»Das ist mir lieber, als wenn ich mich mit einem Schwächlinge messen soll. Also, stimmst du bei?«
, »Ja, halte dich wacker; sei nicht voreilig, und blicke ja nicht auf das Messer, sondern in das Auge deines Gegners. Suche dich auch so zu stellen, daß das Licht ihn vorn, dich aber hinten trifft!«
Was ich nicht erwartet hatte, der Alte wählte den angeblichen Dschelabi. Es gab unter den Gefangenen welche, die länger und stärker gebaut waren als er; vielleicht besaß er eine größere Gewandtheit und Erfahrung im Einzelkampf. Vielleicht auch hatten sie irgend eine Hinterlist verabredet. Sie lagen nebeneinander, und es war mir nicht entgangen, daß sie heimlich miteinander gesprochen hatten. Ich nahm mir vor, mich auf alle Fälle bereit zu halten.
Als dem Dschelabi die Fesseln abgenommen worden waren, bekam er ein Messer in die Hand. Er reckte und dehnte sich und rieb sich die Beine, um sie, die gebunden gewesen waren, wieder geschmeidig zu machen.
»Wir entkleiden uns und kämpfen nur in der Hose und mit nacktem Oberkörper,« sagte ihm Ben Nil.
»Warum? Bleiben wir doch, wie wir sind!«
»Nein; wie ich sagte, so wird es gemacht.«
Der Dschelabi widersprach noch einigemal, mußte sich aber fügen. Warum wollte er sich des Obergewandes nicht entledigen? Ohne dasselbe war doch leichter zu kämpfen. Wollte er fliehen? Ben Nil fuhr fort:
»Also wenn du mich tötest, erhält Abd Asl das Leben. Töte ich aber dich, so stirbt auch er sofort unter meinem Messer. Du hast also nicht nur dein Leben, sondern auch das seinige in der Hand. Also sage, ob du bereit bist.«
»Ich bin bereit; es kann beginnen.«
Sie standen mitten in unserm Kreise einander gegenüber. Bestimmte Regeln waren nicht gegeben worden, doch erteilte ich dem Dschelabi noch die kurze Warnung:
»Nimm deine Beine in acht!«
»Dies zu sagen, ist überflüssig,« lachte er. »Das Leben wohnt im Herzen; er wird mich also nicht in die Beine stechen wollen.«
Er beachtete es nicht, daß ich meinen Henrystutzen so an mich zog, daß ich ihn augenblicklich anlegen konnte.
»Also jetzt,« meinte Ben Nil. »Komm heran!«
Das fiel dem andern gar nicht ein. Keiner wollte den ersten Stich versuchen. Sie bewegten sich einigemal im Kreise, indem sie sich fest in den Augen behielten. Da sprang der Dschelabi auf Ben Nil ein, und dieser wich zur Seite, um dem Messerstoße zu entgehen; aber der Angriff war nur eine Scheinbewegung gewesen, denn kaum war Ben Nil zur Seite gewichen, so schnellte der Dschelabi an ihm vorüber, sprang über die Köpfe zweier ihm im Wege sitzenden Asaker weg und rannte zwischen den Kamelen hindurch, um den Wald zu erreichen. Meine Vermutung war also ganz richtig gewesen. Aber schon hatte ich das Gewehr angelegt und drückte ab, noch ehe er drei Vierteile des Weges zurückgelegt hatte. Er stürzte vornüber, raffte sich schnell auf, brach aber wieder zusammen. Ich hatte nach dem Beine gezielt und es getroffen. Erschießen wollte ich ihn nicht, weil ich überhaupt nicht töten wollte, und sodann aus einem noch andern, ganz bestimmten Grunde.
Die Asaker, und Ben Nil ihnen voran, waren ihm nachgesprungen, während ich ruhig sitzen blieb. Sie brachten den aus der Wunde Blutenden geschleppt, wobei sie freilich nicht sehr rücksichtsvoll mit ihm verfuhren. Als er vor mir niedersank, sagte ich:
»Du lachtest mich aus, als ich dich warnte. Und doch hatte ich recht, als ich dich aufforderte, auf deine Beine acht zu haben. Du erkennst von neuem, daß es nicht allzu leicht ist, einen christlichen Effendi zu überlisten.«
Ich untersuchte sein Bein. Die Kugel steckte nicht mehr drin; sie hatte das Schienbein zerschmettert. Ich gab ihm einen Notverband.
»Wir müssen den Hund doppelt festbinden und ihn in unserer Mitte behalten,« meinte Ben Nil.
