Als sie ihm beim Hinausgehen einen Kuss geben wollte drehte Ben den Kopf weg und hielt die Tür weit auf. „Bye, mach’s gut.“
„Gestern warst du netter“, bemerkte sie enttäuscht und verschwand.
Er schloss die Tür und lehnte sich aufatmend dagegen.
Jesus, er musste aufhören, so viel zu trinken. Und das Koks hätte er sich erst recht sparen müssen. Er wusste einfach nicht mehr was er tat, wenn er stoned war. An den Sex mit der Kleinen konnte er sich nicht einmal mehr genau erinnern, doch dass er mit ihr geschlafen hatte, das wusste er.
Seufzend sah er sich in der Wohnung um. Sie musste dringend aufgeräumt werden. Vor allem musste er die Bettwäsche wechseln! In zwei Tagen kam Jasmin nach Hause. Bis dahin würde er auf keinen Fall mehr ausgehen, dass nahm er sich fest vor.
Ben ging ins Bad und zog sich sein T-Shirt über den Kopf. Dann rasierte und wusch er sich und putzte sich gründlich die Zähne.
Er musste zur Probe, und das, obwohl sein Kopf dröhnte und er todmüde war.
Mit schlechten Gewissen dachte er an das Mädchen, das gerade gegangen war. Die Kleine selbst war ihm vollkommen gleichgültig, doch Jasmin durfte keinesfalls erfahren, was er tat, während sie in Kalifornien war.
Allan würde ihn nicht verraten, das wusste er. Schließlich erzählte Ben dessen Freundin auch nicht, was er so trieb. Und da hätte es einiges zu berichten gegeben… Es war ein stillschweigendes Übereinkommen zwischen ihnen, das keiner den anderen in die Pfanne haute. Es war eben eine echt coole Männerfreundschaft.
Doch wenn Jasmin jemals irgendwie herausbekam, dass er während ihrer Abwesenheit Drogen nahm und mit anderen Frauen schlief, würde sie ihn mit Sicherheit verlassen. Und genau das würde er nicht zulassen. Auf gar keinen Fall.
Linda hatte noch für den gleichen Nachmittag einen Termin bei Ihrem Gynäkologen bekommen. Dr. Fox war ein alter Bekannter ihres Vaters gewesen und hatte sie schon immer bevorzugt behandelt.
Nachdem sie eine Urinprobe abgegeben und Dr. Fox sie untersucht hatte, zog sie sich wieder an und setzte sich vor seinen Schreibtisch. Nervös schlug sie die Beine übereinander und wartete auf ihn. Er hatte nach der Untersuchung den Raum verlassen um, wie er sagte, „die Mädels anzutreiben.“ Schließlich wollte sie so schnell wie möglich das Ergebnis der Untersuchung erfahren.
Während sie sich in dem altmodisch eingerichteten Untersuchungszimmer umsah, dachte sie darüber nach, wie Steve wohl auf ein positives Ergebnis reagieren würde. Er würde vermutlich geschockt sein. Und völlig unvorbereitet. In Gedanken überlegte sie, mit welchen Worten sie ihm von der Schwangerschaft - so denn eine vorlag - erzählen könnte.
Vielleicht gerade heraus: „Halt dich fest, Steve, ich bin schwanger.“
Oder seine Freude voraussetzend: „Großartige Neuigkeiten, Liebling: Du wirst Vater!“
Lieber auf die beiläufige Art? „Hier regnet es seit ein paar Tagen und nebenbei bemerkt, ich bekomme ein Kind von dir.“
Egal, wie sie es ihm sagte, es wäre auf jeden Fall eine Überraschung. Vermutlich eine unangenehme. Sie hatte keine Ahnung, was er dazu sagen würde. Würde er wütend werden? Oder im Gegenteil vorschlagen, dass sie heiraten sollten? Vielleicht wäre es ihm auch völlig gleichgültig. Sie konnte seine Reaktion überhaupt nicht abschätzen.
Zum wiederholten Mal sah Linda auf ihre Armbanduhr. Wo zum Teufel blieb Dr. Fox?
In diesem Moment ging die Tür auf. Der Arzt kam auf sie zu und blieb schließlich mit einem kleinen Lächeln vor ihr stehen. Er war in den Fünfzigern, kahlköpfig und füllig, dabei aber der fröhlichste Mensch, den sie kannte. Mit bangem Blick stand Linda auf und sah ihn erwartungsvoll an.
„Herzlichen Glückwunsch, Miss Cooper! Sie hatten Recht, Sie erwarten tatsächlich ein Baby!“ Dr. Fox schüttelte ihr strahlend die Hand. Teilnahmslos erwiderte sie den Händedruck.
