Ich selbst fuhr wochenweise so gegen 21:00 Uhr zur Nachtschicht, sodass Manuela und Jasmin über Nacht allein in dem Haus blieben. Ob es nun ein Autofahrer war, dem das Benzin ausgegangen war, oder ein ansässiger Dorfbewohner, der es gewohnt war, ein paar Flaschen Bier auf dem Heimweg von hier mitzunehmen – es gab keinen Unterschied, wer nun die Nachtruhe störte. Alle dachten ja, dass der Tankwart Marion hier wohnte und sicher noch ein kleines Geschäft nach Feierabend abschließen wollte. Zu unserem Bedauern ereigneten sich diese Zwischenfälle immer öfter und meistens dann, wenn ich in der Nachtschicht arbeitete. Manuela und ich überlegten uns deshalb, wie man die nächtlichen Ruhestörer zu mehr Rücksicht bewegen könnte, denn Manuela und unser Töchterchen ängstigten sich schon etwas. Außerdem waren diese Nachtschwärmer nur schwer von der Tür wegzuschicken. Es interessierte die meisten nächtlichen Ruhestörer einfach nicht, dass wir hier nur wohnten und nicht die Inhaber der Tankstelle waren. Sie schrien sogar hoch zu unseren Schlafzimmerfenstern und klopften manchmal lange an die alte Haustür, was dann bis in unsere Wohnung hochschallte. Auch ein großes Hinweisschild, das ich an der Außenseite der Haustür angebracht hatte, mit der Erklärung, wir, die Familie Walter, seien nur Mieter und hätten nichts mit der Tankstelle zu tun, ließen die meisten unbeachtet.
Als ich an einem dieser Morgen von der Nachtschicht nach Hause kam und Manuela mir wieder von einem aufdringlichen Ruhestörer erzählte, der nur noch mit der Drohung von der Tür abzuweisen war, dass die Polizei schon unterwegs wäre, war das für mich der Anlass, einen Wachhund zu besorgen und dafür auszubilden, dass er jeden, der an der Tür klingelte oder klopfte, laut anzubellen und anzuknurren hatte. Ich wusste, dass es ein großer Hund mit tiefer Stimme sein müsste, um den Personen auf der anderen Seite der Tür Angst einzuflößen. Ich erklärte Manuela, dass sich beim Knurren und Zähnefletschen dieses Hundes die Haare der Ruhestörer im Nacken zu Berge stellen sollten und ihnen bei der Annahme, dass sich der Wachhund selbst die Tür aufmachen könnte, der Angstschweiß ausbrechen sollte. Ich selbst konnte mich noch gut an solche Situationen erinnern, und zwar während meiner Ausbildung zum Metzgergesellen im Jahr 1980 in der Fleischerei Karl Siegel in meinem Geburtsort. Dort erlebte ich schon als Teenager so manchen erschreckenden Augenblick. Zum einen kannte ich die Wachhunde meines Chefs Karl sehr gut, sie hießen Branko und Max, aber wenn diese beiden großen Tiere noch frei auf dem Grundstück umherstreiften und zähnefletschend am großen Eisentor hochsprangen, wenn ich morgens um 6:30 Uhr zur Lehre kam, da dachte ich mir, diesen beiden Schäferhunden möchte ich nicht als Fremder in einer dunklen Nacht begegnen. Branko und Max bekamen überwiegend Rinderpansen, rohes Fleisch und Knochen zu fressen. Ich habe einmal beobachtet, wie Branko, der große schwarze Rüde, einen dicken Oberschenkelknochen eines Schweins einfach so durchbiss, als wäre er aus Brezelteig. Bei diesem Anblick und dem lauten Krachen, als der Knochen zwischen seinem starken Gebiss zerbarst, wurde mir ganz schön mulmig im Magen.
Zu dieser Zeit waren alle Wachhunde der Geschäftsleute im Dorf darin ausgebildet, Personen anzugreifen. Die Wachhunde damals kannten weder Schmerz noch Furcht, sie wären beim Beschützen des Grundstückes auch aufopfernd gestorben. Heutzutage haben alle mittelständischen und größeren Unternehmen Überwachungskameras zum Beschützen ihrer Güter vorgesehen, ich jedoch denke, dass bei Stromausfall nur ein guter Wachhund in der Lage ist, seinen Job gut zu machen. Das sieht man auch heute noch, in den meisten Hochsicherheitsbereichen wird die Kombination von Elektronik und Hund bevorzugt.
Nichtsdestotrotz, uns blieb keine andere Wahl, ein guter Hund sollte uns helfen, die nächtlichen Störer abzuweisen und uns als Familienbeschützer treu beiseitezustehen.
