Ramacharaka
Die Wissenschaft des Atmens
nach den Lehren des heiligen Vedanta
Freie Übertragung von S. von der Wiesen
Impressum
„Die Wissenschaft des Atmens“ von Ramacharaka
Erstveröffentlichung: Theosophisches Verlagshaus Leipzig 1921
Überarbeitung: F. Schwab Verlag, Cover: Compton 1879: Matterhorn
Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de
Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag
Widmung
Dieses Werk ist der erleuchteten Individualität des
Swami Vivekananda
gewidmet, der die ersten bahnbrechenden Worte über die höhere Yogi-Philosophie und die uralte Vedanta-Wissenschaft dem Westen übermitteln durfte.
Inhalt
Einführende Worte.
Vorwort zur II. Auflage
1. Kapitel: Salaam-A-le-i-kum (Frieden mit euch!)
2. Kapitel: „Atem ist Leben.“
3. Kapitel: Die exoterische Theorie des Atmens.
4. Kapitel: Die esoterische Theorie des Atmens.
5. Kapitel: Das Nervensystem.
6. Kapitel: Nasenatmen respektive Mundatmen.
7. Kapitel: Die vier Methoden des Atmens.
I. Hohes Atmen.
II. Mittleres Atmen.
III. Tiefes Atmen.
IV. Der vollständige Atem des Yogi.
8. Kapitel: Wie der vollständige Atem des Yogi zu erlangen ist.
9. Kapitel: Der äußere Erfolg des vollständigen Atmens.
10. Kapitel: Einige Bruchstücke von Yogi-Weisheit.
I. Der Reinigungsatem der Yogis.
II. Der nervenbelebende Atem des Yogi.
III. Der Vokalatem der Yogis.
11. Kapitel: Die sieben entwickelnden Übungen.
I. Der zurückgehaltene Atem.
II. Anspornung der Lungenzellen.
III. Rippenstrecken.
IV. Brustausdehnung.
V. Geh-Übung.
VI. Morgenübung.
VII. Zum Stimulieren der Zirkulation.
12. Kapitel: Sieben kleinere Übungen.
I. Übung.
II. Übung.
III. Übung.
IV. Übung.
V. Übung.
VI. Übung.
VII. Übung.
13. Kapitel: Vibration und rhythmisches Atmen.
14. Kapitel: Tatsachen des psychischen Atmens.
I. Allgemeine Anleitungen zum psychischen Atmen des Yogi.
II. Verteilung des Prana.
III. Schmerzen zu vertreiben.
IV. Die Zirkulation zu dirigieren.
V. Sich selbst zu heilen.
VI. Heilung anderer11.
VII. Heilung auf die Entfernung.
15. Kapitel: Weitere Phänomene vom psychischen Atmen des Yogi.
I. Gedanken-Projektion.
II. Eine Aura zu bilden.
III. Sich selbst wieder „zu laden“.
IV. Andere wieder „zu laden“.
V. Wasser zu laden.
VI. Mentale Eigenschaften zu erwerben.
VII. Physische Eigenschaften zu erwerben.
VIII. Erregungen zu beherrschen.
IX. Umwandlung der Zeugungskraft15.
X. Verstärkung der Gehirnkraft.
XI. Der große psychische Atem des Yogi.
16. Kapitel: Das spirituelle Atmen.
I. Das Bewusstsein der Seele.
II. Das universelle Bewusstsein.
III. Allgemeine Anweisungen.
Anmerkungen
„Ist der Chela bereit, so ist der Guru da“.
Die Entwicklung der Zivilisation beginnt mit kleinen Gebieten, Stadtgebieten. Sie schreitet über Gaue, über Länder vor, aus deren Zusammenschlusse große Reiche entstehen. An den Grenzen dieser Reiche stoßen benachbarte Zivilisationen zusammen; sie verschmelzen untereinander und dehnen sich aus, einen breiten Gürtel rings um den Erdball bildend.
Hand in Hand mit der äußeren Zivilisation schreitet die geistige Kultur, und als ihre feinste Blüte sprosst die Weltweisheit aus dem wohl vorbereiteten Boden. Wie der Saturn von seinem Ringe, so ist die Zone materieller Zivilisation von einem Gürtel geistiger Kultur umgeben, der einen höheren Plan von ihr darstellt.
