„Der König, wer sonst!“
„Wenn Seine Majestät so wenig von diesem Geschäft weiß wie ich, so bedeutet das, dass ich nach wie vor der Eigentümer meines Hauses bin und bleibe“, erklärte der General schmunzelnd. „Warum sollte denn auch der König mein Haus kaufen?“
„Welche Frage! Natürlich für die Spanierin.“
„Nun, Herr Graf, da will ich Ihnen auf die Sprünge helfen. Heute Morgen war nämlich die Donna bei mir, begleitet von Maltzahn und Bolgiano, um sich die Zimmer und Bilder anzusehen. Von einem Hausverkauf war dabei mit keinem Wort die Rede. Das Gerücht darüber haben wohl sicher die Nachbarn in die Welt gesetzt, die beobachtet haben, wie die Besucher bei mir ein- und ausgegangen sind. Sie wissen doch, dass die Leute sich immer über alles Mögliche die Mäuler zerreißen müssen.“
Der Obersthofmeister der Königin schien enttäuscht zu sein, zweifelte aber immer noch, ob nicht doch ein Körnchen Wahrheit in dem vermeintlichen Gerede steckte, wie meistens, wenn ein Gerücht die Runde machte, für diesmal jedoch ließ er es dabei bewenden.
Nach dem Tee rief der König den General ins anstoßende Nebenzimmer. „Ich muss Ihnen eine interessante Bekanntschaft machen, mein lieber Heideck. Sie waren doch in Spanien?“
„Ich weiß schon, worauf Eure Majestät hinauswollen“, unterbrach ihn der General. „die spanische Tänzerin. Die kenne ich schon. Sie war heute Morgen in meinem Haus.“
„Soso, und wie gefällt sie Ihnen?“
„Recht gut, ja wirklich, sie ist hübsch und geistreich, und sie scheint mir auch ein gutes Herz zu haben“, entgegnete Heideck und wiederholte ihm die Geschichte, die ihm Lola über die Freude der Thierrys über die königliche Spende erzählt hatte.
„Ja, ja!“, pflichtete ihm der Monarch aufgeräumt bei. „Sie ist äußerst liebenswürdig und gutherzig. Sie müssen hinkommen, zu ihr, ins Hotel, sie besuchen.“
„Das Fräulein selbst hat mich bereits eingeladen. Ich habe jedoch keine Lust dazu. Sie umgibt sich nur mit jungen Leuten, zu denen ich keinen Zugang mehr habe.“
„Aber wenn ich dort bin, dann müssen Sie kommen, Heideck, unbedingt! Da wollen wir dann mal wieder spanisch reden, wir drei. Was halten Sie davon?“
Das wollte der General lieber für sich behalten. Zum Gehorsam gegenüber dem König verpflichtet, antwortete er nur kurz angebunden: „Wenn Eure Majestät befehlen, werde ich erscheinen“ - und kehrte dann nach einem Bückling mit dem Monarchen wieder ins Gesellschaftszimmer zurück.
Eine Woche später erhielt Heideck von „Señorita Lola“ eine Einladung, „auf Befehl Seiner Majestät“ abends um sechs Uhr zu ihr zum Tee in den Gasthof Zum Goldenen Hirschen zu kommen, wohin sie inzwischen nach einem Streit mit dem Direktor des Bayerischen Hofs in eine Suite im Anbau umgezogen war. Der König, so hieß es darin weiter, habe sein Erscheinen zugesagt. Es war der Anfang von Heidecks Teestunden mit Lola, ein rasch zur Gewohnheit gewordener Brauch, die ihm schon bald, was er nicht ahnte, von gewissen Kreisen verübelt werden sollte.
Wie versprochen folgte also der General dem „Befehl Seiner Majestät“; wie angekündigt kam auch der König, und Lola machte, wie es sich gehörte, die Honneurs. Zu Heidecks Wohlbehagen blieb man unter sich, ein gepflegtes Trio, und zu seiner Erleichterung brauchte er sich auch nicht die Zunge an spanischen Sprachbrocken zu brechen, denn man war übereinkommen, seinetwegen Französisch zu parlieren. Im Laufe der Unterhaltung seufzte Lola darüber, welche Schwierigkeiten sie mit den verschiedenen Währungen habe. Wenn sie versuche, eine Rechnung in deutschen Gulden und Kreuzern umzurechnen in französische Francs, dann kämen immer so hohe Summen heraus.
