»Das ist doch ganz unmöglich, wenn du dabei bist!«
»O, es ist sehr leicht möglich. Du brauchst ja nur die Worte so zu setzen, daß ich sie nicht verstehe, er aber den Sinn derselben doch begreift.«
»Ein solcher Wortkünstler bin ich nicht, Effendi. Laß dich erweichen! Du bist ein Christ!«
»Ja, jetzt berufst du dich auf meinen Glauben, früher aber hast du ihn verspottet. Ein Moslem würde sich freilich nicht erweichen lassen.«
»Aber du! Ich werde so langsam und deutlich sprechen, daß du jedes einzelne Wort wie auf einer Wage wiegen und abmessen kannst. Denke doch, daß es wie ein Testament ist, daß ich wie ein Sterbender bin, dem der sichere Tod die Arme entgegenstreckt! Was ich von dir erbitte, ist etwas so Einfaches und Leichtes. Du bist streng und unerschrocken, aber grausam nicht. Willst du es zum erstenmale sein? In Beziehung auf List, Klugheit und Umsicht kommt dir niemand gleich. Meinst du, daß du dich gerade heute und jetzt auf diese Vorzüge nicht verlassen kannst? Hätte ich Hintergedanken, so würdest du sie viel eher merken als der Fakir el Fukara, dem du an Scharfsinn ja weit überlegen bist.«
Er schmeichelte mir, um meine scheinbaren Bedenken zu besiegen. Ich erwies ihm nicht den Gefallen, so zu thun, als ob dieses Lob Eindruck auf mich mache, sondern antwortete:
»Was du da redest, ist überflüssig, denn ich kenne mich und meine Eigenschaften selbst am allerbesten. Es würde allerdings weder dir noch dem Fakir el Fukara gelingen, mich zu betrügen; dazu seid ihr beide viel zu dumm. Ich will dir also deinen Wunsch, der für mich ein vollständig ungefährlicher ist, erfüllen.«
»Ich danke dir!« meinte er ruhig und bescheiden, obgleich ich ihn dumm genannt hatte. »Du hast recht; es ist für euch gar keine Gefahr dabei, denn du wirst alles hören.«
»Ich werde nichts hören. Ich werde die gewünschte Unterredung nicht durch meine Gegenwart entweihen.«
»So darf ich ohne Zeugen und ohne Aufsicht mit ihm sprechen?« fragte er, indem er seine Freude nicht vollständig zu verbergen vermochte.
»Ja, wenigstens wird keiner von uns euch stören. Ob dieser sogenannte Dschelabi hier mit zuhören darf, das ist deine Sache. Ich werde dir jetzt den Fakir el Fukara senden und gebe dir volle zehn Minuten Zeit, mit ihm zu sprechen. Du siehst, wie rücksichtsvoll ich bin. Mißbrauche dies nicht, denn es würde dir schlecht bekommen. Ich würde ganz sicher bemerken, daß du mich hintergehen willst.«
»Sorge dich nicht, Effendi! Ich meine es ehrlich, und deine Güte rührt mich so, daß ich, wenn ich wirklich eine Heimtücke geplant hätte, jetzt von derselben absehen würde.«
»Gut, wenn es wirklich so ist. Hast du einmal von dem frommen und berühmten Marabut gehört, welchem ein Geist die Zungen von zwölf sprechenden Raben und die Ohren von zwölf jungen Adlern brachte?«
»Ja. Er mußte sie essen und redete dann die Sprachen aller Menschen und Tiere und hörte bis in die weiteste Entfernung alles, was seine Feinde gegen ihn berieten.«
»Nun wohl; ich sage dir, daß auch ich solche Zungen und Ohren gegessen habe. Nimm dich also in acht; ich höre alles!«
Ich ging und bekam dabei den Beweis, daß ich gar keine bezauberten Adlerohren zu essen brauchte, denn die meinigen waren scharf genug, noch zu verstehen, daß der Alte seinem Genossen schadenfroh zuraunte:
»Welch ein Glück; es wird gehen!«
Der Fakir el Fukara war nicht wenig verwundert, als ich ihm sagte, daß der Alte mit ihm reden wolle und ganz ohne Beaufsichtigung mit ihm sprechen dürfe. Er ging hinüber und setzte sich bei den beiden nieder. Auch die Asaker konnten sich mein Verhalten nicht erklären, und Ben Nil machte mir Vorstellungen. Ich wies dieselben mit dem Bemerken zurück, daß ich sehr wohl wisse, was ich thue.
Nach Verlauf der zehn Minuten sah ich, daß der Fakir el Fukara aufstand, um an seinen Platz zurückzukehren. Er hatte von seiner Dankbarkeit gesprochen, und nun konnte ich mich Überzeugen, ob er es mit derselben aufrichtig meine. Wenn er es mir vergelten wollte, daß ich ihm das Leben gerettet hatte, so mußte er mich über den Anschlag des Alten unterrichten. Doch hütete ich mich, ihm schon jetzt eine Gelegenheit dazu zu geben. Der Alte sollte sehen, daß ich mit seinem Vertrauensmann nicht sprach, und um so mehr darüber erschrecken, daß ich alles wußte. Darum ließ ich den Fakir el Fukara von rechts her nach seinem Platz zurückkehren und begab mich mehr linker Hand wieder zu den beiden Kafalah-Bäumen.
