„Ach, scheiß auf die Weiber!“, entgegnete Martin.
„Komm, sei nicht so, du könntest dir auch mal wieder ein bisschen Spaß gönnen. Die Freundin von Nelly ist doch auch nicht zu verachten. Die hat süße, kleine Titten …“
„Halt die Klappe, ich stehe nicht auf kleine Mädchen.“
„Spielverderber. Komm, wir hauen ab und gucken, wo Party ist. Ich mache dich besoffen und schubse dich zu einer Tussi ins Bett.“
Martin murmelte irgendetwas Unverständliches, ging zur Spielkonsole und schaltete sie einfach aus, dann nahm er Kevin den Controller aus der Hand und warf ihn auf die Couch.
„Komm, Alter, Party. Gib mir mal eine von den bunten Drops!“, forderte er seinen Kumpel auf, der sofort in die Hosentasche griff und ihm die kleine Tüte zuwarf.
Draußen hupte das Taxi. Sie fuhren lieber nicht mit dem eigenen Auto, denn die Polizei kontrollierte in letzter Zeit häufiger. Und drei junge Kerle in einem Sportwagen wurden immer sehr streng durchgecheckt. Keiner hatte Lust, seinen Führerschein zu verlieren.
„Komm, Ricardo, gönn dir auch ein bisschen Glücksgefühle. Kevin, wo hast du bloß immer das geile Zeug her? Nein, erzähl es mir nicht, ich will es gar nicht wissen. Ich wette, du weißt die chemischen Bestandteile, auch wenn du noch so dicht bist, oder?“
„Wetten, dass … ich weiß alles“, lallte Kevin fröhlich, „das ist Methyl-Benzo-Dioxol-Butanamin, die beste Zusammensetzung überhaupt. Bin ich gut, Alter, oder bin ich gut?“
Martin nahm ihn am Arm, als sie zum Taxi gingen, das nun schon dreimal gehupt hatte. Ricardo setzte sich nach vorne, die beiden anderen rutschten auf die Rückbank.
„Du bist der Beste und Schlauste von uns“, sagte Martin und klopfte Kevin anerkennend auf die Schulter.
Sie landeten in der Stadtmitte, wo eine Hausparty angekündigt war. Martin kannte den Bewohner des Hauses zwar nur vom Sehen, aber jeder kannte die drei jungen Männer. Gegen Morgen waren Kevin und Martin auf der Couch eingeschlafen. Ricardo stand wild knutschend mit einer rothaarigen Schönheit auf dem Balkon. Ihre Hände griffen nach seinem Hosenbund und rissen am Reißverschluss herum.
„Komm, lass, Nora, ich habe eine Freundin. Tut mir leid, wir können nicht vögeln. Das wäre Scheiße, also hau ab.“
„Arschloch“, sagte Nora und verschwand.
Ricardo sah das Morgenrot und wollte nur noch in sein Bett. Er hatte sich gegen eine Pille entschieden, denn er wollte klar im Kopf sein, wenn er mit Nelly telefonieren würde. Nach einem Blick auf Martin und Kevin rief er sich ein Taxi und ließ sich heimfahren, wo er sich den Wecker auf drei Uhr nachmittags stellte. Dann schlief er ein.
Das Handy vibrierte auf dem kleinen Schränkchen neben Nellys Bett. Verschlafen tastete sie danach. Es war still, sonntags regte sich kaum etwas im Haus, nur Christian war schon kurz bei Benjamin. Er würde zum Mittagessen wieder das sein. Danach hatten sie sich bei Bea und Hannes verabredet, denn Besuch war da: Lauren, Nick und die zwölfjährige Polly. Oliver würde in den Semesterferien kommen und ein paar Wochen im Weingut arbeiten.
„Hallo, Nelly, du glaubst nicht, was mir passiert ist!“
„Och, Simona, es ist acht Uhr, warum bist du schon wach?“
„Ich habe vor einer halben Stunde schon mal angerufen. Sag mal, warum hörst du dein Handy nicht?“
„Er hat gestern Abend noch angerufen. Ich musste rausgehen, damit wir reden können. So, wie du es gesagt hast.“
„Super! Was sagt er denn?“
„Er will mich Montag in der Schule küssen.“
Nelly musste den Hörer ein wenig weghalten, denn Simona kreischte begeistert. Warum war dieses Kind schon so unanständig wach?
