"Sie war total neugierig und hat bis spät nachts daran herum gebastelt. Sie hat mich bestimmt zehn Mal gefragt, was das eigentlich messen würde, dann musste ich ins Bett. Heute morgen hat sie mich noch mal gefragt. Ich wusste schon nicht mehr, was ich ihr antworten sollte. Zum Glück hat sie dann die Fragerei aufgegeben."
Ka seufzte. "Aber dafür muss ich jetzt das Unkraut zwischen dem Gemüse herausziehen. Ihr könnt mir dabei helfen."
Besonders begeistert sahen auch Sara und Lisa nicht aus beim Gedanken ans Unkrautjäten.
Sara blickte auf den Apparat in Kas Hand. "Hat deine Mutter ihn repariert?"
Ka nickte. "Ich glaube, ja. Sie hat einige Kupferdrähte wieder befestigt, einen neuen Draht eingezogen, zwischen zwei Kontakten, die nicht mehr verbunden waren, und die Mechanik überprüft und geschmiert. Zum Schluss war sie überzeugt, dass das Gerät jetzt fast wieder im Originalzustand ist, nur mit dem Draht war sie sich nicht sicher, wie dick er sein muss und ob sie das richtige Material verwendet hat." Nachdenklich fügte sie hinzu: "Elektrisch macht das wohl einen Unterschied. Weil alle anderen Kontakte verbunden waren, ist meine Mutter davon ausgegangen, dass auch die beiden nicht verbundenen Kontakte ursprünglich verbunden waren. Ganz im Inneren des Apparates hatte sie mir dann noch einen Bergkristall gezeigt, der halb in einen Stein eingeschlossenen war."
Nach einer kurzen Pause fuhr Ka grinsend fort: "Wozu das alles gut sein soll, hatte sie aber nicht entschlüsseln können. Am liebsten hätte sie wohl selber noch mit dem Apparat experimentiert, aber ich habe darauf bestanden, ihn heute wieder mitzunehmen."
"Und funktioniert er?" Lisa konnte es kaum erwarten, den Apparat zu benutzen.
"Bisher passiert gar nichts." Ka hatte den Apparat erst auf Lisa und dann auf Sara gerichtet. "Ihr beide seid zumindest ganz normal lebendig, aber vielleicht funktioniert der Apparat auch nur nicht. Hier unten am Apparat sind übrigens noch zwei kleine Rädchen, mit denen können wir wahrscheinlich die Feineinstellung des Detektors vornehmen. Jedenfalls meint das meine Mutter."
Sara sah sich den Apparat noch einmal genau an, und drehte ihn in alle Richtungen. Aber der Zeiger schlug nicht aus. Ka war enttäuscht. Nur Lisas Gesichtsausdruck wirkte fast erleichtert, da sie hinter den beiden stand, konnten Sara und Ka das aber nicht sehen. Etwas unsicher zupfte sie sich am Kleid.
"Lasst uns erst mal einen Kakao trinken, ich lade euch ein."
Gemeinsam gingen sie nach unten in die Küche und Lisa schenkte allen Kakao ein. Sie hatte eine große Menge in einer Karaffe im Kühlschrank stehen. Ka glaubte wieder etwas Blassgrünes unter dem Schrank zu sehen und ihr war, als ob kurz der Zeiger ausgeschlagen hätte, außerdem hatte sie ein Rascheln gehört. Sie wollte gerade dazu etwas sagen, als Sara ihre Gedanken unterbrach: "Ich muss noch Gemüse einkaufen auf dem Markt am Kanal, wir können da genauso gut mit der Suche anfangen wie irgendwo anders."
Ka vergaß das Rascheln; zwar war sie nicht ganz überzeugt, sie konnte sich keine Nachtgeschöpfe auf dem Markt vorstellen, aber was machte das schon? Das Wetter war immer noch schön und draußen war es angenehm warm. "Dann lasst uns gehen."
Lisa nickte. "Gut"
Lisa war zwar froh, das Haus zu verlassen, aber von der Idee, auf dem Markt zu suchen, war sie nicht begeistert. In ihren Gedanken formte sich wieder das Bild kleiner, blassgrüner Geschöpfe, aber das war ihr Geheimnis, zumindest noch. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, hatte sie zugestimmt. Ka und Sara bemerkten nur, dass sie etwas unsicher lächelte, dachten darüber aber nicht weiter nach.
Sie stellten die Gläser in die Spüle und liefen den Weg ums Haus herum zum Vordereingang, von da führte ein Pfad zur Straße.
Keine von ihnen bemerkte die dunkelrot glühenden Augen, die ihnen aus dem schwarzen Dunkel eines großen Busches heraus nachsahen, als sie den Garten durchquerten.
