Zenobia: O Äneas! Ich liebe seine rührselige Geschichte.
Longin: ... Alles vermischt sich und die Rassen sind kaum voneinander zu unterscheiden. Rom ist inzwischen orientalischer als der Orient selbst. Vielleicht führt gerade diese Rassenvermischung zur allgemeinen Dekadenz. Ich las neulich eine Untersuchung, ich weiß nicht mehr von wem, die eine Unterscheidung zwischen Blonden und Schwarzen macht. Der Schreiber behauptete: Die Geschichte der Menschheit bestehe in der fortschreitenden Degeneration. Wobei der geistige Stillstand und der Rückschritt schon bei den Griechen ansetzte (das ist natürlich totaler Quatsch) und von den Römern fortgesetzt wurde. Vermischen sich die Rassen immer stärker miteinander, geht dadurch die höhere Begabung, die Tatkraft und die Klugheit der blonden und langschädeligen verloren, dafür gewinnt die schwarzhaarige, kurzschädelige Bevölkerung an Übergewicht. Das führt dazu, dass die besseren Elemente ausgetilgt und das schlechtere, minderwertige obsiegt. Lässt man es zu, dass die weniger begabte Rasse die höhere beiseiteschiebt, das schwarze Haar das blonde, der breite Schädel den langen zurückdrängt, dann schafft man gewissermaßen sich selber ab. Ich war überrascht und da ich zu den Blonden gehöre, befriedete die Studie meine Eitelkeit ein wenig.
Zenobia: Longin, wo haben Sie diesen Kauderwelsch von den breiten und den langen Schädel aufgeschnappt? So eine dumme Studie gibt es gar nicht. Sie haben sich das ausgedacht, um mich zu ärgern, weil Sie wissen, dass ich schwarze Haare habe. Stimmt es?
Longin: Meine Verehrteste, die Tatsache, dass Ihre wunderschönen Haare schwarz sind, ist doch der beste Beweis für die Hohlheit solcher Theorien, die einem hohlen gelehrten Schädel entsprungen sind. Ich habe mir das nicht ausgedacht. Ich weiß, und kann wie Sokrates Gift darauf trinken, dass kein einziger, blonder Kopf im entfernsten an den ihrigen heranreicht und keine Blonde jemals Ihnen das Wasser reichen könnte.
Zenobia: Schmeichler.
Longin: Worauf soll ich schwören, dass ich die Wahrheit sage (er schaut sich nach einer heiligen Schrift um).
3.
Straßenszene:
Zwei Freunde am Straßenrand. Ein Straßenmädchen läuft an ihnen vorbei, sie verlangsamt ihre Schritte und wackelt mit allem, was sie hat. Auffordernd schaut sie die beiden an und lässt ihre Zunge im Mund kreisen.
1. O Ares, Gott der Karawanen, hilf! Wie es schaukelt und zappelt, einfach himmlisch. (Er fasst sich an die Hose): Zugreifen möchte ich ohne Drumherumgerede, aber das verdammte Vergnügen ist ganz schön teuer geworden in der letzten Zeit, sonst würde ich auf der Stelle hinterher rennen.
2. Freundchen, ich bin auch völlig vernebelt, komm lass uns einen Versuch machen. Vielleicht hat sie ein weiches Herz und macht uns ein Angebot. Wer weiß, möglich, dass sie heute Geburtstag hat und treibt es zur Feier des Tages umsonst, oder sie glaubt an einen Gott, der heute seinen Namenstag hat oder was auch immer. Willst du sie nicht fragen, wie die Tarife für ehrbare Bürger momentan so sind?
1. Wer ich? Sobald sie merkt, dass ich keine Sesterze in der Hose habe, haut sie mir eine runter. Geh du mal hin, du hältst dich immerhin für schöner als mich, weiß der Teufel, wie du darauf kommst.
2. Ich halte mich nicht, ich bin’s, damit es klar ist.
1. Dann nichts wie hin, du Schönling.
2. Bei mir juckt es auch kräftig da unten, aber ich habe gehört, dass nach dem neuen Steuergesetz auch Dirnen ihre Dienste versteuern müssen.
1. Zum Teufel mit den Steuern. Was nötig ist, muss steuerfrei bleiben, meine ich und so eine Sache ist verdammt nötig für unsereins. Man denkt an nichts anderes, kann es überhaupt Wichtigeres geben? Weißt du was, ich sollte lieber heiraten. Das ist auf die Dauer sicherlich billiger.
2. Ja, wenn du eine findest, die dich nimmt.
1. (Schlägt ihn): Du Hundesohn. Jedes Mädchen darf sich glücklich schätzen...
