In Mesopotamien bekam nun die Organisation des Zusammenlebens mit den notwendigen Gemeinschaftsleistungen eine überragende Bedeutung und große Repräsentationsbauten deuten auch auf eine zunehmende Hierarchisierung hin. Uruk konnte am Ende der Gunstphase mit zwei ausgedehnten Tempelbezirken, Palästen und anderen Monumentalbauten aufwarten und es war von einem Netz von Kanälen durchzogen. Einzelne Gebäude wiesen fast 300 Quadratmeter Fläche auf, dicke Mauern, mehrere Eingänge und eine vielfältige Dekoration. Der Tempelbezirk Eanna der Göttin Ischtar maß 300 mal 300 Meter!
In Uruk wurden in der relativ kurzen klimatischen Gunstzeit von wenigen Jahrhunderten auch die Grundlagen der bis heute gültigen abendländischen Zivilisation vollendet. Die Schrift reifte zu einem vollständig brauchbaren Mittel der Dokumentation und Information heran. Seit langer Zeit gab es im Orient schon Hilfsmittel für Handel und Registratur, Siegel und Zählzeichen aus hart gebranntem Ton, die in Tonhüllen eingeschlossen wurden. Stempelsiegel, deren Stirnseite in Ton eingedrückt wurde, hatten als Ursprungs-, Qualitäts- und Eigentumskennzeichnung und aus Ton hart gebrannte Zählzeichen als Merkhilfe und für die Dokumentation von Art und Menge gedient. Das Stempelsiegel, bei dem die Stirnseite graviert ist, war schon über Jahrtausende hinweg in einem großen Raum des Orients in Verwendung. Schon in Catal Hüyök hatte man es angetroffen. Da es in Ton eingedrückt wurde, war auch das spätere „Schreibmaterial“ Ton bekannt. Bei der nun auftretenden Weiterentwicklung, dem Rollsiegel, wurde der gesamte zylindrische Umfang graviert, sodass beim Abrollen in Ton viel umfangreichere Informationen wiedergegeben werden konnten. Sie geben uns ein reiches Bild des damaligen Lebens. Auch das Rollsiegel war keine wirkliche Weltneuheit: es tauchte auch in Susa am Ostrand der mesopotamischen Ebene eigenständig auf und es war auch schon bei der Alteuropäischen Donauzivilisatin bekannt – wenn auch in einfacherer Form.
Auf dieser schon über lange Zeit sich entwickelnden Basis entstand nun eine ausgereifte Schrift, die Keilschrift auf Tontafeln, welche eine bleibende Schriftlichkeit auf der Erde eingeleitet hat. Die Schrift der Alteuropäischen Donauzivilisation war ja leider wieder in Vergessenheit geraten! Einige Zählzeichen wurden unmittelbar als Schriftzeichen verwendet, die man mittels eines schräg angeschnittenen Binsenrohrs in Tontäfelchen drückte. Die berühmte mesopotamische Keilschrift war nun erfunden! Mit der Schreibkunst entsprach man also den wachsenden Erfordernissen der mit der Vergrößerung der Städte und ihrer Bevölkerung zunehmenden Lagerhaltung und Registratur und dem florierenden Handel. Später wurde die Schrift dann auch für andere Zwecke wie Urkunden, Geschichtsschreibung, Literatur und Lyrik eingesetzt. Auf dieser Basis bildete sich dann eine differenzierte Gesellschaft heraus mit den unterschiedlichsten Berufen, wie Hirten, Bauern, Deichwärtern, Handwerkern, Schreibern, Lehrern, Ärzten, Beamten, Priestern, Künstlern und Wissenschaftlern.
Aus der Zeit mit sehr hoher Feuchtigkeit, wie sie Indikatoren vom Van-See und aus der Soreq-Höhle in Palästina zeigen, ist auch eine große Überflutung am Euphrat dokumentiert. Wenn man sich die großen Spitzen der Feuchtigkeit aus Abb. 15 anschaut überrascht eine solche Flut nicht! Der berühmte Ausgräber Sir Leonard Wooley fand in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts unter Schichten des königlichen Friedhofs in Ur eine 3 bis 4 Meter mächtige Schwemmschicht ohne Kulturspuren, welche Relikte der älteren Obed-Kultur überdeckte. Der Fund ging wie ein Lauffeuer um die Welt, denn man glaubte, nun den Beweis für die biblische Sintflut gefunden zu haben. Andere Forscher wiesen aber bald auf die räumliche Begrenztheit der Schicht hin und ordneten sie einer lokalen Überflutung zu. Später fand man ähnliche Schichten aus etwas späteren Zeiten – 2700 bis 2400 v.Chr. – und auch in anderen Städten. Solche lokalen Überschwemmungen, die bis zum Bau von Stauseen an den Flüssen in der Neuzeit anhielten, dürften wohl kaum zu Sintflutberichten geführt haben. Zum Vergleich sei angeführt, dass im Jahre 1342 n.Chr., nach Beendigung der mittelalterlichen Warmzeit, in einer Riesenflut – der sog. Magdalenenflut – sogar 8 Meter mächtige Schichten in Main und Rhein eingeschwemmt wurden und dabei die wirtschaftliche Infrastruktur der Gegend für Generationen zerstört wurde, ohne dass von diesem Ereignis eine Art Sintflutmythos ausgegangen wäre.
