Augenblicklich fing dieser an zu husten. »Was.. bei den Göttern, willst du mich vergiften?!«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Das ist der stärkste Met der ganzen Gegend.«
Phelan grinste. »Das ich glaubte gern.« Er fing sich ein strafendes Funkeln von Jeldrik ein.
Sie schenkte ihm kaum mehr als ein flüchtiges Lächeln und rückte näher an Jeldrik heran. »Vielleicht willst du mal sehen, wie wir ihn machen, Jeldrik Roarsfalir?«
Täuschte Phelan sich, oder war da eine deutliche Aufforderung in ihrer Stimme zu hören? Und drückte sie nicht ein wenig ihr Kreuz durch, damit ihr Bauch besser zu sehen war? Phelan hielt die Luft an.
Wie gut Jeldrik sich inzwischen beherrschen konnte, sah man, als er mit gleichgültiger Miene und einem milden Desinteresse in der Stimme antwortete: »Danke, nein. Wir haben hier noch zu tun.« Er schob den Becher zurück.
Mit allem konnte sie umgehen, nur diese zurückhaltende, fast gildaische Höflichkeit, damit hatte sie nicht gerechnet. Ein Saraner hätte ihr Angebot offen angenommen oder aber sie barsch abgewiesen. Sie war merklich irritiert, doch da sie offensichtlich erkannt hatte, dass sie so nicht weiterkam, sah sie auf die Pergamente. »Was macht ihr hier eigentlich?«
Bevor sie sehen konnte, wie Jeldrik entnervt die Augen rollte, sagte Phelan schnell: »Wir machen eine Plan.« Und er traktierte sie mit einer schnellen Folge von Zahlen und Fakten, die sie schon nach wenigen Augenblicken aus dem Kochhaus vertrieb.
»Puh..« Jeldrik wurde rot, und Phelan fiel vor Lachen fast von seinem Sitz. Er hielt sich die Seiten. Jeldrik fand das gar nicht witzig. »Ich fasse es nicht!«, rief er auf Gildaisch.
»Wer die wohl geschickt hat?«, prustete Phelan und wurde sofort ernst, als er den zornigen Ausdruck in Jeldriks Augen sah. »Entschuldige«, murmelte er betreten und schob die Pergamente herum.
»Schon gut.« Auch Jeldrik wandte sich wieder den Pergamenten zu, doch nach einer Weile sagte er: »Ich glaube, es war der Clansführer.«
»Nicht ihre Mutter?«
»Nein. Sie ahnt bestimmt, dass ich noch nicht eingewiesen bin. Nein, ich glaube, es war ihr Vater.« Jeldrik fiel in düsteres Schweigen.
Phelan betrachtete ihn eine Weile forschend. So etwas wie eben war noch nie vorgekommen. Es war bestimmt schmerzhaft für Jeldrik zu erfahren, dass es nur die Stellung seines Vaters war, die das Mädchen zu ihm hatte kommen lassen. Nicht zum ersten Mal war Phelan bewusst, wie sehr Jeldrik sich im letzten Winter verändert hatte. Er sah erheblich älter aus als seine fünfzehneinhalb Jahre, hatte er doch bereits Roars Größe, wenn auch nicht seine Massigkeit erreicht. Er glich vielmehr seiner Schwester, hatte lange, schlanke Glieder, die ihm etwas unverkennbar Schlaksiges verliehen. Das war es wohl auch, was die Frauen sein wahres Alter erraten ließ. Die Männer dagegen ließen sich von seiner Größe und vor allem von seiner tiefen Stimme täuschen, zumal ihm bereits ein dichter blonder Bart wuchs, den er wie alle Saraner nicht schnitt. Phelan strich in einer unbewussten Geste über sein glattes Kinn und seufzte innerlich. Bei ihm war davon noch nichts zu sehen, keine tiefe Stimme, kein Bart, nur größer war er geworden, und sein Körper entwickelte ein Eigenleben.. schnell verdrängte er den Gedanken, bevor er rot wurde. Stattdessen versuchte er, Jeldrik aus seinem düsteren Schweigen zu holen.
»Weißt du, ich kann verstehen, warum mein Bruder versucht hat, seine Identität in der Stadt und der Heerschule zu verbergen.«
Jeldrik seufzte. »Könnte ich das doch auch!« Er ballte seine versehrte Hand zur Faust und zuckte prompt zusammen. Ungewohnt heftig fuhr er fort: »Ich würde fortgehen und..« Sein Gesicht verzog sich zu einer düsteren Grimasse.
»Und was?«, fragte Phelan mit angehaltenem Atem. Würde er sich endlich einmal offen zeigen?
