Start ist erst in zwei Stunden, genügend Zeit um meine Verabredungen zu verschieben. Gesagt getan, zwei Stunden später schultern wir unsere Rucksäcke.
Mit dem Taxi geht es zum Bus, dann weiter nach Alajuela, wo wir eineinhalb Stunden auf den nächsten Bus warten, der uns dann zum Nationalpark des Vulkans Poás bringt. Im Bus treffe ich eine Gruppe von deutschen Freiwilligen, die ein soziales Jahr in Costa Rica absolvieren. Aufgeregt schaue ich in die Gesichter der Jugendlichen, kann Julius unter ihnen jedoch nicht entdecken. Trotzdem, wir diskutieren über Visumangelegenheiten, von denen auch die anderen ein Lied singen können.
Meine Sitznachbarin Susi aus England, die ebenfalls aus dem Hostel mitkam, wippt zum Takt der Musik, die aus ihren knallroten Kopfhörern dringt. Ihre Einstellung erinnert mich stark an mein erstes Gespräch fernab der Heimat: „Ich will meine Zeit nicht mit Studieren verschwenden, sondern lieber Spass haben. Am Ende haben doch eh alle den gleichen Job“, stellte sie eben noch fest und drehte an ihren etlichen bunten Armbändern. Da ich nicht weiter auf ihre Aussage eingegangen war, steckt sie sich Kopfhörer ins Ohr, lässt sich warmen Wind von draußen ins Gesicht wehen und schaut seitdem den vorbei huschenden Büschen nach. Ich kann diese Denkweise nicht nachvollziehen, ohne mein Studium wäre ich gar nicht hier. Susi schlägt sich mit ihrem Englisch und ohne Spanisch durch und scheint damit glücklich zu sein.
Nach etwa vier Stunden Tour erreichen wir unser Ziel, verlassen erleichtert die unbequemen Sitze und fiebern dem langen Fußmarsch entgegen.
Wie weit wir wohl bis zum Gipfel laufen müssen? Als wir den Bus verlassen, ist es angenehm kühl, aber längst nicht kalt, wie uns eine Hostelmitarbeiterin gestern angekündigt hatte.
Mit Wanderschuhen ausgestattet, spazieren wir den breiten Asphaltweg hinauf zum Vulkan, werfen einen Blick in den Krater, wollen dann endlich wandern und betreten den Wald, der uns höher führen soll.
Aber es geht nicht viel höher, insgesamt wandern wir eine Stunde durch einen dunklen Wald, dann sind wir wieder am Ausgangsort. Ein relativ unspektakulärer Rundweg, aber mein erstes Mal Natur in Lateinamerika.
Wir setzen uns vor den Vulkan auf die dicken Steine der Aussichtsplattform, wickeln uns in Schals und Jacken ein, um Nieselregen und Wind zu trotzen und warten, dass der Bus wieder abfährt. Nebelschwaden sind aufgezogen und verschmelzen mit der Rauchwolke, die vor uns aufsteigt. Zwischendurch zeigt sich der Krater kurz, dann verschwindet er in der Leere.
Bruce blättert in seinem Notizbuch und präsentiert eine mit schwarzem Filzstift skizzierte Karte, ‚nicht maßstabsgetreu‘ hat er schräg darunter gekritzelt.
„Das wichtigste, was ich jemals verloren habe, war mein kleiner Kompass am Motorrad. Ich habe jemanden gestreift und dann muss er wohl herunter gefallen sein. Ich habe es erst später am Tag bemerkt“, berichtet er, während sein Blick dort verharrt, wo vorhin noch der Abgrund zu sehen gewesen war.
„Und einmal hätte ich fast mein Motorrad verloren“, nun schaut er uns eindringlich an, „ich habe es in Mexiko City abgestellt und mir den Parkplatz nicht richtig gemerkt. Die Stadt ist so riesig, als ich im Dunkeln weiter fahren wollte, erkannte ich nichts wieder. Jede Straßenecke sah gleich aus. Das war wirklich unheimlich!“
„This is so L.A.!“, stöhnt Carly aus Kalifornien und beäugt eine Gruppe von Selfie schießenden Landsleuten. Noch ein Foto, mit Daumen oben, mit Nebelvulkan im Hintergrund, mit Grimassen, alleine, zu zweit, seitlich…
„Amerikaner sind immer so peinlich!“
Im Bus auf der Rückfahrt unterhalte ich mich kurz mit meiner Sitznachbarin aus Venezuela auf Spanisch. Als ich aussteigen muss, lobt sie mich tatsächlich für meine guten Sprachkenntnisse. Das macht mich stolz, meine Anstrengungen sind nicht umsonst.