Die Hochkultur der Sumerer ist sehr plötzlich aufgeblüht. Ehe man Kenntnis von den damaligen großen klimatischen Veränderungen hatte hat dies zu der Vermutung geführt, neue Kulturbringer (Sumerer) seien damals zugezogen und zu ihrer Herkunft und ihrer Sprache wurden im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Überlegungen angestellt, ohne eine schlüssige Erklärung zu finden. Das außerordentlich große Klimaoptimum dieser Zeit gibt wohl eine glaubhafte Antwort: die Ursache war ein schnelles inneres Wachstum in einer klimatisch ungemein günstigen Zeit einer Bevölkerung aus zwei Zweigen, deren Ahnen vor Jahrtausenden durch Fluten aus dem Persischen Golf vertrieben worden waren. Ein Zweig (Ubaid bzw. Obed) war in der Tiefebene verblieben, der andere hatte einen langen Umweg über die persische Hochebene gemacht, ehe ihn eine lange Austrocknung zum Zug in die feuchtere Tiefebene gezwungen hat. Lit. 15.1
Städtische Zentren der Helmand-Kultur: Shahr-i-Sokhta und Mundigak
In der fruchtbaren Uruk-Periode entwickelte sich südöstlich des Iran jenseits der großen Sandwüste auf einem Verbindungspfad des iranischen Raums zur Region von Mehrgarh und des östlichen Indus im heutigen Pakistan die sog. Helmand-Kultur, welche durch 2 große städtische Siedlungen im Tal des Flusses Helmand gekennzeichnet ist, Shahr-i-Sokhta südwestlich von Afghanistan und in 400 Kilometer Entfernung Mundigak beim heutigen Kandahar, wo der Fluss den Hindukush verlässt. Zwischen diesen beiden Hauptorten erstreckte sich damals ein großer wasserreicher Kulturraum. Heute ist die Region von einer Salzsteppe bedeckt und nur am Fluss ist ein Galeriewaldstreifen verblieben. Offensichtlich kontrollierten die Städte den Fernhandel mit Lapislazuli aus dem heutigen Afghanistan und sie waren auch Bindeglieder für den Handel eines weiten Raums, vor allem mit der Region von Mehrgarh und des Indusflusses.
Erstaunlicherweise waren die beiden Städte trotz einer Entfernung von 400 Kilometern völlig identisch, also gewissermaßen Doppelstädte. Das Klimaoptimum der Periode Uruk III gab auch ihnen einen riesigen Wachstumsschub, in dem sich ihre Größe auf das Fünf- bis Zehnfache, auf etwa 100 Hektar, steigerte, und es zeigten sich – ähnlich wie in Uruk – auch Zeichen für eine soziale Differenzierung. Eine solche Identität von Städten sollte sich übrigens sehr viel später bei Städten der Indus-Kultur wiederholen! Man fand auch gut gestaltete Skulpturen menschlicher Figuren; leider sind sie aber in unserer Zeit von den Taliban in ihrem blinden Bilderwahn zerstört worden! Lit. 15.2
Frühe Bronze-Zeit in der Levante: ein Wiederaufschwung
Die Trockenphase, welche in der Levante zum Verfall der Kultur der Kupfer-Steinzeit geführt hatte, hat dort einen großen kulturellen Rückschritt hinterlassen. Viele bisherige Siedlungen gab es nicht mehr und die wenigen noch existierenden Ortschaften waren ohne jeden architektonischen Anspruch. Die Keramik war verarmt und Kunst war verschwunden. Es fanden sich auch keine Zeichen mehr für eine höherstehende soziale Organisation oder ein rituelles oder spirituelles Leben. Handel und Kultur waren offensichtlich in einer austrocknenden Umgebung zusammen gebrochen. Aus dem Westen, Ägypten und Afrika, waren semitische Nomaden eingedrungen, welche nicht nur den Esel als Lasttier, sondern auch ein kriegerisches Element mitgebracht hatten.
Читать дальше