„Ja“, sagte der König besorgt, „die gute Lola weiß mit Geld nicht umzugehen, und ich fürchte, dass sie bei der bevorstehenden Einrichtung ihres Hauses tüchtig betrogen wird. Deshalb möchte ich Sie“, fuhr er zu Heideck gewandt fort, „um die Gefälligkeit bitten, die Rechnungen für ihre Möbel und den sonstigen Hausrat durchzusehen, damit sie nicht allzu arg übers Ohr gehauen wird.“
„Gern“, antwortete der General bereitwillig, sah er doch darin die Möglichkeit, auch weiterhin in der Gunst seines Königs zu bleiben. Welche Ausmaße diese Gefälligkeit nehmen würde, ahnte er damals noch nicht und noch weniger, dass er sich damit auch all die Unannehmlichkeiten aufhalste, wie sie nun einmal das Amt eines Finanzministers mit sich bringt, erst recht des Finanzministers von Señorita Maria Dolores de Porris y Montez. Wenn man ein Haus einrichten will, muss man erst mal ein Haus haben, dachte ein so strategischer Kopf wie Heideck, und da es sich hierbei keineswegs um mein Haus handeln kann, kommt nur ein anderes in Betracht. Doch welches? Wie groß ist es? Und was wird wohl seine Einrichtung verschlingen? Kaum gedacht, fragte er auch gleich drauflos und erfuhr, dass es sich um ein Haus in der Barerstraße handelte, aus dem ehemaligen Besitz der Gräfin Wahl, gleich in der Nachbarschaft vom Hofmaler Stieler.
Ein guter Kauf, dachte Heideck. Oft schon war er an dem einstöckigen palastartigen Gebäude in der Barerstraße 7 nahe dem Karolinenplatz vorbeigekommen, ein kleines, aber elegantes Stadtpalais mit einer fast quadratischen Fassade. Zwei Reihen mit fünf hohen Fenstern, erinnerte er sich, und ein kleiner Gitterbalkon an der Vorderfront, er sah es genau vor sich. Das dazugehörige große Stück Land zu beiden Seiten dehnte sich noch weit hinter dem Haus aus. An welchen Betrag, in etwa natürlich, Mademoiselle für die Einrichtung gedacht habe? erkundigte er sich.
“Vierzig- bis fünfundvierzigtausend Francs“, kam es wie aus der Pistole geschossen.
„Nun“, meinte er, ohne mit der Wimper zu zucken, „dafür kann man das Häuschen schon glänzend einrichten. Ich will Ihnen hierzu gern eine Überschlagsrechnung machen.“
„Ja, tun Sie das, lieber Heideck“, sagte der König und fügte, zu Lola gewandt, hinzu: „Der kann Sie bestens beraten, denn wie Sie ja selbst gesehen haben, hat er sein eigenes Haus recht geschmackvoll eingerichtet.“
Sie lächelte liebenswürdig und nickte zur Bestätigung, dachte aber, sein Geschmack ist nicht mein Geschmack, und in mein Haus kommt nur das rein, was ich reinhaben will.
Wie im Flug war die Zeit vergangen, es gab aber auch so viel zu erzählen, mehr als man unter Wahrung des strengsten Anstands in den zweieinhalb Stunden bis halb neun Uhr bewältigen konnte, als sich Seine Majestät erhob und mit dem neuernannten „Finanzminister“ der königlichen Mätresse in spe oder schon realiter, er war sich noch nicht sicher, die Suite im Goldenen Hirschen verließ.
Schon am nächsten Tag suchte Heideck erneut Lola im Gasthof auf und überbrachte ihr die versprochene Überschlagsrechnung, die sie mit einem flüchtigen Blick überflog. Es sei sicherlich für ihn von Interesse, was ihr der König in Bezug auf die Begleichung versprochen habe: Nämlich wenn er, Heideck, die Rechnungen für richtig befunden habe, dann wolle er, der König, ihm direkt statt ihr die Beträge überweisen.
Der General glaubte daran zu erkennen, wie sehr Ludwig um Lolas Wohlergehen besorgt war. So geschah es dann, dass Heideck die verschiedenen Voranschläge der Kaufleute und Handwerker erst prüfte und dann dem König übermittelte, worauf er stets das Geld zur Ausbezahlung aus dem Kabinett zugeschickt erhielt, wenn es nicht gar, was manchmal vorkam, Seine Majestät höchstpersönlich brachte. Heideck händigte dann die entsprechenden Beträge an die Beteiligten aus und sandte die Quittungen wiederum dem König zu.
Blauäugig war der General anfangs der Ansicht, Lola bestreite die Finanzierung aus eigenen Mitteln, wie sie ihm versichert hatte. Als er jedoch später erfuhr, der König stehe für alles gerade, wachte er nun doppelt streng über der Einhaltung der Voranschläge und bezahlte auch selbst die Kaufleute und Handwerker, um sicherzugehen, dass sie ihr Geld bis auf den letzten Kreuzer erhielten, denn wie ihm zu Ohren gekommen war, machte Ludwigs Angebetete fleißig Schulden. Bei nächster Gelegenheit steckte er das auch dem König, worauf dieser nur mit väterlicher Milde erwiderte: „Jaja, Heideck, wie schon gesagt, mit Geld weiß die liebe Lola nun mal nicht umzugehen.“
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