»Nun, ist der Fakir auf deine Bitte eingegangen?« fragte ich den Alten.
»Ja, Effendi. Er hat mir versprochen, den Fehler, welchen ich begangen habe, gutzumachen. Wie sehr, wie herzlich danke ich dir!«
»Und nun ist dir das Herz leicht geworden?«
»So leicht, wie es seit langer, langer Zeit nicht gewesen ist!«
»Das glaube ich und kenne auch den Grund.«
»Wie könntest du denselben wissen? Du hast doch keine Ahnung von der That, um welche es sich handelt.«
»Irre dich nicht! Ich habe dir gesagt, daß auch ich Adlerohren gegessen habe, und dich gewarnt. Es handelt sich allerdings um eine That, aber nicht um eine solche, welche du schon begangen hast, sondern um eine, welche der Fakir el Fukara erst noch vorzunehmen hat.«
»Effendi, da täuschest du dich. Ich verstehe dich nicht!«
»Verstelle dich nicht! Ich habe dir vorhin sehr offen gesagt, daß ihr zu dumm seid, mich zu betrügen. Ihr habt einen Anschlag gegen mich gesponnen.«
»Das ist nicht wahr. Welcher Anschlag könnte das sein?«
»Der Fakir el Fukara soll euch befreien helfen, indem er deinen Sohn Ibn Asl holt.«
»Kein Mensch, kein einziger hat daran gedacht, Effendi! Der Fakir weiß ja gar nicht, wo sich mein Sohn befindet.«
»Du hast es ihm mitgeteilt.«
»Nein. Wir haben gar nicht von ihm gesprochen.«
»Auch nicht von dem Reïs Effendina?«
»Nein.«
»Denke doch an die Adlerohren! Du hast ihm gesagt, in welcher Gefahr sich der Reïs Effendina befindet.«
»Nicht zu ihm, sondern zu dir habe ich davon gesprochen. Dir habe ich gesagt, daß er in Chartum vergiftet werden soll.«
»Ja, das hast du sogar beschworen und dabei einen Meineid geleistet, den Allah dir nicht vergeben wird.«
»Es war die Wahrheit!«
»So? Warum hast du da soeben dem Fakir el Fukara erzählt, daß der Reïs Effendina in die Sunutwälder bei der Dschesireh Hassaniah gelockt werden soll?«
»Allah, Allah!« rief er erschrocken aus, indem er mich anstarrte wie einer, vor dem plötzlich bei heiterem Himmel ein Blitz in den Erdboden gefahren ist.
»Du erschrickst? ja, dein Sohn befindet sich bei der Dschesireh Hassaniah, und der Fakir el Fukara soll schleunigst hin, um ihn zu benachrichtigen, daß euer Angriff auf uns verunglückt ist, und daß Ihr euch in unsern Händen befindet.«
»Ich – weiß – kein – Wort, kein – Wort – davon!« stammelte er.
»Das ist eigentlich nicht notwendig,« lachte ich. »Die Hauptsache ist, daß ich es weiß. Ich habe noch mehr gehört. Dein Sohn Ibn Asl soll mit seinen Leuten und seinem Schiffe bis Makaui oder Katena nilabwärts gehen und dann links in die Steppe marschieren, um uns zu überfallen und euch zu befreien. Du siehst, daß meine Adlerohren mir sehr gute Dienste leisten.«
»Du bist ein Teufel, ja, du bist der richtige und wirkliche Scheitan!« rief er jetzt in seinem grimmigsten Tone aus. »Gehört hast du nichts; das weiß ich genau; dennoch bist du von allem unterrichtet, und das kann nur die Folge davon sein, daß du mit der Hölle im Bunde stehst!«
»Oder mit Allah. Du bist ein schauderhafter Bösewicht; also kann die Macht, welche mir gegen dich beisteht, keine böse, sondern sie muß eine gute sein. Deine Anschläge sind entdeckt, und ich werde dafür sorgen, daß sie zunichte werden; deinem Sohne werde ich einen Besuch abstatten, ohne zu fragen, ob ich ihm willkommen bin, und wehe ihm, wenn ich finde, daß er dem Reïs Effendina auch nur ein Haar gekrümmt hat! Euch beide werde ich jetzt wieder hinüber zum Feuer schaffen lassen. Ihr habt zu wenig Gehirn, zu erraten, weshalb ich euch von den anderen absonderte. Hättet ihr euch Überlegt, daß, wie ihr nun schon oft erfahren habt, alles, was ich thue, einen bestimmten Zweck hat, so wäret ihr nicht in die Falle gegangen, welche ich euch damit stellte.«
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