„Larah, Ben, sehr gut. Das war eine überzeugende Zeit. Piet, Nils und Jost. Gut.“ So geht es weiter. Bis er Barbie-Ken ansieht. „Mark, das war nichts. Du bist viel zu schnell gestartet. Nimm dir ein Beispiel an Ben oder Larah. So teilt man sich seine Kräfte ein.“ Ken-Mark schaut echt böse in meine Richtung. Was kann ich denn dafür?
Unser Lehrer klatscht in die Hände. „So, weiter geht’s. Fußball.“ Er hebt einen Schwung Leibchen auf und verteilt sie im Kurs. Larah und ich bekommen eines. Mark-Ken nicht. Unsere Gruppe stellt sich zusammen.
Piet übernimmt das Kommando. Alle lassen sich das gefallen, also scheint er als Fußballer anerkannt zu sein.
„Du, Neuer, spielst du Fußball?“ Ich zucke mit den Schultern. „Gelegentlich.“
„Okay, dann gehst du in die Verteidigung.“
„Larah, richtig? Wie sieht es bei dir aus?“
„Verteidigung.“
„Okay, dann verteilen wir uns so.“
Schnell hat er seine Mannschaft aufgestellt.
Zwei Minuten später ist Anpfiff. Das Spiel ist ausgeglichen. Piet ist echt gut. Er spielt im Mittelfeld und passt geschickt zu seinen Leuten. Aber auch im Abschluss ist er fähig. Bald führen wir 2:0 dank seiner Tore.
Ken-Mark, nein Mark, bekommt den Ball. Er wirkt schon etwas angepisst. Nicht komplett sauber schafft er es, an einem unserer Mittelfeldspieler vorbei. Er spielt recht „körperbetont“, fällt mir auf. Herr Bilsbeck lässt das Spiel weiterlaufen. Larah greift ihn von der Seite an. Obwohl sie mindestens zwanzig Kilo leichter ist, lässt sie sich nicht beirren. Ohne zu zögern attackiert sie Mark. Im Gerangel rempeln sie sich an. Beide gehen zu Boden. Mark dreht sich und springt auf die Beine. Der ist schnell. Aber er kann nur noch verdattert sehen, dass Larah schon längst wieder steht und sich den Ball geschnappt hat. Sie jagt davon. Verfolgt von Mark. Von einem wutschnaubenden Mark. Trotzdem sie den Ball führt, macht sie echt Meter gut. Fix ist sie in der gegnerischen Hälfte. Sie schiebt den Ball zu Piet und der flitzt davon. Mark aber hält weiter auf sie zu. Er ist so sauer, dass er sie völlig regelwidrig in den Boden rammen will. Als hätte sie im Hinterkopf Augen weicht sie im richtigen Moment aus und Marks Angriff verpufft wirkungslos, dafür stolpert er und legt sich lang.
Mit stoischer Miene läuft sie zurück auf ihre Seite. Mark muss aus der Grasnarbenperspektive mitansehen, wie Piet mit einem Fernschuss das Ei zum 3:0 ins Nest legt.
Umringt von den anderen Stürmern unseres Teams läuft er zu Larah und klatscht sie ab. Fairer Sportsmann, er weiß, wem er die Vorlage zu verdanken hat.
Kurze Zeit später ist das Spiel vorbei. Auf dem Weg zum Spielfeldrand bekomme ich plötzlich einen Schlag in den Rücken. Ich lande auf dem Bauch. Gehässig grinsend schaut Mark auf mich runter. Ein greller Pfiff ertönt.
„MARK! WAS SOLL DAS?“
„Herr Bilsbeck, was kann ich dafür, wenn der Idiot über seine Füße stolpert?“
Der Lehrer öffnet gerade seinen Mund, als sich ein Fuß von Larah zwischen Marks Füße schiebt. Ein kurzer seitlicher Schlenker und Mark gerät ins Straucheln. Und landet ebenfalls auf dem Bauch. Wer nicht genau hingesehen hat, konnte das kaum erkennen. Mit unbeteiligter Miene und weiterhin hinter dem Rücken verschränkten Händen geht sie an dem Gestürzten vorbei. Sie gibt vor, die ganzen feixenden Gesichter nicht zu sehen.
Ich stehe auf und folge ihr zu den Umkleiden. Auf dem Weg legt sich eine Hand auf meine Schulter. Piet.
„Gut gespielt, Ben. Und lass dich von dem Arsch nicht ärgern.“ Ich nicke.
„Spielst du aktiv?“, frage ich ihn.
Er nickt. „Ja, Jugendauswahl.“
„Oh, Respekt, Mann.“ Er hält mir die Hand hin und ich schlage ein.
Lächelnd nickt er in Richtung Larah. „Sie ist aber auch nicht ohne. Wie sie Mark den Ball abgenommen hat. Und das gerade eben. Wir sollten sie uns warmhalten.“
Lachend stimme ich ihm zu. Larah ist tatsächlich eine Schau. Geheimnisvoll, aber anscheinend nicht so leicht einzuschüchtern. Und schnell.
