„Sehr verehrte Gäste. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Susanna Martin und ich bin Ihre Reiseführerin hier an Bord. Wenn Sie Fragen zu unserem Landausflug, zu Land und Leuten oder unserem Unterhaltungsprogramm auf dem Schiff haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an mich.” Als die junge Frau sich vorgestellt hatte, schenkte sie den Passagieren ein umwerfendes Lächeln, was Christian völlig aus der Fassung brachte. Wie vom Blitz getroffen, klatschte ihm das Sektglas aus der Hand.
„IIIIIIIIIIIIE IGITT, IGITT!” Sondras Gekreische holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Der gesamte Sekt war in ihren Schoß geflossen und hatte einen dunklen klebrigen Fleck auf dem teuren Kleid hinterlassen. Oh Mist! Das gab Ärger.
„Was für eine Katastrophe! Das ist nicht wieder gutzumachen.” Sondra war einem Nervenzusammenbruch nahe. Ihr Kleid war ruiniert, und der Abend sowieso. “Gott Christian, bist du nicht mal in der Lage, ein Sektglas fest im Griff zu haben?”
„Das tut mir ja auch leid.” Christian hatte eine Serviette gegriffen und tupfte damit in Sondras klitschnassem Schoß herum.
„Meine Dame, haben Sie ein Problem? Kann ich helfen?” Ausgerechnet der Auslöser von Christians Missgeschick hatte sich zu ihnen gesellt und schenkte Sondra ein bedauerndes Lächeln, was diese erst recht auf die Palme brachte. „Ich brauche Ihre Hilfe nicht! Mein Freund kümmert sich schon darum. Oder wollen Sie mir etwa zwischen die Beine greifen?”, blaffte sie.
Die Nähe der bezaubernden Reiseleiterin ließ Christians Verstand komplett auf Wanderschaft gehen. Selbstvergessen starrte er die Blondine an, während seine Hand immer noch Sondras Schoß rieb.
Wie viele Nächte hatte sie in diesem Jahr schon allein verbracht? Kein Wunder, dass diese streichelnde Hand ihre Körpersäfte fließen ließ. Sie konnte gar nicht anders reagieren als ihre Beine ein bisschen weiter auseinander zu schieben und unanständig zu keuchen anzufangen.
Es war selbst für eine Jungfrau nicht schwer zu erkennen, was in ihr vorging. Susanna spürte ein wenig Enttäuschung in sich aufsteigen. Die beiden waren ganz offensichtlich ein frisch verliebtes Paar, das die Finger nicht voneinander lassen konnte.
Schade eigentlich. Aber auch wieder gut auf der anderen Seite. So kam sie wenigstens nicht in Versuchung.
Unter anderen Umständen hätte ihr der Mann gefallen können. Er war trotz seiner schäbigen Jeans und den unpassenden T-Shirt ausgesprochen attraktiv. Doch Susanna hatte sich noch nie mit einem ihrer Reisegäste eingelassen. Gut, die meiste Zeit waren ohnehin nur Männer an Bord, die entweder verheiratet, zu alt, zu jung, am falschen Ufer beheimatet, fünf Kinder oder einen anderen Schönheitsfehler hatten. Aber manchmal kamen auch Gruppen von Reisenden, die das ein oder andere Sahneschnittchen hervorzauberten. Für Susanna hatte jedoch immer der Grundsatz gegolten, die Arbeit nicht mit dem Vergnügen zu mischen. Denn ihren Job wollte sie auf keinen Fall riskieren. Immerhin musste sie noch ein paar Brötchen verdienen, bevor sie ihr Studium der Veterinärmedizin antreten konnte. Dann konnte sie sich wenigstens komplett auf ihre Ausbildung konzentrieren und musste nicht zwischen den Lesungen darüber nachdenken, wie sie über die Runden kam. Sondra merkte, dass Christians Blick etwas Verklärtes, geradezu Lüsternes angenommen hatte. Nur leider heftete dieser geile Blick nicht auf ihr, sondern auf der blonden Püppi, die aussah, als wäre sie gerade erst den Windeln entstiegen. So eine Frechheit! Das schlug dem Fass doch den Boden aus! In Sondras Gehirn tobte ein regelrechtes Gewitter. Sie hatte kaum noch die Kontrolle über ihren bebenden Körper. Am liebsten hätte sie jetzt zum Rundumschlag ausgeholt. Erst wollte sie dieser lästigen Tussi kräftig auf die Nase boxen. Dann würde diese wenigstens farblich zu ihren rougebedeckten Wangen passen. Christian hatte ebenfalls eine erschütternde Ohrfeige verdient. Vielleicht würde so wieder etwas Verstand in sein umnebeltes Gehirn gelangen. Ein Bernhardiner sabberte garantiert weniger als ihr bester Freund im Moment. Sondra traten vor Wut die Tränen in die Augen, was der glubschäugige Barkeeper Arnie bemerkte. Er zog sofort die falschen Schlussfolgerungen daraus. Natürlich weinte die arme Frau, weil sie nun ihren edlen Haussekt nicht genießen konnte. Dieses sündhaft teure Gesöff konnte man sich als Normalsterblicher kaum leisen, es sei denn, man wollte sein Urlaubsbudget schon am ersten Tag überziehen, oder man hatte einfach zu viel Geld auf dem Konto. Aber so sah die Dame mit dem billigen Kleid nun wirklich nicht aus. Kein Wunder also, dass sie jetzt der verpassten Gelegenheit nachtrauerte, das edle Getränk zu schlürfen. Das konnte Arnie nicht zulassen. Er war schließlich für das Wohl der Passagiere zuständig! Zum Glück konnte er in diesem Fall schnell Abhilfe schaffen.
