„Hallo Bruderherz“
Tau jr. erwidert ihre Begrüßung jedoch nicht. Er wirkt wie ein Angeklagter, der kurz vor der Verkündung des Schuldspruches vor einem Richter steht. Felicia hat nicht die Zeit, diesen Eindruck zu hinterfragen, denn als er das Plakat, das er die ganze Zeit in seinen Händen hält, vor ihr ausrollt, erfriert Felicias Lächeln im selben Moment. Sie nimmt die wärmenden Sonnenstrahlen des Frühlings nicht mehr wahr. Sie steht wie paralysiert vor Tau jr. und starrt auf das Plakat eines Fußball-Benefizspiels, das am morgigen Tag im Ellis Park Stadium stattfinden soll. Die Orlando Pirates spielen gegen eine Auswahl ehemaliger Stars. Anpfiff ist am frühen Nachmittag. Felicia weiß in diesem Moment, dass sie dort sein wird. Dort sein muss. Sie kann nicht anders.
Wie ferngesteuert geht sie wortlos an ihrem Bruder vorbei und schließt die Türe auf. Es ist, als ob sich der Nebel um vergangene Tage mit jedem Schritt verflüchtigt. Der Schleier fällt und die Erinnerungen sind da. An die vielen glücklichen Tage ihrer Kindheit und Jugendzeit.
Aber mit den glücklichen Tagen kehrt auch die Zeit der Trauer zurück, die Zeit der unendlichen Verzweiflung, der vielen offenen Fragen. Sie hatte sich damit abgefunden, niemals Antworten auf ihre Fragen zu erhalten, als er vor drei Jahren für tot erklärt wurde. Doch nun ist sie wieder da, die Hoffnung, an der sie so lange festgehalten hat. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, eine der Weisheiten ihrer Mutter. Aber sie hat sie doch vor drei Jahren endgültig begraben. Die Hoffnung, die ihr so lange Kraft gegeben und sie am Ende doch nur noch gequält hat. Sollte sie sie wirklich wieder in ihr Leben lassen? Oder ist diese Namensgleichheit doch nur ein schlechter Scherz des Schicksals, um ihre alten Wunden wieder aufzureißen?
Tutu umarmt seine Mutter, wie er es jeden Tag tut. Das untrennbare Band zwischen den beiden. Sie hält ihn fest, für einen Moment zu lange. Tutu spürt, dass heute irgendetwas passiert sein muss. Doch er stellt die Frage danach nicht. Er weiß, dass sie ihm sagen wird, was er wissen muss, wenn es soweit ist. Alles andere ist unwichtig. Felicia weiß um dieses blinde Verständnis zwischen ihnen beiden und beim Gedanken daran, wie sehr er auch in dieser Hinsicht seinem Vater gleicht, kann sie die Tränen nur schwer zurückhalten.
„Morgen gehen wir zusammen zu diesem Fußballspiel. Das Benefizspiel im Ellis Park Stadium.“
Dieser Satz kommt ohne Vorankündigung zwischen zwei Bissen Apfelkuchen. Tutu fragt auch jetzt nicht nach, obwohl er seine Neugier kaum bremsen kann. Das Benefizspiel. Warum will sie das Spiel sehen? Ihm ist klar, dass sie weiß, wie sehr er Fußball liebt, aber sie ist noch nie zu einem Spiel mit ihm gegangen. Tutu dagegen hat kein Heimspiel der Orlando Pirates, gegründet 1937 als Orlando Boys Club, dem ältesten Verein des Landes, verpasst, seit er zwölf Jahre alt war. Der Verein lässt Kinder und Jugendliche ohne Eintritt ins Stadion. So war es nie eine Frage des Geldes, Fan der Pirates zu sein. Felicia hat seine Leidenschaft immer unterstützt, ihn immer machen lassen, aber dabei war sie nie. Warum jetzt? Warum dieses Benefizspiel, bei dem es um nichts geht? Aber trotzdem freut es ihn irgendwie, dass sie ihn begleiten will.
Die gedankliche Abwesenheit seiner Mutter, seit sie über die Türschwelle kam, ist ihm nicht entgangen, deshalb lässt er sie jetzt in ihrer Gedankenwelt. Schweigend genießen sie im Garten die letzten Sonnenstrahlen des Tages, der Kuchen schmeckt vorzüglich. Insofern ist es nicht schwierig, keine weiteren Fragen zu stellen. Als sich Tutu in den Abend verabschiedet, erhält er nur ein stummes Nicken zurück. Er geht und Felicia ist längst abgetaucht in die Welt ihrer Vergangenheit.
Strelitzia. Der Name hat noch immer eine magische Wirkung auf sie. Die Tränen laufen ihr jetzt sanft über die Wangen. Kann es wirklich sein, dass er es ist?
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