Mika reißt Augen und Mund vor Schreck gleichzeitig auf. Ben hockt schmunzelnd neben ihm.
„Was machst DU denn hier?“, keucht Mika geschockt, während er sich aufsetzt und erneut mit beiden Händen über sein Gesicht fährt.
„Das gleiche wollte ich dich auch gerade fragen“, erwidert Ben und lässt sich wohlig stöhnend in den Sand sinken. Er trägt noch seine Jeans, sein muskulöser Oberkörper lenkt jedoch Mikas Blick ungewollt immer wieder in diese Richtung.
„Aber ich seh‘ dein T-Shirt und das beantwortet mir so ziemlich alle Fragen. Mann, Mika! Willst du Karriere machen?“ Bens Grinsen wird immer breiter. „Obwohl ich zugeben muss, dass du womöglich deine wahre Berufung gefunden hast.“ „Keno platzt der Sack!! Wenn der wüsste, dass sein niedlicher Fick-Frosch hier vor mir im Sand sitzt und sich auf luxuriöse Weise prostituiert. Ob ich es ihm erzählen soll?“ Innerlich zuckt Ben mit den Achseln. „Mal seh’n.“
Mika ist völlig perplex. Was soll er jetzt antworten. Er kann noch nicht mal leugnen, dass er jetzt … „oh du mein Gott, jetzt muss ich Ben sagen, dass ich eine Nutte bin.“
„Wie kommst du hierher?“, übergeht er Bens Anmache.
„Mit dem Auto“, raunt Ben, während er sich eine Zigarette anzündet. „Auch eine?“
Scheiß drauf! Mika muss seine Nerven beruhigen. Als Ben ihm Feuer gibt, sieht er ihn wieder intensiv an. „Blondie, du siehst richtig gut aus! Hältst du hier tatsächlich deinen Arsch hin?“
„Lenk‘ nicht ab! Was machst du hier?“
„Ich bin eingeladen, verdammt! Kannst du dir nicht vorstellen, dass ich außerhalb des ‚Kolosseum‘ auch noch ein paar Geschäfte zu erledigen hab‘?! Und bevor du weiter nervst: nein, David ist nicht mitgekommen.“ Er schnippt leicht angepisst ein wenig Asche in den Sand. „Obwohl ich ihn eingeladen hab‘ … und zwar richtig ‚nett‘.“ Ben spuckt das Wort geradezu aus. ‚Nett‘ gehört eindeutig nicht zu seinen Lieblingsvokabeln.
Was ist denn da bloß los? Ben hatte David doch abserviert. Hmm, Mika freut sich innerlich. „Bestimmt hat er von Davids und Johns Intermezzo Wind bekommen und ist eifersüchtig. Sieh an! Sieh an!“
„Wollte ich doch gar nicht fragen. Woher kennst du Maddie und Edward, wollte ich wissen.“
„Ich kenn‘ sie gar nicht richtig. Irgendwie hat einer von deren Organisations-Team – oder wie die sich auch immer nennen – davon gehört, dass wir für mehrere Parties in Edwinas Clubs ein paar professionelle Figuren benötigen. So als Anheizer. Eben Leute, die von Anfang an tabulos zur Sache kommen. Tja, und da hatte ich auf einmal eine Visitenkarte auf dem Tisch. Ich hab‘ angerufen und mich natürlich gerne zu dem anstehenden Auswahl…Tanz…Wasauchimmer einladen lassen.“
Jetzt greift er Mika in die Wuschelmähne. „Aber das mein kleiner Lieblings-Scheißer auch hier ist … und sogar hier arbeitet. Woow!! Weiß Keno das eigentlich?“
Diese Frage konnte er sich natürlich nicht verkneifen. Mika entzieht sich genervt Bens besitzergreifendem Griff. Seine Augenlider werden schmal und er feuert einen bösen Blick auf sein Gegenüber ab.
„Du weißt genau, dass er weg ist und dass ich keinen Kontakt zu ihm hab‘. David hat’s dir bestimmt erzählt.“
„Der heult nur noch diesem John hinterher. Hätte ich gewusst, dass der Typ hinter meinem Rücken meinen Sub vögelt, dann …“
„DEINEN?“, wirft Mika überheblich prustend ein. Er deutet anklagend mit der Kippe in der Hand auf Ben. „Du hast ihn ganz beschissen abserviert. Und jetzt bist du eifersüchtig.“ „Ich weiß, dass du David liebst, du Idiot“, denkt Mika, aber das traut er sich dann doch nicht laut auszusprechen.
