Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Uwe Berghaus
Mitglied des Vorstandes der WGZ Bank
Zahlen sprechen eine klare Sprache: Neun von zehn Unternehmen in Deutschland sind familiengeführt. Die weit überwiegend mittelständisch geprägten Familienunternehmen stellen mehr als die Hälfte aller Beschäftigten zwischen Nordsee und Alpenrand, zwischen Ruhrgebiet und Erzgebirge. Sie sorgen für knapp 50 Prozent aller Umsätze und erwirtschaften rund die Hälfte des gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukts, wie die Stiftung Familienunternehmen errechnet hat. Gerade Nordrhein-Westfalen ist mit seinen zahlreichen Mittelstandsclustern dabei so etwas wie das Herz des deutschen Mittelstands.
Und doch vermögen all diese beeindruckenden Zahlen und Fakten nicht annähernd das auszudrücken, worauf es bei Familienunternehmen im Kern ankommt: die Einzigartigkeit, dass eine Familie das Sagen hat und nicht die Aktionäre. Von Generation zu Generation überträgt sich bei vielen erfolgreichen Unternehmen des deutschen Mittelstands das Unternehmer-Gen. Das verbindet Tradition und Werteverbundenheit mit notwendiger Innovation, schafft so Arbeitsplätze für Millionen Menschen und sorgt für wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Fortschritt.
Ein Familienunternehmen zu führen ist jedoch bei aller weltweiten Hochachtung für den deutschen Mittelstand und seine Erfolge im Inland wie auf den Auslandsmärkten kein Selbstläufer. Das erleben vor allem die zahlreichen Nachfolger, die aktuell oder in Kürze die Ruder in den Unternehmenszentralen übernehmen. Darunter sind erfreulicherweise auch immer mehr Frauen. Die Zeiten, in denen per se der Sohn dem Vater folgte, sind auch im Mittelstand längst Vergangenheit. Und das ist gut so.
Den herausfordernden Zeiten begegnen die (neuen) Macherinnen und Macher mit Zuversicht, einer festen Wertebasis, viel familiärem Zusammenhalt, aber auch dem notwendigen Mut, zu neuen Ufern aufzubrechen. Dabei ist es wichtig, Partner außerhalb des engen Familienkreises zu haben, auf die man sich in guten wie in schlechteren Phasen hundertprozentig verlassen kann.
Eine gute Hausbank sollte genauso denken und agieren wie die Familienunternehmen, die wir Ihnen liebe Leser in diesem Buch vorstellen: mit unternehmerischer Weitsicht, aber fester Verankerung und Verantwortung für die jeweilige Region. Nur wer weiß, wo er herkommt und wo er hingehört, verfügt über die notwendige Erdung und Orientierung für die Zukunft.
Jede Firma, die wir Ihnen in dieser Publikation präsentieren dürfen, bietet für sich eine spannende Erfolgsstory, durchaus mit der einen oder anderen Delle, aber stets einem guten Ende. Es gibt eben nichts Besseres als eine funktionierende Familie.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine ebenso inspirierende wie informative Lektüre.
Unternehmergespräch Rimowa: Glamour-Koffer aus Köln
Gepäckstücke für Stars: Der Kofferhersteller Rimowa ist schon mehr als 100 Jahre alt, doch erst 2000 gelingt Unternehmenschef Dieter Morszeck der große Durchbruch – mit einer guten Idee und cleverem Marketing.
dpa
Klack-klack-klack-klack, immer wieder schlägt ein Mann mit einem Hammer auf den silberfarbenen Koffer vor sich ein. Das Geräusch ist in der gesamten Produktionshalle zu hören, neben ihm stehen noch drei weitere Männer, die genau das gleiche machen. Klack-llack-klack-klack – der Hammer-Test ist der letzte Schritt bei der Kofferherstellung von Rimowa in Köln.
„Wir können nicht die Billigsten sein, aber die Besten“, sagt Unternehmenschef Dieter Morszeck beim Gang durch die Produktion. Er führt in dritter Generation die Geschäfte bei Rimowa und hat das Unternehmen groß gemacht. Als er 1984 den Chefposten im Familienunternehmen von seinem Vater übernahm, setzte Rimowa umgerechnet drei Millionen Euro um – inzwischen sind es mehr als 200 Millionen Euro.