In dem Werdegang folgt eine dritte Sphäre höchster Geistigkeit. Jahrtausende zurück liegen ihre Anfänge, doch ihre Träger, die Eingeweihten, waren zum Schweigen verpflichtet und durften ihre geheime Weisheit nur an Suchende weitergeben, die reif dafür waren. So entstanden und gediehen Schulen okkulter Weisheit, sie beeinflussten sich wohl gegenseitig, aber sie walteten und wirkten gesondert. Die örtlichen Lücken zwischen den Brennpunkten der Lehre wurden nicht ausgefüllt.
Die Anhänger Buddhas, die ägyptischen und chaldäischen Priester, die Kabbalisten, selbst noch Priester der westlichen Indogermanen vererbten geheime Weisheit von Priestergeschlecht zu Priestergeschlecht durch mündliche Überlieferung. Manche kostbare Wahrheit mag auf diese Weise verloren gegangen, mancher mystische Kult von volkstümlichen Lehren verdrängt worden sein, wie sie durch das Christentum und den Mohammedanismus die Massen ergriffen. Der Westen scheint einem Aufschwung des Okkultismus weniger günstig gewesen zu sein, als der phantasiereiche Orient. Weder die Sekte der Gnostiker noch auch die späteren Tempelherren oder die Rosenkreuzer und die höheren Freimaurerorden der neueren Zeit entsprechen den Geheimschulen des Ostens, die durch uralte Überlieferung getragen wurden. Einzelerscheinungen wie Merlin, Agrippa von Nettesheim, Faust, Paracelsus 1, Cagliostro werden verlacht oder derart mit Sagen umsponnen, dass es kaum möglich ist, den wahren Kern von der Schale lügenhafter Zutat zu scheiden.
Der Gegenwart war es vorbehalten, die esoterische Wissenschaft weiter auszubreiten und einen inneren Zusammenhang in allen Ländern der Erde zu schaffen. Das trostlose Zeitalter des Materialismus, der religiösen und geistigen Anarchie scheint von den führenden Geistern überwunden, als notwendige Reaktion folgt ihr der Höhenflug der Geisteswissenschaften und der Mystik. Die nach Idealen durstende Welt saugt die Tropfen begierig auf, die aus den Geheimschulen durchsickern, und lechzt nach neuer Labung. Die Wissenschaft selbst kommt ihrer metaphysischen Schwester auf halbem Wege entgegen, Phänomene wie Hypnotismus, Somnambulismus und Magnetismus, seinerzeit als Wunder angestaunt, gehören heute nicht mehr zu den okkulten, sondern zu den exakt-wissenschaftlichen Fragen; Chemie und Physik erweitern durch Entdeckungen, wie die der Röntgenstrahlen und der Radio-Aktivität, die ans Mystische grenzen, ihr Gebiet. Sie erheben sich vom materiellen Versuch zu geistigen Höhen. Die durch die Lehre vom Greifbaren herangebildete Zeit verlangt auch für metaphysische Dinge den Beweis und sie wird ihn finden. So ist der Chela (Schüler) vorbereitet und der Guru (Lehrer) ist da.
Man wusste zwar schon von der Geheimlehre der Hindus durch Pythagoras, Bardesanes 2, einige Gnostiker und verschiedene Philosophen, wie den leuchtenden Turm der Gelehrsamkeit, Albiruni 3. Allein so recht in das Bewusstsein der Welt trat ihre Lehre erst durch die Taten der Engländer. Seit der Schlacht bei Plassey (1787) war halb Indien den Engländern anheimgefallen und nur wenige Jahrzehnte später schickten sich schon britische Forscher an, die indischen Schätze der Weisheit auszubeuten und auch für das Abendland nutzbar zu machen. Der Romantiker Friedrich Schlegel führte die Deutschen in das Studium jener Schätze ein. Jahrzehntelang tobte der Streit um den Wert der Hindu-Gedanken. Sehr bald aber erlangten diese einen maßgebenden Einfluss auf das deutsche wie überhaupt auf das europäische Geistesleben. — Wieder verfloss ein halbes Jahrhundert. —
Jetzt aber erkannten hervorragende Hindu die Zeit für gekommen, um mit ihren uralten Geheimlehren hervorzutreten und sie ihren „Brüdern im Westen“ zugänglich zu machen. Die erwachte Kulturwelt verlässt vereint die Streitgebiete der Erde, um die Gefilde eines geahnten luftigen Reiches zu erforschen, Aviatik der Geister, die mit den physischen Flugversuchen parallel geht. Ein dritter, höherer Plan schließt sich zum Ringe um die beiden anderen.
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