2. Ach was!
1. Habe ich nicht alles, was eine Frau sich wünscht?
2. Was hast du denn, du armer Schlucker.
1. Alles eben.
2. Außer Geld.
1. Du bist ein ganz gemeiner Hund und ein Spielverderber. Dann lass uns wenigstens saufen gehen, natürlich nur wenn du mich einlädst, du hast ja gerade gesagt, dass ich ein armer Schlucker bin. Ohne Saufen ist das Leben beim besten Willen nicht zu ertragen.
2. O Gott der Quelle, dessen Name keiner kennt und für immer gesegnet ist, verschaff‘ mir eine Quelle, die meinen Durst stillt, einen Schoß, der mich in sich aufnimmt und mich behütet.
1. Amen.
Ein Fremder kommt auf sie zu. Sie begrüßen ihn überschwänglich.
1. Herzlich willkommen in Palmyra, mein Herr, die Perle des Orients, die schönste Stadt, die je gebaut wurde und die fremdenfreundlichste Stadt im ganzen Universum.
2. Wir lieben die Fremden und heißen sie immer willkommen. Sogar unsere Mädchen machen es umsonst…
1. (Flüsternd): Was redest du denn da für einen Quatsch. Bei Fremden kassieren sie mindestens das Doppelte.
2. Mein Freund sagt, dass wir sehr ortskundig und bereit sind, Sie an jeden Ort, wohin Ihr Herz sich wünscht, zu führen.
Fremder: Danke für die liebenswerte Begrüßung. Ich habe ja auch gar nichts anderes erwartet.
1. Das wird aber…
Fremder: Sie meinen eine Kleinigkeit kosten?
2. So war das nicht gemeint.
Fremder: Das geht in Ordnung.
1. (Räuspert sich): Palmyra, Tadmor, die Palmenstadt, wasserreich und strategisch günstig gelegen, war seit jeher von allen Seiten bedroht. Schon vor 2000 Jahren war diese Gegend bewohnt und die Stadt ein Knotenpunkt des Handels zwischen Ost und West. Als Romulus und Remus noch nicht von der Wölfin gesäugt wurden, wussten die Menschen schon, wer die Palmyrener sind. Zurzeit Hamurabis fühlten sich Wüstenbanditen und Nomaden ermuntert, sie zu überfallen und auszuplündern. Die Juden ließen sie von einer mythischen Figur namens Salomon gründen, als sie schon ein Jahrtausend alt war. Falls er jemals gelebt haben sollte, umgab dieser Salomon die Stadt mit sehr starken Mauern...
2. Ich sehe zwar keine Mauern, aber vielleicht gab es vor tausend Jahren welche.
1. ... und nannte sie Thadamora, genauer gesagt Tadmor, mit welchem Namen sie noch heute von uns Arabern bezeichnet wird. Die Griechen nennen sie Palmyra. Wegen dieser strategischen Lage ist es daher verständlich, dass unsere Götter in voller militärischer Tracht auftreten. Sie sind die Kämpfer für das Wohl der Stadt und seiner Bewohner. Sie haben die Karawanen zu schützen und die Räuber abzuschrecken. So tritt Jarhibol, der Schutzherr der Quelle von Efca, die Stammgottheit der Oase, im römischen Panzer auf und Allat steht der Göttin Athene in nichts nach. Mit Beelshamen bilden sie eine Troika. Wir werden Ihnen Reliefs zeigen, wo Beelshamen zwischen dem Mondgott Aglibol auf der rechten und dem Sonnengott auf der linken Seite steht. Alle drei in Kriegsausrüstung, die Linke hält das Schwert und die rechte eine Lanze.
Wir Palmyrener sind in der Tat Kosmopoliten: wir sind zweisprachig, multikulturell, multireligiös, aufgeschlossen, wir lieben das Leben und unsere Königin. Mit offenen Armen empfangen wir den Fremden und verfügen über die schlagkräftigste Truppe im ganzen Römerreich, falls einer auf dumme Gedanken kommt und unsere Herzlichkeit als Schwäche versteht.
2. (flüsternd): Wo hast du bloß so viel Anmaßung aufgetankt, du Lump?
1. Mein Freund ist ganz meiner Meinung. Schauen Sie, hier in der herrlichsten aller Oasen kann jeder glauben, was er will, tragen, was ihm gefällt. Er kann als Beduine herumlaufen oder in römischer Toga über die Kolonnade schlendern. Jedes Dekret wird in zwei Sprachen verfasst: in Syrisch-aramäisch und in Römisch. Übrigens ist das Palmyrenische ein aramäischer Dialekt und wird von rechts nach links geschrieben.
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