Auf der Straße war niemand zu sehen. Ka fand es fast unheimlich still für einen Nachmittag in der Stadt.
Nur der Wind war zu hören.
Ein Eichhörnchen lief über den schwarzen Asphalt und sah sie kurz an. Als sie sich näherten, rümpfte es die Nase und verschwand in einem Vorgarten. Sie lachten.
Lisa war die ganze Zeit so aufgeregt, dass sie mehr hüpfte als ging.
Der Markt war nicht weit. An einer Straßenecke begegnete ihnen ein junges Paar mit Kinderwagen. Ka überprüfte sie unauffällig mit dem Untot-Detektor. Die drei waren aber alle lebendig, auch das Kleine im Kinderwagen.
Lisa blickte dem Kinderwagen nach. "Ganz kleine Kinder sehen fast aus wie Marsmenschen."
Sara verdrehte die Augen: "Sicher."
Lisa ließ sich davon aber nicht abschrecken. "Ich habe einmal eine Fernsehdokumentation darüber gesehen."
Sara grinste. "Über Kinder?"
"Nein, über Marsmenschen, die haben auch so einen großen Kopf."
Sara schüttelte den Kopf. "Es gibt keine Marsmenschen."
Lisa sah Sara mit großen Augen an. "Ich weiß, aber wieso sehen dann nicht-existente Marsmenschen aus wie kleine Kinder?"
Darauf wussten weder Ka noch Sara eine Antwort.
Einen Augenblick lang schwiegen alle.
Dann kamen sie zum Markt.
Ein Auto hupte sie an, als sie die Straße überquerten. Ka verlangsamte bewusst ihr Schritttempo. Lisa war das sichtbar unangenehm, doch sie wollte auf keinen Fall vor ihren neuen Freundinnen als feige dastehen. Also ging auch sie langsamer, was aber dazu führte, dass sich ihre Füße irgendwie ineinander verhedderten. Sie musste sich auf dem Kühlerblech abstützen, um nicht hinzufallen. Ka und Sara lachten. Der Autofahrer hupte jetzt wie wild. Schnell zogen Ka und Sara Lisa zum Bürgersteig und tauchten in der Menge unter.
Der Markt, der sich am Kanalufer entlang zog, war überfüllt, der Lärm der Menge übertönte alle anderen Geräusche. Ka mochte den Geruch von Käse und Fisch vermischt mit dem Geruch des Kanals.
Sara hasste Menschenmengen, sie versuchte möglichst zwischen den Leuten durchzutauchen, ohne jemanden zu berühren um den nächsten Gemüsestand zu erreichen. Ka und Lisa störte das Gedränge nicht.
Das Gemüse sah einfach fürchterlich aus, ein großer Teil war völlig verschrumpelt. Normalerweise war das Gemüse hier frisch.
Sara war gerade dabei, sich einige gut erhaltene Gurken und Paprika zwischen den Vertrockneten und Verfaulten herauszusuchen, als Ka sie anstieß. "Der Detektor spielt völlig verrückt."
Ka drehte sich mit dem Gerät mehrfach um die eigene Achse, seitdem sie hier waren, schlug der Zeiger die ganze Zeit aus, egal in welche Richtung sie ihn hielt. Sara griff schnell noch nach einer letzten Gurke und ließ sie fallen. Irgendetwas hatte gefiept und sich unter den Gurken bewegt. "Ratten", Sara spannte ihren Körper an, einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle sie den Ratten nachsetzen.
Doch Ka war nicht davon überzeugt, dass dies Ratten waren, sie glaubte wieder etwas Blassgrünes gesehen zu haben. Langsam wurde das zu einer fixen Idee, wahrscheinlich bildete sie sich alles nur ein. Sie wollte das gerade genauer untersuchen, als Lisa sich zu ihr umwandte, auch ihr schien der Aufenthalt auf dem Markt auf einmal unangenehm zu sein: "Lass uns doch etwas Abstand vom Markt halten, vielleicht funktioniert das Gerät dann besser." Ka fiel auf, dass Lisas Stimme zitterte. Sara, der es immer noch viel zu voll war auf dem Markt, trotz der Ratten, die sie scheinbar als interessante Ablenkung ansah, war Lisas Vorschlag natürlich recht. Ka wurde überstimmt.
Sara bezahlte schnell ihr Gemüse und zog Ka dann mit in Richtung der Brücke über den Kanal.
Etwas abseits in der Nähe der Brücke am Kanalufer blieben sie stehen, hier war es ruhiger und Ka konnte in Ruhe den Detektor überprüfen. Der Detektor schlug nur aus, wenn sie die Antenne auf den Markt ausrichtete. Sie fluchte: „Gemüse-Detektor."
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