel Kontakt.
Ich denke einmal darüber nach und schreibe sie auf wenn sie mir einfallen.“ sagt er und runzelt die Stirn.
„Und was ist mit deiner Seite Laura? Vielleicht die Verwandten in Deutschland?“ wirft Saundra überraschend ein.
„Du weißt davon?“ fragt Mum verblüfft.
„Ich habe ihr von Grandma erzählt als es um das Rezept für den Apfelstrudel ging.“ antworte ich an Saundras Stelle.
„Hmm, mein Dad hatte keine Geschwister und meine Mum wurde ja von ihrer Familie verstoßen und nachdem sie nie ein Gespräch darüber zugelassen hat, müsste ich sogar selbst erst auf dem Totenschein nach ihrem Geburtsnamen sehen.
Aber in Deutschland gibt es sicher viele Familien mit ihrem Namen, das wird schwierig werden.“ sagt sie nachdenkend.
„Machst du das bitte Mum? Vielleicht finden wir ihre Familie ja, wenn wir auch ihren damaligen Wohnort kennen. Möglicherweise denken die jetzigen Nachkommen anders darüber und freuen sich vielleicht sogar über Verwandtschaft aus Amerika.“ sage ich bittend und versuche erneut ein Lächeln hinzubekommen.
„Natürlich, mein Junge!“ sagt Mum sanft und schaut mir dabei liebevoll in die Augen.
„Für dich tue ich alles, das weißt du doch und ich hoffe so sehr, dass meine Zellen gleich passen und wir nicht ewig warten und suchen müssen. Schließlich bin ich deine Mutter.“
Tränen treten nun wieder in ihre Augen und sie starrt wortlos auf den Block mit den Namen unserer wenigen Verwandten.
„Wir werden sehen Mum und wie gesagt, bis jetzt kann es auch noch etwas anderes sein. Schreibst du heute Abend vielleicht trotzdem die Adressen dazu soweit du sie weißt?“ sage ich beruhigend und merke dabei, dass ich irgendwie immer noch neben mir stehe und reagiere wie jemand der gar nicht ich bin, sondern ein Unbeteiligter.
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