„Du wolltest mir sagen, was dir passiert ist, also schieß los!“
„Ich war schon saufrüh wach und bin zum Bäcker gegangen. Als ich zur Tür rein wollte, kommt mir ein wahnsinnig gutaussehender Typ entgegen und rennt mich fast um. Meine Brötchentüte fällt zu Boden und er hilft mir, alles wieder aufzuheben. Er ist so süß, ich bin verliebt.“
„Ein gutaussehender Junge bei unserem Bäcker? Das gibt es ja gar nicht. Wie alt?“
„Ähm, das ist das Problem.“
„Was? Spann mich nicht auf die Folter.“
„Er ist sicher schon dreißig. Erwachsen. Scheiße, oder?“
„Ja, Simona, das ist Scheiße. Also bitte vergiss ihn. Das geht ja gar nicht.“
„Bleib im Bett, ich komme und wir reden über alles. Willst du ein Brötchen oder ein Croissant?“
„Nein, bitte keine Krümel im Bett. Komm her, ich stehe auf. Bring mir ein Brötchen mit. Beeil dich.“
Nelly sprang aus dem Bett, Wuschel streckte und schüttelte sich, dann liefen die beiden die Treppe hinunter und Nelly öffnete dem Hund die Terrassentür, damit er in den Garten laufen konnte. Sie eilte ins Bad, putzte sich die Zähne und wartete auf Simona. Zehn Minuten später riss sie die Haustür auf, ehe ihre Freundin klingeln konnte.
„Sei leise, meine Mutter schläft noch. Willst du einen Tee oder lieber Kakao?“
„Ich bin fast erwachsen, mach bitte eine Tasse Kaffee für mich.“
Simona ließ sich auf den Stuhl am großen Esstisch sinken und seufzte theatralisch. Dann schaute sie Nelly zu, die Kaffee machte, sich selbst einen Kakao zubereitete und im Kühlschrank nach Butter und Frischkäse kramte. Sie begannen zu frühstücken.
„Er war so süß, ich hoffe, ich sehe ihn wieder. Ich hätte nicht gedacht, dass mir ein älterer Mann mal gefallen könnte.“
„Simona, er ist doppelt so alt wie du. Vergiss ihn. Kannst du dich nicht in einen aus der Schule verlieben? Wie wäre es denn mit dem Kumpel von Ricardo.“
„Nein, iiiih, der ist doch ekelhaft. Kevin ist ein Penner.“
„Ach, den meine ich doch gar nicht. Was denkst du über Martin?“
„Hm, er sieht gut aus, aber er ist doch so ein reiches Söhnchen, der interessiert sich eh nicht für mich. Außerdem ist er einmal hängengeblieben, also voll alt.“
Nelly musste lachen.
„Das sagt eine, die vor zwei Minuten in einen alten Mann verliebt war. Ich kann ihn ja mal fragen, ob er dich mag.“
„Bloß nicht. Das war schon mit Ricardo peinlich genug, da hast du mich ausreichend blamiert.“
„Guten Morgen, wobei hast du Simona blamiert?“, hörten sie Katja von der aus Tür fragen.
„Guten Morgen, Frau Hardeg. Nelly hat einem Jungen gesagt, dass ich in ihn verliebt bin.“
Katja setzte sich zu ihnen und griff nach einem Croissant.
„Ja, ich stimme dir zu, das ist peinlich. Was hat der Junge gesagt?“
„Er meinte nur, er liebt … ähm … eine andere.“
Nelly hatte Simona unter dem Tisch gegen das Schienbein getreten und sie böse angesehen.
„Dumm gelaufen, vergiss ihn“, erklärte Katja, die nichts von Nellys Blick mitbekommen hatte, weil sie sich gerade an der Kaffeemaschine zu schaffen machte. „Seit wann trinkst du denn Kaffee, Simona?“
„Seit ich erwachsen bin, naja, fast erwachsen. Kaffee trinkt die Frau, die etwas auf sich hält, nur Kinder trinken Kakao.“
Nelly und Katja lachten schallend. Sie fanden es immer wieder herrlich, mit welchem Nachdruck Simona ihre Weisheiten kundtat. Dann küsste Katja Simona auf die Wange und setzte sich mit einer großen Tasse Kaffee neben sie.
„Auf das Erwachsensein, meine Liebe!“
Simona und Katja stießen an und betrachteten mitleidig das „Kind“ auf der anderen Seite des Tisches. Die rollte mit den Augen und ließ Wuschel auf ihren Schoß springen, der aus dem Garten wieder hereingekommen war.
„Wuschel, was soll man da machen? In zwanzig Jahren trinkt sie wieder Kakao, denn dann will sie für jünger gehalten werden.“
„Es ist schon in Ordnung so. Frau Hardeg, ich finde es toll, dass sie junggeblieben sind. Ich habe eine viel jüngere Mutter, aber die ist uncool.“
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