Sie lachen beide herzlich über diese Vorstellung. Mika verschluckt sich fast an einem der köstlichen kleinen Fleischbällchen. Maddie erklärt weiter.
„Versteh‘ mich nicht falsch, Mika. Natürlich erwarte ich Gehorsam und Zuverlässigkeit von meinen Mädels und Jungs. Doch wenn einmal eine Situation entsteht, vor der du dich ekelst oder du hegst zum Beispiel eine absolute Antipathie gegenüber einem Kunden, dann musst du das nicht durchziehen. Okay?“
Mika nickt. Hört sich gut an.
„Es gibt zwei grundsätzliche Tabus bei uns. Sex mit Kindern und Sex mit Tieren!“
„Oooch, arme Bergziege!“, kichert Mika und Maddie kneift ihn spielerisch in die Seite.
„So gefällst du mir, mein Süßer! Es ist gut, wenn du dich locker machst. Du sollst mit Hingabe bei der Sache sein. Einer Sache …“, Sie blickt zu ihm empor und fängt Mika’s aufmerksamen Blick ein. „… die du wirklich drauf hast. Ich werde dich an Leute vermitteln, die genau auf deinen Typ und auf deine Vorlieben stehen. Davon hab‘ ich ganze Dateien.“
Mika schluckt schwer. Beruhigend tätschelt Maddie seinen Arm.
„Eins nach dem Anderen. Zuerst werden wir dich ein bisschen stylen und ein paar Muskeln antrainieren. Das machen wir in aller Ruhe. Zwischendurch gewöhne ich dich an deine Aufgaben. Es gibt da Kunden, die sind geradezu perfekt für diese Zwischenphase.“
Lächelnd betritt sie mit Mika das Pool-Gelände. „Du musst dich um nichts kümmern. Alle Abrechnungen laufen über meinen Tisch. Nur deine Kontoverbindung benötige ich noch. Der Handschlag mit Edward ist mir Vertrag genug. Ich vertraue dir, Mika! Ist das okay?“
Mika nickt gedankenverloren.
„Ach, und noch etwas!“, fällt Maddie ein. „Solltest du dir Sorgen wegen Safer-Sex machen: vergiss es. Ab einem gewissen Level – und nur um diesen handelt es sich bei uns – sind sämtliche Leute getestet. Ich weiß, da könntest du jetzt viel einwenden. Doch diese Kunden haben ebenfalls ein persönlichs Interesse daran, gesund und munter zu bleiben. Aber sie wollen sich beim Sex gehen lassen und dazu gehört, dass sie sich einfach nehmen, was sie haben möchten … ohne Gummi dazwischen.
Wenn du also in deinem Privatleben Sex hast, dann vertraue ich darauf, dass du verhütest. Hast du im Moment noch Fragen? Nein? – Gut! Dann geh‘ zu deiner Jana und amüsiere dich. Ich lasse dir ein Zimmer herrichten. Ich brauche dich morgen und übermorgen für kleinere Aktivitäten.“ Sie lacht laut auf als sie Mikas große Fragezeichen im Gesicht sieht. „Ja, unsere Party erstreckt sich über alle Feiertage. Die Gäste wechseln vielleicht, aber das Fest geht weiter!“
Ohne auf einen weiteren Kommentar von Mika zu warten, wendet Maddie sich an zwei andere Gäste. „Und wenn du wüsstest, welches Treffen ich für morgen arrangiert habe …“ Sie grinst vor Vorfreude. „Dann wärst du nicht halb so gelassen!“
„MIKA!!“, brüllt Jana aus der Richtung des Pools. „Wo warst du denn nur?! Komm her!!“ Sie lacht und winkt.
Janas Reaktion auf Mikas Eröffnung über seinen neuen – tja so ist es nun mal – Job, ist erstaunlich abgeklärt. Vielleicht war sie inzwischen in zu vielen S/M-Clubs für Edwina unterwegs; weiß der Geier. Auf jeden Fall ist Mika sehr erleichtert, als sie achselzuckend erklärt: „Schatz, ich find’s gut, wenn du dich mal so richtig auslebst. Du kannst doch jederzeit wieder was Anderes machen. Bei Maddie und Edward bist du gut aufgehoben. Und vielleicht befreit dich das von deiner – verzeih‘ mir – Obsession was Keno betrifft.“
Mika nimmt einen Schluck von seinem Drink, während er kleine Sandberge mit seinen nackten Füßen gräbt.
