Als Friedrich vier Jahre alt war, wurde ein merkwürdiges prophetisches Wort über ihn gesprochen. Die trotzige Rücksichtslosigkeit des Schwedenkönigs, Karl's XII., hatte damals König Friedrich Wilhelm zum Kriege genöthigt, dessen Folge die Eroberung eines Theiles von Vorpommern und die Einverleibung desselben in den preußischen Staat war. In der Weihnachtszeit des Jahres 1715 war Stralsund erobert worden; eine bedeutende Anzahl schwedischer Offiziere, die man hiebei zu Kriegsgefangenen gemacht hatte, befand sich in Berlin. Einer von diesen Offizieren, Namens Croom, stand in dem Rufe, aus den Sternen und aus den Lineamenten der menschlichen Hand die Zukunft lesen zu können; die ganze Stadt war voll von seinen Prophezeihungen. Die Königin und die Damen des Hofes waren begierig, durch ihn ebenfalls Einiges von ihren zukünftigen Schicksalen zu erfahren. Man berief ihn in die Gemächer der Königin. Hier untersuchte er die dargebotenen Hände und sagte Dinge voraus, die später in der That auf überraschende Weise eintrafen. Der Königin, die sich eben in gesegneten Umständen befand, sagte er, sie würde in zwei Monaten von einer Tochter entbunden werden; der ältesten Prinzessin verkündete er, dass sie neben manchen trügerischen Hoffnungen ihr ganzes Leben hindurch viele Leiden würde zu erdulden haben; einigen Hofdamen sagte er ihre baldige, wenig ehrenvolle Entfernung vom Hofe voraus. Als ihm der Kronprinz vorgeführt ward, so prophezeihte er diesem viele Unannehmlichkeiten in seiner Jugend: in reiferen Jahren aber würde er Kaiser und einer der größten Fürsten Europa's werden. Der Titel des Kaisers ist Friedrich allerdings nicht zu Theil geworden; sonst aber ist auch diese Prophezeihung vollständig in Erfüllung gegangen.
In den ersten Lebensjahren, wie auch noch mannigfach in späterer Zeit, bis kriegerische Beschäftigungen den Körper abgehärtet hatten, war die Gesundheit des Kronprinzen schwankend; die traurigen Erfahrungen, die man bereits an zwei frühverstorbenen Prinzen gemacht hatte, ließen auch für ihn gegründete Besorgnisse entstehen. Zugleich hatte dieser körperliche Zustand, vielleicht aber auch eine Gemüthsanlage, welche die äußeren Eindrücke früh mit Bestimmtheit aufzufassen und nachdenklich zu verarbeiten nöthigte, ein eigenthümlich schweigsames, fast schwermüthiges Wesen zur Folge, welches jene Besorgnisse noch mehr zu rechtfertigen schien. Um so emsiger war man auf die körperliche Ausbildung des jungen Prinzen bedacht. Mit voller Zärtlichkeit hing dieser an seiner älteren Schwester, die sich in ihren Erholungsstunden nur mit dem Knaben beschäftigte. Dies innige Verhältniß hat bis an den Tod der Schwester ausgedauert.
Eine Scene aus diesen Kinderjahren ist durch ein schönes Gemälde des damaligen Hofmalers Pesne der Nachwelt überliefert worden. Der Prinz hatte eine kleine Trommel zum Geschenk erhalten, und man bemerkte mit Freude, dass es ihm, im Gegensatz gegen sein sonstiges stilles Wesen, Vergnügen gewährte, den Marsch, den man ihn gelehrt, rüstig zu üben. Einst hatte ihm die Mutter erlaubt, diese Uebung in ihrem Zimmer vorzunehmen; auch die Schwester war mit ihren Spielsachen dabei. Der Letzteren wurde das Trommeln des Bruders zu viel und sie bat ihn, lieber ihren Puppenwagen ziehen zu helfen oder mit ihren Blumen zu spielen. Aber sehr ernsthaft erwiederte der kleine Prinz, so gern er sonst jeder Bitte der Schwester nachgab: »Gut Trommeln ist mir nützlicher als Spielen und lieber als Blumen.« Diese Aeußerung schien der Mutter so wichtig, dass sie schleunig den König herbeirief, dem das selten geäußerte soldatische Talent des Knaben die größte Genugthuung gewährte. Dem Hofmaler musste die Scene, ohne dass die Kinder die Absicht merkten, noch einmal vorgespielt werden.