Da Christian keine Anstalten machte, seinen Blick von der Reiseleiterin loszureißen, erhob Sondra schließlich die Hand. Aber anstatt Susannas Nase, hielt sie plötzlich ein volles Sektglas in der Hand, das ihr der aufmerksame Barkeeper hineingedrückt hatte.
“Fräulein, Sie brauchen nicht untröstlich zu sein. Hier haben Sie ein neues Glas unseres köstlichen Empfangssekts. Wohl bekommt`s.”
Sondra hätte beinahe zu schreien angefangen. Was sollte sie denn mit diesem dämlichen Sekt? Davon hatte ihr Körper doch schon genug abbekommen.
Sie musste hier weg, und zwar schnellstmöglich und mit Christian! Dieses Dinner hatte sich zum kompletten Reinfall entwickelt. Aber vielleicht konnte sie den Abend noch retten. Denn in ihrem leidgeplagten Gehirn hatte sich plötzlich eine Idee festgesetzt.
Sie musste sofort in ihre Kabine und sich von ihren klebrig-nassen Klamotten befreien, und das betraf natürlich auch ihre eingeweichte Unterwäsche. Dann hatte sie die perfekte Gelegenheit, sich Christian in ihrer ganzen nackten Prächtigkeit zu präsentieren. Na, wenn dann mal nicht die Hormone mit ihm durchgehen würden…
Momentan schien er allerdings spitzer auf die kleine Blonde zu sein, aber das war sicherlich nur eine geistige Umnachtung. Wenn er erst mal eine richtige Frau vor Augen hatte, würde die minderjährige Reiseleiterin mit Sicherheit vergessen sein! Es durfte nicht sein, dass ausgerechnet dieses Püppchen alles zunichtemachen würde. Immerhin hätte es Sondra beinahe die letzte Gehirnzelle gekostet, sich diesen genialen Plan auszutüfteln und Christian auf dieses Schiff zu locken. Sie hatte sich doch vorher erkundigt und herausgefunden, dass nur der “Club der Volksolidarität” an Bord sein würde. Also nichts, was das Blut ihres Freundes in leidenschaftliche Wallung bringen konnte.
Bei ihrer Schnüffelei hatte sie ihr schauspielerisches Talent aufblitzen lassen und die Angestellte im Reisebüro dermaßen belogen, dass sie sich schon selbst wunderte, keine lange Nase bekommen zu haben. Sondra hatte behauptet, dass ihre Oma zum ersten Mal eine Kreuzfahrt machen wollte, aber Angst hätte, lediglich auf wilde Partygänger oder lärmende Kinder zu treffen. An diesem Punkt hatte die hilfsbereite Mitarbeiterin freudestrahlend eine spezielle Seniorenreise herausgesucht. Bei dieser Kreuzfahrt sollten ausschließlich ältere Herrschaften an Bord sein. Da konnte nichts schiefgehen. Sondra hatte daraufhin versprochen, ihrer Oma die Reise schmackhaft zu machen und sich selbstverständlich nie wieder im Reisebüro blickenlassen. Stattdessen hatte sie die Seniorenfahrt für sich und Christian im Internet gebucht. Hier war sie wenigstens vor dummen Fragen sicher gewesen.
Es hatte ja auch alles soweit perfekt geklappt. Keiner hatte ihr versucht, die Buchung auszureden. Christian hatte sich auf das Schiff locken lassen, und die Passagiere entsprachen ihrer Vorstellung von alt und unattraktiv.
Dass die Reiseleiterin dermaßen jung und blond war, hatte sie allerdings nicht erwartet. Aber gut, davon ließ sich eine Frau mit einer Mission nicht aus der Ruhe bringen. Sondra hielt entschlossen ihre Nase hoch. Dieses kleine Hindernis würde sie bald aus dem Weg geräumt haben.
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