Kapitel 2 Unsere Suche nach einem Wachhund war endlich erfolgreich
Seit meiner Kindheit war ich mit den Vorteilen des Deutschen Schäferhundes als Wach- bzw. Familienhund vertraut. Mein Lieblingsonkel Horst spielte dabei eine große Rolle, denn er züchtete nur ein paar Kilometer von meinem Heimatort entfernt Schäferhunde. Diese dienten zur Leistungsausbildung und auch zum Erhalt der Deutschen Schäferhunde.
Horst gab mir während meiner Lehre als Fleischer einen Welpen zur Ausbildung und nahm mich mit auf den Schäferhundeplatz.
Schon mit dreizehn Jahren lernte ich auf dem Schäferhundeplatz in Hütschenhausen das Ausbilden von Schäferhunden zum Schutz- und Begleithund und wusste genau, auf welche Wesenszüge ich achten sollte, um den richtigen Hund auszusuchen. Ich war überzeugt, dass nur ein guter Schäferhund für die Aufgabe des Wachhundes bei uns infrage käme. Es war mir auch aus den Medien bekannt, wie vielfältig der Einsatz dieser treuen Hunde ist. Wir suchten gemeinsam mit unseren Freunden und Verwandten intensiv in Zeitungen einen jungen Schäferhund, der für unsere Familie geeignet wäre.
Es vergingen nur ein paar Tage, da bekam ich einen Anruf von meiner Schwägerin Martina. Es war an einem heißen Sommertag, Jasmin war gerade beim Planschen in ihrem Wasserbecken hinterm Haus auf der großen Wiese, wo auch schon Marion als kleiner Junge im Holzsandkasten spielte. Ich saß unter dem weißen Pavillon im Schatten und las gerade den Polizeibericht in der Rheinpfalzzeitung, da erzählte mir Martina am Telefon von einer amerikanischen Frau, die einen sechs Monate alten Schäferhund abgeben wollte, weil sie ihn nicht mehr bändigen konnte. Er hätte einfach zu viel Energie, Temperament und war dabei, ihr den Haushalt kurz und klein zu machen. Martina arbeitete auf der Airbase in einer Bücherei, wo sie diese Amerikanerin beim Suchen nach Büchern zur Ausbildung von Schäferhunden kennenlernte. Ich telefonierte sofort mit dem mir gut bekannten Kurt, einem Zivilamerikaner, und bat ihn darum, dass er mich auf der Airbase einschreiben sollte, sodass ich mir dort den jungen Schäferhund anschauen könnte. Ich holte mir auch schon ein paar Informationen von der Besitzerin des Hundes. Sie sagte mir am Telefon, dass es sich um einen recht großen Hund handeln würde und dass es eine sehr dominante Hündin wäre. Sie sagte mir auch, dass alle Versuche, die sie unternommen hätte, um diesen Hund zu trainieren, erfolglos geblieben seien. Ich lächelte beim Telefonieren vor mich hin und ließ sie wissen, dass ich noch heute vorbeikommen wolle.
Wir fuhren noch am selben Abend mit Kurt zu dieser Amerikanerin, um uns den Welpen anzuschauen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass Manuela schon beim Drücken der Türklingel feuchte Hände bekam, denn die Hündin hatte schon als junger Welpe genau diesen tiefen Bass beim Bellen, den ich mir bei unserem Familienhund wünschte. Wir blieben etwas länger bei Kelly, so hieß die nette Frau, damit ich einen ersten Eindruck von dem Hund bekam. Während wir so auf dem großen bunten Sofa mit der hohen Rückenlehne, in der ich tief eingesunken war, saßen und ich Molly am Kopf kraulte, weil sie sich fest an meine Beine gedrückt hatte, klingelte es zweimal an der Tür. Einmal kam der Nachbar John, ein älterer Single-Soldat, um sich zwei Eier auszuleihen, und beim zweiten Klingeln stand ihr dreizehnjähriger Sohn Benjamin vor der Tür. Was mich beeindruckte, war, dass die junge Molly bei beiden Klingeltönen aufsprang und bellend an die Wohnungstür rannte. Da wusste ich sofort, dass dieser junge Hund eventuell leicht verzogen war, aber sicher schon nach ein paar Monaten intensiver Ausbildung genau den richtigen Mut hätte, um sich bei seiner Aufgabe zu behaupten. Während ihr Sohn Benjamin seine schwarzen Turnschuhe auszog, beobachtete ich, dass Molly an seinen abgelaufenen Absätzen knabberte, was eigentlich nicht zu den Hundemanieren gehören sollte. Ich bemerkte auch den Spieltrieb, den Molly beim Einschalten des Staubsaugers zeigte, indem sie fortlaufend den Staubsauger angriff und keine Angst vor dem lauten Elektrogerät zeigte.
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