Morszeck hat aus dem kleinen Mittelständler einen Luxushersteller geformt, der sich gegen Branchengrößen wie Samsonite behauptet. Und ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. Allein 2012 konnte das Unternehmen seine Erlöse um 20 Prozent steigern.
Insgesamt hat Rimowa an seinen Standorten in Tschechien, Kanada, Brasilien und Deutschland im vergangenen Jahr eine Million Koffer produziert. Mit der Entdeckung von Polycarbonat, einem zugleich robusten wie leichten Material, für die Herstellung von Koffern gelang Morszeck im Jahr 2000 der Durchbruch, zuvor hatte sich das Unternehmen auf Alukoffer spezialisiert. „Das war die beste Idee meines Lebens“, sagt er im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Heute besteht der größte Teil der verkauften Rimowa-Koffer aus dem Kunststoff und nicht mehr aus Aluminium. Am Standort in Köln werden aber noch die Alukoffer im Drei-Schicht-Betrieb in Handarbeit produziert.
Es ist warm in der Produktionshalle. Es riecht nach Schmieröl, Ventilatoren pusten warme Luft durch die Gänge. Arbeiter stehen in T-Shirts vor kleinen Tischen und drücken mit alten gusseisernen Geräten Nieten in silberfarbene, geriffelte Aluplatten. Klack-klack-klack-klack – keine Beule im Material, nicht einmal einen Kratzer sieht man am Ende nach der heftigen Attacke der Mitarbeiter auf dem Koffer. Das Stück hat sich den Rimowa-Aufkleber verdient.
Dieter Morszeck auf seinem Schleudersitz
Oliver Schmauch für Handelsblatt
Dieter Morszecks Vater Richard hat den Namen in den 50er-Jahren geformt, er leitet sich aus „Richard Morszeck Warenzeichen“ ab. Der Senior prägte auch die typische Riffel-Struktur der Gepäckstücke. 1950 kam er auf die Idee, die Aluverkleidung von Flugzeugen für Koffer zu verwenden. Im Büro von Dieter Morszeck hängt ein Bild seines Vaters an der Wand, daneben eines von seinem Großvater, der das Unternehmen 1898 gründete.
Obwohl heute der größte Teil der Koffer aus Polycarbonat besteht, ist die starke Verbindung zur Luftfahrt geblieben. Morszeck ist begeisterter Hobbypilot. In seinem Büro sitzt der 60-Jährige auf einem Original-Schleudersitz aus einem alten Flugzeug, auch der Schreibtisch des Rimowa-Chefs stammt aus der Luftfahrt, geformt aus dem Höhenleitwerk einer DC-9.
Dahinter sind Koffermodelle mit dem typischen Rillenmuster neben einem Dutzend Modellflugzeugen aufgereiht. Eine andere Wand zieren Bilder seiner Abenteuer: ein Foto mit Widmung der Band Kiss, Morszeck mit Fliegerkappe, ein Bild von Rio de Janeiro. „Neben Köln die schönste Stadt der Welt“, schwärmt er.
Unermüdlich ist Morszeck rund um den Globus unterwegs, um für seine Koffer zu werben. Über die Jahre hat er dabei ein Markenimage aufgebaut, an dem sich nur Louis Vuitton messen kann. Chace Crawford aus „Gossip Girl“, einer Serie über die New Yorker Upper Class, lässt sich mit dem Koffer ablichten, Hollywood-Schauspieler wie Ryan Gosling, Cameron Diaz und Gwyneth Paltrow ziehen ihn auf Flughäfen hinter sich her.
Das Produktplacement macht sich bezahlt. Unter 300 Euro bekommt man keinen Rimowa-Koffer, die teuersten Modelle kosten mehrere Tausend Euro. Dafür zählt das Unternehmen zu den wenigen Kofferherstellern, die nicht in Asien produzieren, sondern in Tschechien, Brasilien, Kanada – und Köln. Und das soll sich auch nicht ändern. „Wir bleiben in Deutschland“, sagt Morszeck, „wir bleiben in Köln.“ Auch die Produktpalette will er nicht erweitern. „Ich denke, wir müssen authentisch bleiben“, sagt er.
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