Philip brachte eines Tages von seinem Kollegen Jan eine riesige, noch junge Rassenkatze mit. Leider harmonisierte es zwischen dieser und den unsrigen überhaupt nicht und so gab er sie wieder zurück. Opa schenkte uns eine Schildkröte. Sie hiess „Charlie“, doch die Faszination hielt nicht lange an, weil man mit einer Schildkröte nicht viel unternehmen kann. Unser Hund „Rex“ drehte sie gerne immer wieder Mal auf den Rücken, mithilfe seiner Schnauze. Ab und zu liessen wir „Charlie“ in der Wiese umherlaufen und auch „Rex“ tollte dort herum und beim Spurten verletzte der Hund unabsichtlich mit seiner Kralle den Panzer von „Charlie“. Er blutete an seinem Hinterteil, das arme Tier. Mein Vater wollte dann Charlie im Bach ersäufen. Er hielt ihn minutenlang unter Wasser, doch die Schildkröte wollte nicht ertrinken. Ich weiss nur noch, als „Charlie“ dann doch noch starb, vergrub ihn mein Vater in der schon geöffneten Grube für die Platte des Blitzableiters. Jedes Mal, wenn es im Sommer blitzte und donnerte, dachte ich an den armen „Charlie“, der da lag und brutzelte.
Die Zeit in dem Einfamilienhaus genoss ich schon sehr, vor allem die Natur rundherum. Ich ging oft in den Wald, dem Wanderweg entlang über kleine Brücken, Treppen hoch und runter, es war einfach wunderbar, so menschenleer. Oberhalb des Waldes befand sich ein Reservoir, das oft mein Ziel war. Das Bächlein hinter unserem Haus floss in Form einer Schlaufe am Grundstück vorbei und so entstand ein natürliches Inselchen auf unserer Seite. Dort baute mein grosser Bruder und ich eine kleine Holzhütte. Auf der anderen Seite des Baches stand ein kleiner Hühnerstall und weil er abgeschlossen war, zwängte ich mich durch eine winzig kleine Falltür, die sich unter dem Häuschen befand hinein, nach oben. Später erfuhr ich, dass sie früher durch das Loch den Hühnermist hinunter stiessen. Im Hotel Sonne gab es auch viele Räume zu entdecken. In einem kleinen Saal stand ein „Fussballkasten“ mit dem ich oft gegen Philip spielte und einmal gegen Cousin und Cousine. Oma zeigte mir einen ganz bestimmten Raum, in welchem sie viele Spielsachen von ihren Kindern aufbewahrte, darunter ein Schlagzeug. Dieser Raum liess mich nicht mehr los und eines Tages, als meine Grosseltern in die Ferien fuhren und das Hotel geschlossen war, stieg ich unerlaubt über das Dach durch ein offenes Fenster ein. Mich erwischte fast ein Maler, der dort arbeitete und ich konnte gerade noch abhauen.
Wie erwähnt, hatte mir Opa sein altes Klavier geschenkt. Oma finanzierte die Klavierstunden. Ich mochte am Liebsten Lieder spielen, die nicht jeder konnte, doch die Stücke die ich dort lernen musste motivierten mich nicht sonderlich und so erfand ich doch viel lieber meine eigenen Stücke. Immer spontan und immer wieder anders und neu. Nach drei Jahren Unterricht, so glaube ich, starb die Lehrerin oder so. Ersatz kam nicht und mein Talent war nun durch den fehlenden Unterricht unterdrückt. Und sowieso, meine Mutter hatte mein Klavier verbrannt, in unserer Heizung. Ich war entrüstet! Wie konnte sie mir das antun! Warum tat sie das? Der Grund, wir hatten kein Geld für Heizöl und darum verbrannte sie so einiges, was aus Holz bestand. Mein Klavier? In ihren Augen entbehrlich. Damit war meine Musikkarriere wohl endgültig beendet. Dafür malte meine Mutter jene Instrumente auf die Wand neben der Holztreppe, nachdem Philip die Wand verkotzte. Eine Gitarre, eine Flöte und eine Mundharmonika, die an ein Klavier erinnerte. Doch bevor sie so Allerlei verbrannte, saugte sie mit dem Staubsauger, das noch wenige Öl des einen Tanks, in den anderen. Der Staubsauger machte dies jedoch nicht lange mit, obwohl es auch ein „Nasssauger“ war.
