Gegenwärtige Dynamik politischer und ökonomischer Entscheidungen legen unausgesprochen offen, warum es notwendig ist, über Wirtschaft, Arbeit und Balance in der Welt in jeder Hinsicht verschärft nachzudenken. Motive, Taten, die jeder Ethik spotten und die Diskrepanz zwischen dem, was gesagt wird und dem, was letztendlich gemacht, gezahlt und an Gesetzen verabschiedet wird, ableiten und ablesen lassen, verschlagen so manches Mal den Atem.
Wirtschaftliche Praktikabilität von solider Korrektheit bis zur Kriminalisierung des täglich neu zu ökonomisierenden Geschäfts- und Produktionsvollzugs erzeugt ein Kulturverständnis und Menschenbild, dem wir lernen müssen, zu begegnen. Voraussetzung ist, genau hinzusehen. Weil, es kann unseren Untergang bedeuten, wenn wir es nicht tun. Inzwischen gibt es Morddrohungen gegen Politiker, so, wie gegen den André Stahl in Bernau (20.10.2015). Henriette Reker liegt nach dem Anschlag in Köln in der Klinik.
Wir sollten uns keine Illusionen machen: Es gibt skrupellose Menschen, die zu unendlich vielen Grausamkeiten in der Lage sind. Das sollten wir weltweit spätestens in den letzten 70 Jahren gelernt haben. Andererseits könnten wir auch Bedingungen für unseren Neuanfang übersehen, wenn wir nicht genau hinsehen, was in unserer Welt passiert und sich entwickelt.
Wir glauben nicht einmal wirklich an die in der Presse beschriebenen Grausamkeiten und Skandale. Weil wir sie nicht wollen. Wir wollen unsere Ruhe. Aber so bekommen wir nur Unruhe. Sorgen. Skandale. Übles. Und immer wieder Gift auf den Teller. Dieses Gift wollen wir weder auf dem Teller, noch anderswo.
Das jeweilige Menschenbild in einer Gemeinschaft muss wichtiger sein als die Profitrate. Ohne scheu abzulesen, wie wir sind und was wir machen, ist Ziel einer Tagesordnung, die auf Reflexion wert legt. Eine Ökonomie, die an Bedürfnissen von Menschen entwickelt wird. Und nicht umgekehrt: Der Mensch beugt sich den Vorgaben der Ökonomie.
Der Mensch ist selbst unablässig in Veränderungen durch Entdeckungen aus Medizin, Biologie, Psychologie, Physiologie, Anthropologie und vielen anderen Wissenschaftszweigen, die ihm nahebringen, wie er funktioniert, involviert.
Allein durch diese Information verändern Menschen sich: Durch hören, sehen, erzählt bekommen und durch Identifikation und selbst machen, was man gesehen hat. Sie kennen es, wenn Menschen plötzlich wie abgesprochen die gleichen Redewendungen verwenden, und zwar, mit einer bestimmten Betonung, die signalisiert: Ich kenne das. Ich weiß Bescheid. Ich bin en vogue! Ihnen fällt bestimmt auch die Redewendung ein: O.K. !!!
Sag‘ ich zu meiner Sekretärin: „In meiner Praxis gibt‘s kein O.K.!“
Sagt sie: „O.K.!“
Frag‘ ich: „Hallo?“
„O.K.“, sagt sie und merkt gerade, was sie sagt, „ nein, ach‘ Sorry, O.K. gibt‘s ja nich‘!
„Gut“,sag‘ ich, „dann haben wir es ja jetzt klar!“
„O.K.!“, meint meine Sekretärin ganz ernst und zeigt einen harmlosen Gesichtsausdruck, als wüsste sie von nichts und als hätte ein Gespräch über O.K. nicht stattgefunden.
Menschen verändern sich durch Sprache, Technologien und durch Kochrezepte, muss man heutzutage schon dazu setzen. Computer und Handys revolutionierten die Welt und die Möglichkeiten zur Kommunikation. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie es war, auf der Schreibmaschine zu schreiben und ohne Handy zu leben. Sie sind unentbehrlich geworden.
Psychologische Psychotherapie hat an Boden gewonnen und marschiert in großen Schritten breitflächig ins Leben von Menschen hinein, bietet Unterstützung und Hilfen in Form von tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer Psychotherapie, Beratung, Coaching und Verhaltensformung an. Durchforstet analysierend das Leben, deckt Dynamiken und innere Zusammenhänge auf, zeigt auf Stolpersteine und wie Menschen aus welchen Gründen Dinge bewältigt haben, oder eben auch nicht. Erklärungen und Trainings sind obligatorisch.
