Die Bedeutung der Denkmäler für die Befehlshaber der schlesischen Kriege besteht heutzutage freilich nicht so sehr in der Erinnerung an die erfolgreichen Überfälle auf die österreichische Armee, sondern vielmehr in kunstgeschichtlichen Aspekten.
Mit ihnen stellte man das erste Mal keinen Herrscher, sondern Untertanen auf den Sockel. Wie Peter Bloch schreibt, »hier beginnt die Emanzipation der Persönlichkeit und ihrer individuellen Leistung«. Ein anderer Punkt ist die Frage der Bekleidung, die Befreiung von der antiken Tradition. Deren Anfang ist gerade hier, an diesen Generälen nachvollziehbar: Ursprünglich standen Schwerin und Winterfeldt in ziemlich seltsamen Posen und römischen Klamotten, während im nächsten Jahrzehnt, 1781 und 1786, Seydlitz und Keith bereits in zeitgetreuen Gewändern ihres Regimentes da. Die letzteren, die Statuen von Jean Pierre Antoine Tassaert, eröffneten die etwa fünfzig Jahre andauernde Debatte über die richtige Bekleidung der Denkmäler, den sogenannten Kostümstreit.
Dies könnte man sehen, wenn August Kiss, der 1862 die Marmorstatuen durch Bronzeversionen ersetzte, nicht auch Schwerin und Winterfeldt den anderen angepasst hätte. Und trotzdem kann man dem Spaziergang etwas Kunstgeschichtliches abgewinnen, denn zu den Generälen im zeitgemäßen Gewand, aber noch in leicht barocker Haltung, gesellte sich im Jahre 1794 Generalfeldmarschall Zieten, den wir im Weiteren vorstellen werden.
Sein Schöpfer Johann Gottfried Schadow, ein Schüler von Tassaert, gehörte zu einer neuen Generation. An der Statue Zietens merkt man bereits seine Vorstellung über die richtige, nämlich naturalistische Wiedergabe der Wirklichkeit. Das ist der Anfang der Berliner Bildhauerschule, deren insgesamt nicht weniger als vierhundert Mitglieder im 19. Jahrhundert die bis dahin leeren öffentlichen Räume in Berlin und in ganz Deutschland mit ihren Werken überschwemmten.
Markus Lüpertz
Das Urteil des Paris, 2002
Kurfürstendamm/Joachimstaler Straße
Durch sein Schicksal sei »Berlin dazu verdammt: immerfort zu werden und niemals zu sein«, heißt es im berühmten Schlusswort des Buchs »Berlin – ein Stadtschicksal« von Karl Scheffler aus dem Jahre 1910. Da Scheffler vom für Berlin typischen Gesetz, der erzwungenen, künstlichen Stadtentwicklung, ausging, erwies sich seine tiefe und gnadenlose Analyse gleichsam als visionär. Die Tendenz, aus Berlin auch nach dem Verschwinden der preußischen Herrscher etwas Neues und Besseres machen zu wollen, ist geblieben: in den Dreißigern Reichshauptstadt, in den Sechzigern soziale Wohnsiedlung, in den Neunzigern Metropole. Doch in all diesen Perioden fiel niemandem auf, übrigens auch Scheffler nicht, dass die einzig gültige Daseinsform der Stadt bereits vor der Jahrhundertwende zustande gekommen war. Jenes mitteleuropäische Großstadtmodell wird seitdem gestückelt und geflickt, meistens falsch, wenn auch in bester Absicht.
In jeder dieser Epochen wurde auch das Ku̕damm-Eck neu erfunden, zuletzt im Zeichen des modernen Monumentalismus. Der runde violette Steinblock des Swissotels erinnert mit seiner Höhenstaffelung etwa an eine Festung, das hellgraue Concorde Hotel von Jan Kleihues daneben erhebt sich zu einer Burg, einer Pyramide. Ernste, schöne, überzeugende, Respekt verlangende und bedrohlich massive Gebäude.
Das Ku’Damm-Eck wirkt wie ein architektonisches Pendant zum Potsdamer Platz. Auf die Türme aus Stein ist auch hier eine bläulich glitzernde Glas- und Stahlkonstruktion von Helmut Jahn die Antwort: dort das schwebende Sony Center, hier ein luftig schillerndes Bürohaus.