Ich bin wirklich und wahrhaftig schwanger! Schwanger! Du meine Güte, ich bekomme tatsächlich ein Kind!
„Danke, Dr. Fox“, sagte sie benommen. „Das sind - überraschende Neuigkeiten.“
Dr. Fox bat sie mit einer Geste, wieder Platz zu nehmen und setzte sich ihr gegenüber auf seinen Ledersessel. Dann schob er ihr ein Ultraschallbild zu.
„Sehen Sie, das ist Ihr Baby.“ Er zeigte auf einen kleinen Punkt, etwa so groß wie in Streichholzkopf.
Ungläubig starrte Linda auf den kleinen Fleck auf dem grobkörnigen Schwarz-Weiß-Foto.
Jetzt war es offiziell. Sie und Steve wurden Eltern. Sie würden eine Familie sein! Und in dieser Sekunde wurde ihr klar, dass dies genau das war, was sie wollte: Eine Familie mit Steve Conelly! Jetzt musste sie ihn nur noch dazu bringen, genau das ebenfalls zu wollen. Ein zuversichtliches Lächeln umspielte Lindas Lippen.
Los Angeles
Der Drehtag war - wieder einmal - sehr anstrengend gewesen, aber das Schlimmste war Steves schlechte Laune. Er ließ sie an jedem aus, der seinen Weg kreuzte und das Pech hatte, irgendeinen kleinen Fehler zu machen. Die Stimmung am Set war furchtbar gewesen und alle seufzten erleichtert auf, als er verkündete: „Schluss für heute!“
Jeder verzog sich, so schnell er konnte, nur Jasmin ließ sich Zeit.
Die Freundschaft zwischen ihr und Steve hatte sich in den vergangenen Tagen noch gefestigt. Sie verstanden sich sehr gut, verbrachten die Mittagspausen gemeinsam, waren auch am Mittwoch nach der Arbeit noch etwas essen gegangen und anschließend über den Hollywood Boulevard gebummelt. Sie unterhielten sich, lachten viel und entdeckten jede Menge Gemeinsamkeiten.
Inzwischen vertrauten sie sich auch Dinge an, die sie sonst eher für sich behielten. So erfuhr Jasmin, dass Steve einen Zwillingsbruder hatte, Alex, der mit ihrer Mutter in New York lebte. Dieser Bruder war homosexuell und seit zwei Jahren HIV-positiv. Steves Mutter war mit der Situation überfordert und trank zu viel.
Vor kurzem war die Krankheit bei Alex ausgebrochen, und sein Immunsystem war inzwischen so stark angegriffen, dass er seinen Beruf – er war Innenarchitekt – nicht mehr ausüben konnte. Wenn Steve in New York war, besuchte er die beiden stets, war aber immer froh, wenn er wieder zurück nach L.A. musste. Er unterstützte seine Mutter und seinen Bruder finanziell und hatte sie sehr lieb, doch die Situation überforderte auch ihn.
„Sie bedeuten mir unheimlich viel“, hatte er ihr erzählt. „Doch zu sehen, wie Alex immer schwächer wird und meine Mutter sich aus Kummer darüber langsam zu Tode trinkt, macht mich jedes Mal fertig. Trennen kann ich die zwei auch nicht, dafür hängen sie zu sehr aneinander. Sie brauchen sich. Was also kann ich tun? Ich besuche sie hin und wieder und sorge dafür, dass sie zumindest keine finanziellen Sorgen haben. Glücklicherweise verdiene ich inzwischen genug, dass es sowohl für mich als auch für meine Familie reicht.“
An diesem Abend beschloss Jasmin, sich vor dem Gehen bei ihm zu erkundigen, was heute mit ihm los gewesen war. Vielleicht ging es seinem Bruder schlechter. Sie hatte Steve sehr gern. Wenn es ihr möglich war, wollte sie ihm helfen, auch wenn sie nicht viel mehr tun konnte, als ihm zuzuhören. Sie schminkte sich ab, zog sich um und verließ ihre Garderobe.
Steve war noch am Set und sah sich mit seiner Assistentin ein paar Aufnahmen des Tages an. Sie hörte ihn seufzen. „Ich fürchte, die Szene müssen wir morgen noch einmal drehen, die Lichteinstellung ist –“
Jasmin räusperte sich. „Steve, kann ich einen Moment mit dir reden?“
Er drehte sich um und nickte ihr kurz zu. „In zwei Minuten in meinem Büro, okay? Dann bin ich hier fertig.“
„Einverstanden. Ich warte dort auf dich.“
Sie machte sich auf den Weg. Als sie die Tür zu Steves Büro aufmachte, sah sie Danny, den Portier, und winkte ihm freundlich zu.
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