Er tat es nicht. »Nichts!« Schnell verbarg Jeldrik seine Gefühle hinter seiner beherrschten Miene und deutete auf die Pergamente. »Wir müssen etwas übersehen und..« Schon wieder wurden sie unterbrochen.
Bajan kam herein und griff sich ohne zu fragen Phelans Wasserbecher. »Dieses Gebräu ist wahrhaft teuflisch! Sie sind zu keinem vernünftigen Gedanken mehr fähig.« Er ließ sich auf einen Schemel fallen, tat einen tiefen Zug und sah die Jungen forschend an. »Euer Besuch ist ja nicht lange geblieben. Ich hoffe, ihr wart nicht allzu unhöflich!«
»Keine Sorge«, antwortete Phelan an Jeldriks statt, dessen Miene sich schon wieder verdüsterte. »Ich habe versucht, ihr zu erklären, was wir hier machen. Das hat sie vertrieben.«
Bajan nickte verstehend. »Gut so. Sie wollte nicht herkommen, aber ihr Vater hat sie dazu gezwungen. Offensichtlich gibt es wohl ein Problem mit dem Vater ihres Kindes.«
»Oh, können wir nicht davon aufhören?«, rief Jeldrik und sprang auf. »Fürst, wir kommen nicht weiter. Vielleicht wisst Ihr noch einen Rat.«
Bajan rieb sich über das müde Gesicht. »Heute nicht mehr, mein Junge, hab Nachsicht mit mir. Ich denke, ich werde jetzt schlafen gehen, und ich rate euch, das auch zu tun. Morgen müssen wir an einer sehr gefährlichen Stelle vorbeireiten, da brauchen wir alle unsere volle Aufmerksamkeit.«
Jeldrik presste die Lippen zusammen und verließ sie ohne ein weiteres Wort. Phelan seufzte: »Warum nur sind sie so dumm und versuchen etwas so Offensichtliches? Es..«
Er wurde von Bajan unterbrochen: »Phelan, du warst noch nicht alt genug, als du aus Gilda fortgehen musstest, aber lass dir versichern, du und dein Bruder, ihr wäret in dieselbe Lage gekommen, wenn auch auf gildaische Weise. Oder hast du bei seiner Geburtstagsfeier etwa nicht bemerkt, dass..«
»Natürlich, aber die Mädchen empfanden keine Abscheu vor ihm.«
Jeldrik suchte schnell das Weite, doch Phelans Worte hallten in ihm nach wie jene schmerzhaften Stiche, die ihm seine verletzte Hand immer noch bescherte. Wütend warf er sich auf sein Lager. Es traf ihn. Noch nie hatte er sich über sein Aussehen Gedanken gemacht, denn galten nicht Narben in seinem Volk als Zeichen der Ehre? Hatte Phelan recht? Oder war es vielmehr seine sorgsam aufrecht erhaltene Unnahbarkeit, welche die Mädchen zurückweichen ließ? Offensichtlich hatte er sich in eine Falle manövriert, als er nur höflich hatte sein wollen, so wie Bajan, dem das eine Menge Türen öffnete. Sie jedoch hatte das als Aufforderung verstanden zu bleiben. Er presste die Lippen zusammen. Dies würde ihm bestimmt nicht ein zweites Mal passieren!
Jeldrik fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Immer wieder ging er das Erlebte durch und kam nur auf eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken. Als sie sich am folgenden Morgen zum Aufbruch fertigmachten, war seine Laune entsprechend. Die Clansführertochter wagte einen neuen Versuch, sich ihm anzunähern, und diesmal fing sie sich eine derart eiskalte Abfuhr ein, dass Phelan ihn sprachlos anstarrte und Bajan tadelnd den Kopf schüttelte. Sie jedoch fauchte nur etwas Wütendes in seine Richtung und ließ ihn stehen, und ihre Eltern verabschiedeten sich sogar in aller Hochachtung von ihm. Er hatte in wahrhaft saranischer Manier seine Entscheidung kundgetan. Es wurde von allen Seiten akzeptiert, und damit hatte es sich erledigt. Warum nur hatte er dann so ein schlechtes Gewissen? War es das knappe Jahr mit Bajans Unterricht, das ihn plötzlich anderes denken ließ?
Den ganzen Vormittag ritt Jeldrik in brütendem Schweigen dahin, selbst Bajan drang nicht zu ihm durch und ließ ihn schließlich in Ruhe. Er schloss sich den beiden Männern an, sodass die Jungen allein am Schluss der Gruppe ritten.
Jeldrik wurde von einem merkwürdigen Geräusch aus seinen Gedanken geholt. Er wandte den Kopf. Etwas strich an seinem Ohr vorbei. Noch bevor er das Sirren bewusst wahrgenommen hatte, fiel der vor ihm reitende Mann getroffen zu Boden.
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