„Ja, vielleicht.“ Na, das kam aber noch ziemlich zaghaft. Das Thema ‚Keno‘ hat er bewusst verdrängt, doch ohne die hammerharte Droge von vorhin kann er das nicht auf Kommando. Wenn Keno wüsste, welche Richtung Mikas Leben gerade nimmt, würde er bestimmt dermaßen ausrasten, dass keine zehn Pferde ihn davon abhalten könnten, Mika an „seinen verdammten Zotteln“ aus diesem „Scheißkasten von Haus“ zu zerren. Ein wehmütiges Grinsen legt sich auf Mika’s Züge, als er Keno in Gedanken fluchen hört.
Und bevor Mika darüber nachdenkt, flüstert er „Ich gehör‘ immer noch ihm!“
Jana umarmt ihn spontan und küsst sich zärtlich an seinem Hals entlang.
„Ich weiß“, flüstert sie zurück. „Ich denke auch noch oft an ihn …“ „trotz George’s Berichten“, denkt sie traurig. „Aber sag‘ Niemandem was davon!“
Sie sehen sich tief in die Augen und waren sich noch nie so nah wie in diesem Moment.

Die Weihnachtsfeiertage sind der reinste Horror für Keno. Am 23.12. ist er wieder zuhause. Was für ein Gefühl!! Während er alle Zimmer abschreitet, laufen ihm vor Freude die Tränen über die Wangen. Rosaria hat alles super in Ordnung gehalten. Kein Stäubchen ist zu finden.
Bei dem Rundgang findet er in seinem riesigen Kleiderschrank ein Sweat-Shirt von Mika. Er hatte es wohl eilig vom Leib gerissen und nur in die Ecke des Schranks geworfen. Typisch für diesen kleinen Wirrkopf!
Jetzt sitzt Keno in der Fernsehecke, einen fetten Wodka vor sich auf dem Tisch. Immer wieder drückt er sich das Shirt vors Gesicht und inhaliert Mikas Duft. Wie damals John mit seinem Hemd, an diesem kleinen Tümpel – vor Äonen von Jahren.
Es ist der 24.12. nachmittags und Keno hat seit gestern rein gar nichts erreicht.
Ralf hat seinen Laden momentan geschlossen; irgendwelche Renovierungen. Per Handy hat er ihn schließlich erreicht; nur um zu erfahren, dass Mika wohl Jana in München besucht. Das war aber auch schon alles an Information.
Jana geht nicht ans Handy. Ihr hat er mindestens fünfmal auf den AB gesprochen.
Edwina schippert mit Andy auf so einem Riesendampfer irgendwo in der Südsee herum; ständig ist nur ihr AB zu erreichen.
Gordana und Nerd sind auch nicht zu Hause. Er war dreimal bei der Wohnung und hat geklingelt.
Auch bei David öffnete niemand.
Bei Katrin – Mika’s Mutter – ergaben seine vorsichtigen Nachfragen ebenfalls keine heiße Spur. Sie weiß wohl am allerwenigsten, was ihr Sohn so treibt.
Und natürlich Mika selber. Immer wieder meldet sich der AB. Es scheint alles hoffnungslos zu sein.
Keno schlürft betrübt an seinem Drink.
Mit John hat er heute Mittag kurz gesprochen. Da war es in Texas noch früher Morgen. Er wird seinen Vater wohl abends in seinem Elternhaus treffen. Bei dem Gedanken daran wird Keno ganz anders zumute. John war sehr ruhig; fast stumm. Keno pustet sich bei dem Gedanken an das Gespräch mit seinem Liebsten nervös einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er weiß, was diese Coolness bei John zu bedeuten hat: am besten alle in Deckung gehen. John steht kurz vor der Explosion.
Einen erneuten Zitteranfall bekämpft Keno mit einem tiefen Schluck aus seinem Glas.
„Ich muss Mika finden, ich muss einfach!“
Und dann beschließt er, heute Abend in einigen Kneipen nach David zu suchen. Vielleicht hat er ja Glück?! Schließlich ist Dave Mikas bester Freund. Der sollte doch eigentlich Bescheid wissen, wo der Kleine sich rumtreibt. Viele Leute gehen Heilig Abend in ihrer Stammkneipe feiern. Mal sehen.
*
Keno sitzt bereits eine Stunde im ‚Mars‘ herum und hält sich mit aller Gewalt die ziemlich beschwipste Gesellschaft vom Leib. Gerade trinkt er sein Glas leer und beschließt, doch noch ein-zwei andere Kneipen aufzusuchen, als sich die Türe öffnet und David herein kommt. Keno hat sich vorher noch nie so gefreut, David zu sehen. Da ist er sich sicher. Sofort schnellt er hoch und drängelt sich zu ihm durch. Dave reißt erstaunt die Augen auf.
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