Der König war gern im Kreise seiner Familie; seine Zuneigung zu den Kindern zeigte sich häufig auch darin, dass er selbst an ihren Spielen Theil nahm. Einst trat der alte General Forcade ungemeldet in das Zimmer des Königs, als dieser eben mit dem kleinen Prinzen Ball spielte. »Forcade«, sagte er zu ihm, »Er ist auch Vater; Er weiß: Väter müssen mit ihren Kindern zuweilen Kinder sein, müssen mit ihnen spielen und ihnen die Zeit vertreiben.«
Es ist schon bemerkt, dass die Königin ihren Wohlthätigkeitssinn auf ihre Kinder überzutragen bestrebt war. Den Kronprinzen machte sie früh zu ihrem kleinen Almosenier. Die Hülfsbedürftigen, die sich vertrauensvoll an die bekannte Milde ihres Herzens gewandt hatten, ließ sie zu sich kommen, bezeugte ihnen ihr Mitleid, und die Betrübten wurden dann durch den kleinen Almosengeber mit Geschenken entlassen. Diese schöne Sitte war von den erfreulichsten Folgen auf das Gemüth des Kronprinzen; schon früh gab er das Zeugniß, wie lebendig er die Lehre der Mutter seinem Herzen eingeprägt hatte. Die Eltern pflegten, in der ersten Zeit nach ihrer Vermählung, jährlich eine Reise nach Hannover zu machen, um den Vater der Königin zu besuchen; seit seinem dritten Jahre wurde der Kronprinz auf diesen Reisen mitgenommen. In Tangermünde ließ der König gewöhnlich einige Stunden anhalten, um sich dort mit den Beamten der Provinz über Gegenstände der Verwaltung zu besprechen. Bei diesen Gelegenheiten versammelte sich stets ein großer Theil der Einwohner, um den jungen Kronprinzen zu sehen; die Königin erlaubte ihm gern, zu dem Volke hinauszugehen. Einst bat er einen der Zuschauer, ihn zu einem Bäcker zu führen; hier öffnete er schnell seine kleine Börse und schüttete seine ersparte Baarschaft in die Hand des Bäckers, mit der Bitte, ihm dafür Semmeln, Zwieback und Brezeln zu geben. Er selbst nahm einen Theil der Eßwaaren, das Uebrige mußten seine Begleiter und ein Bedienter tragen. Dann wandte er sich zu den Einwohnern, die ihm in Schaaren gefolgt waren, und theilte seine Beute freudig an Kinder und Greise aus. Die Eltern hatten den Vorgang vom Fenster des Amtshauses angesehen und ließen, als die erste Spende beendet war, noch eine zweite holen , um dem Prinzen das Vergnügen der Austheilung zu verlängern. Jährlich, bis zum zwölften Jahre, erneute der Kronprinz diese Spende in Tangermünde und legte dazu stets schon einige Zeit vor der Abreise etwas von seinem kleinen Taschengelde zurück. Die Tangermünder nannten ihn mit Entzücken nur ihren Kronprinzen. Nach seiner Thronbesteigung äußerte Friedlich öfters, dass er an diesem Orte zum ersten Mal das Vergnügen genossen habe, sich von Unterthanen geliebt und Dankesthränen in den Augen der Kinder und Greise zu sehen.
Drittes Kapitel.
Mit dem Anfange des siebenten Jahres endete die weibliche Erziehung des Kronprinzen. An die Stelle der Gouvernanten traten nunmehr der Generallieutenant Graf von Finkenstein als Oberhofmeister, und der Oberst von Kalkstein als Unter-Gouverneur. Die Söhne dieser beiden verdienten Männer, sowie die markgräflichen Prinzen des Hauses, wurden die Spielgefährten des Thronerben; das kindliche Verhältniß zu dem jungen Grafen von Finkenstein ging nachmals in eine wirkliche Freundschaft über, und Friedrich blieb diesem, der später sein Kabinets-Minister wurde, fortdauernd mit hohem Vertrauen geneigt.
Der König gab den beiden Hofmeistern eine ausführliche Instruction, welcher gemäß sie die Erziehung des Kronprinzen leiten sollten. Als Hauptpunkt wird darin eine reine christliche Frömmigkeit, als zu welcher der Zögling vornehmlich hinzuführen sei, vorangestellt: – »und muß er (so heißt es u. A. in der Instruction) von der Allmacht Gottes wohl und der Gestalt informieret werden, dass ihm alle Zeit eine heilige Furcht und Venerazion vor Gott beiwohne, denn dieses ist das einzige Mittel, die von menschlichen Gesetzen und Strafen befreiete souveraine Macht in den Schranken der Gebühr zu halten.« Sodann sollte dem Prinzen Ehrfurcht, Hochachtung und Gehorsam gegen seine Eltern eingeprägt werden. Doch setzte der König die schönen Worte hinzu: »Gleichwie aber die allzu große Furcht nichts Andres als knechtische Liebe und sclavische Effecten hervorbringen kann, so soll sowohl der Oberhofmeister, als der Sougouverneur dahin arbeiten und ihr möglichstes anwenden, Meinem Sohne wohl begreiflich zu machen, dass er keine solche Furcht, sondern nur eine wahre Liebe und vollkommen Vertrauen vor Mich haben und in Mich setzen müsse, da er denn finden und erfahren solle, dass Ihm mit gleicher Liebe und Vertrauen begegnet würde.« Ueberall wird in der Instruction auf strengste Sittlichkeit gedrungen; dem Stolz und Hochmuth, wenn diese sich zeigten, ebenso den Einflüsterungen der Schmeichelei sollte aufs Eifrigste entgegengearbeitet werden. Dagegen sollte der Prinz von früh an zur Leutseligkeit und Demuth, zur Mäßigkeit, Sparsamkeit, Ordnung und zu bestimmtem geregeltem Fleiße angehalten werden. Was wissenschaftliche Bildung anbetrifft, so faßt die Instruction nur die practisch brauchbaren Kenntnisse in's Auge. Latein sollte der Kronprinz gar nicht leinen, dagegen im Französischen und Deutschen sich eine gute Schreibart zu eigen machen. In der Geschichte sollte besonders auf die Ereignisse des eignen Hauses und Staates, überhaupt auf diejenigen, welche zum Verständniß der damaligen Zeitverhältnisse nöthig waren, Rücksicht genommen werden u. s. w. Auf tüchtige Ausbildung und Abhärtung des Körpers sollte ebenfalls, ohne den Kronprinzen jedoch übermäßig anzustrengen, vorzüglich geachtet werden. »Absonderlich (so wird endlich den Hofmeistern vorgeschrieben) haben sie beide sich äußerst angelegen sein zu lassen, Meinem Sohne die wahre Liebe zum Soldatenstande einzuprägen und ihm zu imprimiren, dass, gleichwie nichts in der Welt, was einem Prinzen Ruhm und Ehre zu geben vermag, als der Degen, Er vor der Welt ein verachteter Mensch sein würde, wenn er solchen nicht gleichfalls liebte und die einzige Gloria in demselben suchte.«
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