Erst gegen Nachmittag erreichen wir das Hostel, meine Eltern werden schon tief und fest schlafen, Telefonieren kommt erst morgen wieder in Frage. Ich bin erschöpft und mein Kopf brummt. Zum Glück sind wir heute bei einer Sprache geblieben, fast kein Spanisch, kein Französisch. Von Franzosen halte ich mich nach wie vor fern, sonst vermischen sich die Sprachen weiter. Mit Amerikanern spreche ich schon jetzt Sprançais und die Ticos müssen Denglisch ertragen.
„Was machst du da? Ich versteh dich nicht! Kannst du nicht EINE Sprache sprechen?“, bemerkt Juan genervt beim Abendessen.
„Ich merk’s ja nicht mal, verstehe ja alles“, antworte ich, diesmal komplett auf Spanisch.
Hier funktioniert das Bankensystem anders. Ich stehe vor einem kleinen verrosteten Transporter, der direkt vor dem Verwaltungsgebäude der UCR geparkt ist und auf dessen Seiten das Logo der Banco de Costa Rica prangt. Eine fahrende Bankfiliale. Ich trete vor den Schalter und schräg hinter mir steht plötzlich ein komplett ausgerüsteter Polizist, mit Schlagstock und Pistole, bereit den kleinen Transporter und dessen Inhalt zu beschützen. Er lächelt gelassen, wirklich kein Grund zur Aufregung. Lediglich ein paar UCR Mitarbeiter schlendern am Wagen vorbei, wir befinden uns mitten auf dem Campus, was soll hier schon passieren?
Eine Plexiglasscheibe trennt den korrekt gekleideten Bankmitarbeiter von mir, den ich durch Lautsprecher und Mikrofon hören kann. Hierfür wurde ein Loch in die Metallwand gebohrt.
„Ja?“, murmelt er viel zu leise ins Mikro, sein Spanisch dadurch schlecht verständlich. Ich wünschte, er würde sich zumindest mehr Mühe zu einer deutlicheren Aussprache geben, ich sehe doch wirklich europäisch aus.
„Ich möchte… Geld auf Konto… legen!“, ich reiche ihm den Zettel mit Name und Kontonummer des Notars und hoffe, dass der in Hemd und Schlips steckende Mitarbeiter das Geld auf das richtige Konto einzahlt, mich nicht betrügt und ich mich bei der richtigen Bank befinde.
„Wie viel?“, besonders freundlich ist er ja nicht.
„50 Dollar.“ Er zückt seinen Taschenrechner und ermittelt den tagesaktuellen Wechselkurs zu Colones. Von oben herab schauend, nimmt er mein Geld durch eine kleine Luke in Empfang und beginnt dann in aller Ruhe damit, auf seinen Computer einzutippen.
Wie ich in Costa Rica Geld bekomme, diese Frage hat mich in Deutschland lange beschäftigt. Das ganze Geldsystem ist eine Wissenschaft für sich.
Dollarscheine: Die Landeswährung ist Colones, die man in fast allen Banken wechseln lassen kann. Trotzdem kann man in Costa Rica, wie auch im Kongo, mit Amerikanischen Dollars bezahlen. Deshalb habe ich bereits in Deutschland ein paar Euros in Dollar gewechselt. Besonders sollte man darauf achten, um welche Dollarscheine es sich handelt. In Kinshasa in Afrika wurden zum Beispiel nur Scheine angenommen, die höchstens fünf Jahre alt waren. Außerdem werden keine Scheine angenommen, die größer als fünfzig Dollar sind. Bei manchen Banken muss man für das Geldwechseln eine Gebühr entrichten. Zudem werden zum Umrechnen von Euro in Dollar unterschiedliche Kurse verwendet. Der Kurs für die Travellerschecks war zum Beispiel deutlich günstiger als der für Dollarscheine.
Travellerschecks: Diese antiquierten Papierfetzen hatte ich bisher noch nie benutzt und genau das war auch der Grund, warum ich die Damen in der Sparkasse mit meinem Anliegen ins Schwitzen brachte. Ich wollte noch einmal mit richtigen Travellerschecks zahlen, bevor sie komplett von Kreditkarten ersetzt werden.
„Jetzt muss ich mich erst einmal wieder an mein Passwort erinnern… aber das haben wir gleich…“, bemerkte die Mitarbeiterin, die sich im Team mit einer Kollegin um mein Anliegen kümmerte. Vor ihrem Schreibtisch Platz genommen, musste ich Formulare ausfüllen und jeden Scheck einzeln mit meiner Unterschrift versehen. Die Schecks sind durchnummeriert, werden samt Namen und Nummer des Personalausweises in eine Liste eingetragen und können dann in jedem Land unter Vorlage des Personalausweises und einer Unterschrift in Dollars zurück getauscht werden.
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