„Werd‘ nicht frech!“ Ben strafft seinen Oberkörper. „Als wenn du alles wüsstest was zwischen Dave und mir abgeht!“ „Zur Strafe erzähl‘ ich dir nicht von deinem Macho-Blödmann und dass er dich sucht wie ‘ne heulende Tussi!“
„Ach, ihr kennt euch?“ Maddie steht plötzlich lächelnd und mit einem riesigen bunten Cocktail in der Hand vor ihnen. „Wo ist eigentlich Danny abgeblieben?“, fragt sich Mika. „Der muss irgendwann abgehauen sein.“
„Jaaa“, knurrt Ben, „wir kennen uns ganz gut. Doch dass Blondie jetzt hier arbeitet wusste ich nicht. NETTE Überraschung!“, betont er übertrieben.
Maddie scheint diese kleine Spitze nicht mitzubekommen. Sie rührt mit dem Strohhalm in ihrem Drink und saugt dann genüsslich daran.
„Das ist ja schön!“, spricht sie schließlich weiter. „Ben, du bist ja heute schon hier, obwohl die Auswahl-Party erst morgen stattfindet. Wenn du möchtest, kannst du dich gerne mit Mika vergnügen. Er steht dir jederzeit zur Verfügung.“
Sie lächelt beide breit an und nickt dann Mika zu. „Mika, kümmere dich um unseren Gast!“ Dann dreht sie sich weg, um weitere eingetroffene Gäste zu begrüßen.
Erst ist Mikas Gesicht komplett blass. Dann schluckt er hart, um seine trockene Kehle anzufeuchten. Langsam – wie in Zeitlupe – dreht er seinen Kopf in Bens Richtung.
Hätte das Wort ‚Hämisch‘ ein Gesicht, wäre Ben genau der Richtige für ein Foto. Er lacht leise auf. „Gott, Mika! Das tut mir jetzt echt Leid“, ärgert er den zur Salzsäule erstarrten Jungen neben sich. Er stemmt sich aus dem Sand empor. „Na, dann will ich mal meine Sachen verstauen. Wir seh’n uns ja noch.“ Ohne weiteren Kommentar schlendert er davon.
„Wo ist Maddie???“ Wie von der Tarantel gestochen springt Mika hoch und schwenkt suchend seinen Blick in die Richtung, welche Maddie eingeschlagen hatte. „Da!!! Sie unterhält sich mit Edward auf der anderen Seite des Pools!“ Mika zwingt sich, nicht in einen Laufschritt zu verfallen.
„Da kommt er schon!“, kichert Maddie leise. Sie und ihr Mann ergötzen sich an Mikas Nervosität und Unsicherheit.
Was Mika natürlich nicht wissen kann ist: Maddie hat Protokolle all‘ der von George mitgefilmten Gespräche mit Jana im Hotel erhalten. Und natürlich haben sie über die Nacht bei Edwina gesprochen. Nicht zuletzt über seinen damaligen Horror vor Ben, der sich inzwischen in einen enorm großen Respekt vor ihm verwandelt hat. Wie sehr Ben ihn noch verunsichert, wie zwiespältig seine Gefühle ihm gegenüber sind.
„Perfekt“ , hatte Maddie gedacht und ihr Büro beauftragt, diesen Ben ausfindig zu machen. Kontakt mit Leuten aus diesem Milieu aufzunehmen ist die einfachste Sache der Welt.
Ein wenig atemlos bleibt Mika vor Maddie und Edward stehen.
„Mika“, lächelt Maddie ihn an. „Was ist los?“
„Maddie ich … ich hab‘ da ein Problem.“
„Was denn?“, fragt Maddie gespielt erschrocken zurück. „Ist alles in Ordnung mit dir? Bist du krank?“
Mika atmet tief durch. „So ein Scheiß!! Direkt am Anfang einen Rückzieher zu machen!“ Dieser Gedanke ist Mika natürlich auch nicht angenehm.
„Nein! Nein!“, wiegelt er ab. „Alles in Ordnung. Es ist nur … also, Ben! Muss ich wirklich unbedingt mit ihm …?“
Maddie zieht fragend die Augenbrauen hoch. „Was hast du gegen ihn einzuwenden? Ich denke, ihr kennt euch sogar? Wie soll das weitergehen, wenn du sogar schon Einwände gegen Personen hast, die du bereits kennst?“
Mika presst verlegen die Lippen aufeinander. „Ich weiß ja“, gibt er kleinlaut zu. „Aber …“
„Mika!“, mischt sich nun Edward rigoros ein. „Du zeigst uns heute Abend, ob du das Zeug dazu hast, deinen Körper zu verkaufen, oder nicht. Schalt‘ dein Hirn ab, nimm Drogen oder trink dir einen kleinen Schwips an. Ist mir völlig egal. Doch du wirst mit diesem Mann machen, was er dir sagt. Machst du das nicht, kannst du morgen direkt deine Sachen packen. Hast du mich verstanden?“
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