Zwischen ihnen, an der Stelle des Café Kranzler, stand ehedem ein prunkvoller Mietspalast mit dem Café des Westens, dem ersten bedeutenden Künstlercafé Berlins. Die Wegbereiter der Frauenemanzipation, Töchter aus dem jüdischen Bürgertum, traten Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Intimität der Salons in die Öffentlichkeit der Cafés. »Ich bin nun zwei Abende nicht im Café gewesen, ich fühle mich etwas unwohl am Herzen«, notierte die Lyrikerin Else Lasker-Schüler im Jahre 1910. Jahrelang, von Mittag bis spät in der Nacht, wohnte sie dort mit ihrem Mann Herwarth Walden und ihrem – laut Zeitgenossen extrem verzogenen – kleinen Sohn Paulchen. In der dichten Atmosphäre des Cafés gründeten sie den Sturm , eine expressionistische Zeitschrift, die das deutsche Kunstleben revolutionierte. Der Ort versank in die Bedeutungslosigkeit an dem Tag, als Else Lasker-Schüler und ihre Gefährten für immer aufhörten, ihn ein weiteres Mal zu betreten – wegen einer Bemerkung des Besitzers über das gegen Null tendierende Volumen ihrer Bestellungen.
Die von unten betrachtet kleinen, sonst sechs Meter großen Gestalten, die sich oben auf dem geschwungenen Fassadenvorbau des Swissotels gruppieren, sind, abgesehen von einem runden Hintern, mit bloßem Auge nicht leicht auszumachen. Rechts von ihnen, zur anderen Straßenweite gewandt, steht eine weitere Figur. Stellt man Nachforschungen an, erfährt man, dass sich dort – dank Markus Lüpertz – die Aluminium-Skulpturen von Hera, Athene und Aphrodite umarmen, eher wie Freundinnen als Rivalinnen. Sie warten gerade und vermutlich noch lange darauf, dass Paris von der anderen Seite kommend der Schönsten von ihnen einen Apfel überreichen würde. Ihre Idylle wird von einer weiteren Dekoration des Gebäudes, einer riesigen Lichtreklame, kontrastiert und gestört.
Eduardo Paolozzi
Katastrophenbrunnen, 1984
Britzer Garten, Pumpstation
Mohriner Allee 150
Eduardo Paolozzi wurde 1984 beauftragt, das Pumpenhaus, das die Wasserversorgung der Seen des damals angelegten neunzig Hektar großen Parks im südlichen Bezirk Berlins, in Britz, sichert, ein wenig aufzumotzen. In diesem Park wurde – großartiges Wort! – die Bundesgartenschau, ein Aufmarsch, unter anderen von Tulpen und Dahlien, veranstaltet. Abgesehen von Blumen und Pflanzen befinden sich im Britzer Garten etwa dreißig Skulpturen, fast alle aus der ersten Hälfte der 80er Jahre.
Wie ist das Rohrknäuel Paolozzis zu verstehen?
Zunächst gibt es etwas von diesen Röhren zu lernen. Man muss so tun – andere werden beruhigt, uns hält es am Leben – wie sie: als ob wir etwas bedeuten würden. Ihr Sinn ist beinahe glaubhaft, wie sie sich ab- und verzweigen, aus- und ineinander greifen, sich verhaken. Sie biegen und verschlingen sich, kriechen und schleichen und richten sich auf. Sie sind getrennt und bleiben doch zusammen. Kommen irgendwoher und bemühen sich irgendwohin. Ihre Existenz ist nicht zu leugnen.
Sind das die gleichen Rohre, die anderswo in der Stadt rosarot gestrichen herumstehen als graziöse Flamingos? Wäre das hier ihr wirkliches Ich, ihr unter der Erde verborgenes, unverhülltes, graues Gesicht? Dunkle Sehnsucht, gegenstandsloser Wille, ungeklärter Affekt? Plötzlich aufbrechendes Würgen?
Ein Rohr drängt, drückt und umfasst das andere, und ist doch keines von ihnen vorbestimmt. Die einzige Illusion, den einzigen Schein, die einsame Funktion im allgemeinen Fehlen der Funktionalität bietet jenes Rohr, welches einen müden Wasserstrahl in einem Bogen herausbringt, der auch für einen Mann über fünfzig ausgesprochen beachtenswert wäre. Dieser Charakterzug der Pumpe ohne Eigenschaften hebt noch mehr die nirgendwohin führenden, gestutzten Enden, die grundlos geschweißten Bögen, die nicht funktionierenden Räder, die vergeblich ineinander greifenden Fügungen hervor.
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