»Nein,« antwortete ich. »Bald wird er das Wundfieber bekommen, und wenn er dann zu schwatzen beginnt, stört er uns im Schlafe. Tragt ihn da hinüber nach den beiden Kafalah-Bäumen, setzt ihn an dem einen nieder, und bindet ihn so mit dem Rücken an demselben fest, daß er auch den Kopf nicht bewegen kann! Indessen mag Abd Asl einen andern Mann bestimmen, welcher mit dir kämpfen kann.«
Dieser Befehl kam meinen Leuten wohl sonderbar vor, doch führten sie ihn aus, ohne eine Gegenbemerkung zu machen. Sie wußten, daß ich bei allem, was ich that, selbst wenn es scheinbar unerklärlich war, doch einen bestimmten Zweck verfolgte. Und weil ich einen solchen auch jetzt hatte, war meine Kugel nur in das Bein des Flüchtlings gerichtet gewesen.
Die Flucht dieses Mannes war mir sehr begreiflich. Er hatte Ibn Asl, den Sklavenräuber, den Sohn des Alten, aufsuchen sollen, um ihn zu benachrichtigen, daß der Angriff gegen uns verunglückt sei und er infolgedessen kommen und die Gefangenen befreien sollte. Der Alte war ergrimmt über das Nichtgelingen dieses Planes; das sah ich seinen Augen an. Er wählte einen andern Mann zum Kampfe aus, und dieser schien allerdings mehr zu fürchten zu sein als der Dschelabi, welcher vorhin nur erwählt worden war, weil er höchst wahrscheinlich ein guter Läufer war.
Der jetzige Gegner Ben Nils hatte fast die tiefdunkle Farbe eines Negers; seine Brust war breit und sein Knochenbau sehr kräftig. Trotzdem zeigte sich Ben Nil nicht im geringsten beunruhigt. Sie standen ungefähr fünf Schritte voneinander, ganz still und bewegungslos. Keiner ließ den Blick von dem Auge des andern. Da plötzlich that der Schwarze einen weiten, tigerartigen Sprung auf Ben Nil zu und holte zum Stoße aus. Er hatte ihn überraschen, vollständig überrumpeln wollen. Der Jüngling aber wich blitzschnell zur Seite, that einen kurzen Quersprung, kam dadurch, ehe dieser sich umdrehen konnte, hinter den Schwarzen und stieß ihm das Messer bis an das Heft in den Rücken. Der Getroffene stürzte da, wo er stand, nieder. Die Klinge war ihm, wie sich nachher zeigte, von hinten in das Herz getroffen.
»Afarihm, maschallah aldik – bravo, bravo!« schrieen die Asaker vor Freude laut. »Das war herrlich, das war prächtig!. Gleich der erste Stoß hat ihn gefällt. Wer konnte das dir, Ben Nil, du Sohn der Tapferkeit, zutrauen!«
Dieser wendete sich sehr ruhig an mich:
»Effendi, siehst du nun, daß du keine Angst um mich zu haben brauchtest? Ich hätte diesen Mann erlegt und wenn er doppelt größer und stärker gewesen wäre. Mein Auge ist scharf, meine Hand ist sicher, und mein Herz kennt keine Unruhe, welche den Blick verdunkelt. Gehört mir nun Abd Asl auch?«
»Ja,« antwortete ich, sehr wißbegierig, was er nun machen werde.
Im Falle, daß er ihn wirklich erstechen wollte, mußte ich um Aufschub bitten. Er beugte sich zu dem Schwarzen nieder und zog ihm das Messer aus dem Rücken. Die blutige Klinge betrachtend, schüttelte er leise den Kopf und sagte dann:
»Du hast recht, Effendi, es ist etwas sehr Verantwortliches, einen Menschen zu töten. Dieses Blut ist mir widerwärtig. Glaubst du, daß der Reïs Effendina den Alten, dessen Leben mir gehört, auch streng bestrafen würde?«
»Auf das allerstrengste natürlich!«
»So möchte ich ihm das Leben schenken. Dieser Schwarze hat für den Alten gekämpft und ist für ihn gestorben; darum will ich mich mit dem, was geschehen ist, begnügen. Bist du einverstanden?«
»Ganz und gar! Ich freue mich sehr, solche Worte von dir zu hören. Dein Entschluß macht dir mehr Ehre, als du von dem Tode Abd Asls haben würdest.«
»Aber ich verlange, daß er später auf das strengste bestraft wird!«
»Ich werde dafür sorgen, daß dies geschieht. Und damit er jetzt nicht wieder irgend einen Fluchtversuch veranlassen kann, schafft ihn hinüber zu dem Dschelabi, und bindet ihn an den zweiten Kafalah-Baum!«
Der Alte wurde von einigen Asakern fortgeschafft. Ben Nil aber fragte verwundert:
»Warum läßt du diese beiden Kerls dorthin bringen? Hier hätten wir sie doch sicherer.«
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