In den Schulferien besuchte mich ab und zu meine Schulfreundin Susanne. Im Winter rutschten wir jeweils mit unseren Brettern den Hang hinunter, denn gleich neben unserem Haus stand Opas Pony-Skilift. Das machte echt Spass. Einmal sah ich, wie sich ein kleines Mädchen ihr Bein brach, nur weil ihre Grosseltern, im Camping beherbergt, unbedingt wollten, dass ihr Enkelkind Ski lernte. Der Opa rief ihr unten am Hügelchen zu: „Fahr endlich!“ Das Mädchen, durch Angst völlig verkrampft, unterzog sich dem psychischen Druck und stiess mit den Skistöcken leicht ab, fuhr drei bis vier Meter, flog in Zeitlupentempo in den Schnee und heulte. Ihr Grossvater lief hoch und schaute was da war. Das Mädchen blieb eisern liegen und ihr Grossvater wollte ihr beim schmerzenden Bein den Skischuh ausziehen. Mein Opa kam hinzu und intervenierte energisch, erklärte mit aller Deutlichkeit, dass man nie am Unfallort den Skischuh entfernen dürfe. Er holte einen Schnee-Bob und eilte mit dem Mädchen zum Arzt. Ich erfuhr, was sich schon vor Ort bestätigte, dass sie ihr Bein gebrochen hatte. Meine Mutter wusste, wenn Susanne in die Ferien kam, brauchten wir viel, viel mehr zu trinken „Harrassweise“. Weil meine Freundin bei sich zu Hause einzig Milch, Tee und im Herbst Apfelsaft genoss, waren „Coca Cola“, „Orangina“, „Rivella“, „Grapefruit“ und so weiter, eine geliebte Abwechslung. Mit Susanne erlebte ich so einiges. Nachdem wir die Fernsehsendung „Akte XY“ gebildschirmt hatten. Getraute sie sich nicht mehr nach Hause. Meine Mutter und ich begleiteten sie ein grosses Stück. Ein andermal wollten wir in einen Wohnwagen einbrechen, der zum Überwintern in der „Sonne“ eingestellt wurde. Der Grund dafür war, dass es immer tolle Sachen darin gab, wie Spiele zum Beispiel. Wir versuchten es schliesslich über die Dachluke, doch ich konnte diese nicht aushängen und so blieb die Öffnung zu klein um einsteigen zu können. Wir waren so frustriert, dass ich auf die Idee kam, ich könnte eine Flüssigkeit die in der Nähe in einem weissen grossen Behälter war, einfach durch die Luke in den Wohnwagen leeren. Keine Ahnung was das für ein Mittel war. Gesagt, getan und als wir uns dann davon machten, sagte ich beim Abschied noch zu Susanne: „Stell dir vor, wenn das nun Benzin war und der Mann heute zu seinem Wohnwagen kommt, ihn öffnet, mit einer Zigarre oder Zigarette im Mund, dann explodiert das Ganze!“ Susanne überfiel solche Angst, dass sie sich nicht mehr nach Hause getraute. Das schlechte Gewissen plagte sie. Ich musste sie wieder beruhigen. Diese Tat blieb nicht unbemerkt. An einem Sonntag nahm mein Vater meine Turnschuhe mit, um die Fussspuren, die auf dem Wohnwagendach wegen der Flüssigkeit entstanden zu vergleichen. Meine Mutter war entsetzt, dass er mich überhaupt verdächtigte. Mir wurde natürlich mulmig und ich erwartete das Schlimmste. Doch er konnte mit meinen Turnschuhen nichts anfangen und so blieben die Täter im Dunkeln. Monate später wurde es einem Teenager angehängt, der zu den Campern gehörte. Ich hatte kein schlechtes Gewissen deswegen, weil der Junge wirklich krank war, band er im Bächlein an Schnüren vier Forellen um den Bauch an, die dann qualvoll starben. Er wurde dann mitsamt seinen Eltern vom Campingplatz verwiesen.
Wenn ich Susanne besuchte, kam ich meistens mit einer Schramme nach Hause. Auf einer Weide flohen wir vor einem Stier und schafften es gerade noch, indem wir den „Fitzdraht“ gerade noch erreichten und uns unten durch retteten. Hannelore war Susanne`s grössere Schwester, mit der ich mich auch sehr gut verstand. Ihr gehörte ein Pony. Sie wollte unbedingt, dass ich auch auf ihm reite. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen, denn man setzte mich schon vor Jahren auf ein riesiges Pferd, als ich Ferien bei Emma`s Bruder verbrachte und führte mich umher, gegen meinen Willen. Ich liess mich überreden und sass auf. Das Pony war so fett, sodass ich glaubte einen Spagat machen zu müssen. Es wollte nicht gehen und bockte wie ein Esel. Ich hatte Angst heruntergeworfen zu werden, auf die Strasse. Dazu kam es Gott sei Dank nicht. Ich habe bis heute keine Freude an den grossen vierbeinigen Tieren.
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