Die DAK veröffentlichte im Oktober 2015 einen DAK-Psycho-Report des Berliner Iges Institutes, nach dem seit 1997 die Zahlen der psychischen Erkrankung bzw. Krankschreibungen wegen psychischer Probleme um 1/3 zugenommen hätte. (LANGE, A. 10/2015)
Meist wurde wegen Depressionen krankgeschrieben. Diskutiert wird, ob die Diagnostik verbessert wurde, die derartige Symptome besser identifiziere oder aber die psychischen Krankheiten zugenommen hätten. Man neigt zur Auffassung, die Diagnostik habe sich verbessert. Hinzugesetzt worden ist, dass Menschen, die eine Diagnose im psychischen Formenkreis bekommen, weniger körperliche Erkrankungen hätten. Dies wiederum ist aus meiner Sicht ein Argument, dass schon seit Jahren in unserem Fachbereich angeführt wurde, Kosten für Psychotherapie zu übernehmen, weil dadurch in allen anderen Bereichen Symptome abnähmen. Menschen schlicht gesünder würden. Auch dazu gibt es Studien.
Dass die Diagnose ,Depression‘ vermehrt in Krankschreibungen auftaucht, mag durch den Umstand begründet sein, dass HAUSÄRZTE mittels spezieller Diagnoseverfahren für Depressionen entsprechende Diagnosen ausstellen dürfen - sprich, es müssen nicht einmal Diagnosen von den Psychologischen Psychotherapeuten sein, die dort auf der Krankenbescheinigung stehen, weil wir gar keine Krankschreibungen vornehmen dürfen, obwohl wir umfassende Ausbildungen haben. Insofern entstehen Situationen, wo die Ärzte in unseren Praxen anrufen und fragen, was der Patient denn‘ hat? Die Ärzte sind überfordert mit dem, was sie alles wissen und können sollen - aber sie halten die Klappe, sagen nichts. Es gibt wohl kaum jemanden, der sagt, das kann ich nicht. Das weiß‘ ich nicht. Das mach‘ ich nicht. Ebenso wie ihre Kollegen, besser Kolleginnen, die Psychologischen Psychotherapeutinnen, die nicht sagen, dass so eine überzogen eng gefasste und beschnittene Berufsausübung nicht akzeptable ist.
„Was soll ich denn auf die Notwendigkeitsbescheinigung oder auf die Krankschreibung für eine Diagnose schreiben, Frau Kollegin?“
Was fachlich von unserem Berufsstand der Psychologischen Psychotherapeuten politisch gehalten wird, drückt sich in dem eklatant schmalen Heftchen der Berufsrechte und der uns zugedachten Honorare aus. Sie werden nicht an dem schmalen Heftchen der Berufsrechte gemessen, sondern stellen reine Erfindungen eines Geistes da, der Geschlechtsmerkmale und deren Ableitungen als Basis für Übertragungen auf Berufsstände - in diesem Falle, unserem - ökonomisch berechnet als gerecht zu allen anderen Fachärzten darstellt. Mit dem feinen Unterschied, dass vor unserer Haustür der Golf oder das Fahrrad steht und bei den Ärzten der neueste Porsche Cayenne, oder der 911er und irgendein Transporter für die Frau und die Kinder: Man überlässt NICHT-FACHLEUTEN darüber zu entscheiden, welche psychischen Probleme ein Mensch hat und auch die Entscheidung darüber, wie diese Menschen behandelt werden. Ärzte machen das mit Links: Denn sie sind immer noch die Götter, die gut bezahlt werden. Wir schauen jedes mal in den ICD und blättern, wägen ab, aber nicht so die Ärzte: Die haben keinen, die blättern nicht - wann auch! Dafür haben sie gar keine Zeit! Denn Time is money! Bei uns natürlich nicht. Denn wir bekommen nur eine Leistung pro Zeiteinheit verrechnet. Ärzte, je nach Organisationstyp der Praxis für ein und dieselbe Zeit zig verschiedene Leistungen. Denn da dürfen ja mehr Menschen in der Praxis arbeiten ... Bei uns ja nicht! Gehen Menschen zum Hausarzt - und das Hausarzt-Modell legt dies nahe, weil Versicherungsnehmer sich dort Überweisungen holen müssen zu den Fachärzten - darf der HAUSARZT Menschen psychisch diagnostizieren und krankschreiben.
Meiner Erfahrung nach, um zu den Depressiven zurückzukehren, ist das Spektrum der Diagnosen deutlich breiter gefasst anzusiedeln und nicht allein auf ,Depressionen‘ beschränkt. Aber es mag sein, dass die Diagnose oft gewählt wird für Krankschreibungen, weil man diese Diagnose kennt.
Читать дальше