Zwei andere Spieler gesellen sich zu uns. Umringt von ihnen, fühle ich mich aufgenommen. Ich merke, wie sehr es mich freut, akzeptiert zu werden. Mein Blick schweift zu Larah, die gerade in der Mädchenumkleide verschwindet. Sie geht alleine vom Platz. Trotzdem wirkt es so auf mich, als wenn es genau das ist, was sie will. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum sie Mark zu Fall gebracht hat. Als wollte sie mich rächen. Und wie geschickt sie vorgegangen ist. Werde mal einer schlau aus den Frauen …
Akzeptanz
Ben
Früher war ich beliebt. Ich hatte viele Freunde. Das hat sich vor einigen Monaten schlagartig geändert. Ich war nie ein Einzelgänger. Nie so wie Larah es anscheinend ist. Das nagt sehr an mir. Deshalb freut es mich, dass Larah mich von Anfang an unterstützt hat. Ja, ich habe sehr wohl erkannt, dass es sie nervt, angesprochen zu werden. Aber sie ist ebenfalls neu. Irgendwie bin ich der Ansicht, das verbindet uns. Die Angriffe von Mark und seiner Clique in der ersten Zeit hier am Gymnasium haben mir schwer zu schaffen gemacht. Ich war noch nie in einer Situation, in der ich ohne Freunde dastand. Umso mehr war ich überrascht, dass ausgerechnet die abweisende Larah zu meiner „Ehrenrettung“ herbei eilte. Und dass ein paar der anderen Sportler mich in ihre Mitte nahmen und mich auf dem Platz so gegen weitere Attacken durch Mark schützten. Ganz leicht keimt Hoffnung in mir auf, hier doch noch Freunde zu finden.
In den Tagen nach dem Sport-LK finde ich immer mehr Anschluss an Piet und seine Clique. Leute wie Mark finden dort keinen Einlass. Traurig bin ich deswegen kein Stück. In den Pausen bin ich bei ihnen. Diese Gruppe bietet mir Schutz. Mark hat keine Gelegenheit mehr, mich anzumachen. Ich habe den Verdacht, dass Piet dieses Ziel verfolgt, denn er macht sehr deutlich, dass Feinde von Mark seine Freunde sind. Unweigerlich kommt die Sprache auf Larah.
„Kennst du sie?“, werde ich gefragt.
„Nein. Wir haben ein paar Kurse zusammen und sitzen nebeneinander. Aber sie erzählt nichts.“
„Ja, schon komisch. Sie ist immer alleine. Mit den anderen Mädchen hatte sie nichts zu schaffen. Erst die letzten Tage hat sie mehr Kontakt. Und sie trägt immer langarmige Sachen, auch wenn es warm ist.“
Einer aus der Gruppe grinst breit. „Habt ihr schon mal ihren Blick gesehen, wenn sie wütend wird? Ich hab miterlebt, wie sie Mark abgebügelt hat. Der hat sie angefasst und wollte ihr einen reindrücken. Sie hat seine Hand gepackt. Sofort bekam Mark Augen wie Suppenteller und ging in die Knie. Sie hat ihm ein paar Worte zugezischt. Verstanden habe ich nichts. Aber Mark ist danach abgedampft, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Seitdem macht er einen großen Bogen um sie.“
„Jepp, Angst hat sie nicht. Als sie Mark auf dem Platz angegriffen hat, habe ich nur gedacht: ‚Oh Scheiße, gleich rammt Mark sie unangespitzt in den Boden.‘ Er ist doch viel schwerer. Aber drauf geschissen. Mark verliert den Ball. Gegen ein Mädchen!“ Laut beginnt die Gruppe zu lachen. Weil einige von uns dabei in seine Richtung schauen, ist ihm natürlich sofort klar, weswegen wir lachen. Und über wen. Er wird rot vor Wut. Sein Blick wandert von uns zu Larah. Mir vergeht das Lachen, als ich sehe, wie er sie anschaut. Nicht nur ich bemerke das.
„Scheiße.“, murmelt Piet. Er dreht sich zu uns.
„Leute, lasst uns ein Auge auf Larah haben. Ich möchte nicht, dass Mark sich an ihr rächt.“ Alle nicken zustimmend. Ich habe meine Zweifel, ob Larah das gut finden würde. Diese Clique gefällt mir. Hier herrscht offenbar Zusammenhalt.
Annäherung
Larah
Ich habe das Bedürfnis, mich mit Mom auszuquatschen. Sie soll mir helfen zu verstehen, warum ich Mark zu einer nahen Besichtigung des Sportplatzrasens verholfen habe. In den letzten Jahren hat es mich nie interessiert, was mit Anderen geschieht. Oder nein. Interessiert hat es mich schon, aber ich bin nie eingeschritten. Mom nimmt mich fest in den Arm.
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