Gerade als Alex und Mora ausgestiegen waren, bremste auch Max Klausner mit seinem älteren Mercedes vor der angebauten Garage. „Gut, dass wir noch so schönes Herbstwetter haben, da denke ich, dass auch Bill, wenn er den Flugplan rasch genehmigt bekommen hat, in Kürze hier eintreffen wird“, sagte Alex.
Dann erklärte er auch Max Klausner, dass er schon auf der Herfahrt einen gewieften Personenschützer aus seiner Firma als zusätzliche Unterstützung beim professionellen Personenschutz angefordert hatte.
„Papa, stell dir vor, dieser Bill wird mit dem Firmenhubschrauber von Alex hierherkommen, vielleicht machen wir heute Nachmittag ja noch einen kleinen Alpenrundflug“, platzte Mora mit einem Blick auf den grimmig dreinschauenden Alex heraus.
„Sie nimmt ihre Gefährdungslage einfach immer noch nicht ernst“, erwiderte Max Klausner in Richtung des zustimmend nickenden Alex. „Ich wusste ja, dass ihre Firma gut läuft und Sie inzwischen sehr gut verdienen, aber dass Sie sogar eine eigene Flugbereitschaft betreiben, ist mir neu“, bemerkte er gleich danach.
„Tja, in meinem eigentlichen Geschäft kommt es eben häufig darauf an, schnell über große Distanzen verlegen zu können und deshalb haben wir letztes Jahr, nachdem auch ich den Pilotenschein gemacht habe, einen gebrauchten Jet Ranger vom Typ Bell 206 L-4 angeschafft. Die Maschine wird aber meistens von Bill und seinem Bruder Nick Carter, aus meiner Gruppe Personenschutz geflogen.
Die beiden haben das Hubschrauberfliegen schon während ihrer Zeit als U.S. Marines profimäßig gelernt. Und es ist ein Unterschied, ob ein Kampfpilot fliegt oder ob ich die Kiste steuere – bei mir reicht‘s halt nur, um sicher auf einem vorgeplanten Kurs von A nach B zu kommen. Da fällt mir ein, wo kann Bill denn mit unserem Vogel landen?“
„Nun sei mal nicht sauer, mein Lieber, man wird doch noch mal ‘nen Spaß machen dürfen – aber jetzt wieder ernsthaft: Ich denke, dass unsere große Wiese hinter dem Haupthaus dafür am besten geeignet ist“, schaltete sich Mora in das Gespräch ein.
„Bringen wir doch erstmal unsere Sachen ins Haus und ich zeige Alex unser Gästezimmer, in dem er übernachten kann“, fuhr sie an ihren Vater gewandt fort. „Und mein lieber Alex, morgen Vormittag kannst du mich zu unserem Grabungsfeld bei Bergen begleiten, das liegt nur wenige Kilometer von hier.
Ich muss meinem Team zumindest sagen, was passiert ist und warum ich voraussichtlich erst wieder in einer Woche voll mit in die Ausgrabung einsteige.“
„Zuvor checke ich aber erst mal das Haus und die Nebengebäude – schließlich wollen wir keine Überraschung erleben – und außerdem sollten wir jetzt gleich unsere Fahrzeuge von der Bildfläche verschwinden lassen“, erwiderte Alex.
Dabei betrachtete er prüfend die zum Anwesen gehörende große Scheune und das Nebengebäude. „Sie, Herr Klausner, haben ja eine angebaute Garage, daher werde ich meinen BMW, sofern dort Platz ist, dort in der großen Scheune unterbringen.“
„Kein Problem“, sagte Max Klausner. „Die Scheune steht seit Jahren bis auf einen alten Traktor komplett leer und das Rolltor ist groß genug, so dass man notfalls auch noch Ihren Hubschrauber darin unterbringen könnte.
Übrigens hat unser Wohnhaus eine moderne Überwachungs- und Alarmanlage – schließlich bringen wir beide hin und wieder auch teure Kunstgegenstände zur Begutachtung mit nach Hause. Wir hätten es also schon gemerkt, wenn wir inzwischen ungebetenen Besuch gehabt hätten.“
„Gut, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, deshalb drehe ich jetzt erst mal eine Runde um Ihr schönes Anwesen – ich komme dann gleich nach, außerdem muss ich Bill noch die GPS-Koordinaten des Landeplatzes durchgeben.“
Alex begann zu telefonieren, während er sich auf den Weg machte, konnte aber auf seinem Rundgang nichts Verdächtiges entdecken. Da der Hof auf einer nicht bewaldeten Anhöhe lag, war es zudem kaum möglich, unentdeckt bis zu den Gebäuden zu kommen. „Ein Pluspunkt für uns“, dachte Alex auf dem Weg zurück zum Haus. Dann parkte er seinen Wagen in die Scheune um, nahm seinen kleinen Notfallkoffer mit Ersatzwäsche und Reisenecessaire aus dem BMW und betrat das Wohnhaus.
Schon im Flur kam ihm Mora entgegen. „Komm mit, ich zeige dir dein Zimmer“, sagte sie, „Papa hat sich etwas hingelegt, die Aufregung der letzten Tage und die heutige Hin- und Rückfahrt nach München waren ein bisschen viel für ihn, schließlich ist er nicht mehr der Jüngste.“
„Okay, gönnen wir ihm seinen Nachmittagsschlaf, draußen ist übrigens alles in Ordnung“, erwiderte Alex. „Ein hübsch ausgestattetes Bauernhaus habt ihr hier – du musst mir nachher noch die Lage der Räume erklären.“
„Du willst doch nur wissen, wo mein Schlafzimmer ist“, entgegnete Mora mit einem Augenzwinkern. „Aber so weit sind wir noch lange nicht, mein schöner Polizist.“
„Blödsinn, was denkst du eigentlich von mir!“ Alex machte eine künstliche Pause und fixierte Mora grinsend mit seinen blauen Augen, was ihr sichtbar unter die Haut ging. „Du musst aber verstehen, dass ich einen Raum- und Lageplan des Hauses brauche, wenn ich euch wirksam beschützen soll. Außerdem hast du gelobt, all‘ meinen Sicherheitsanordnungen brav Folge zu leisten, oder?“
„Ist ja schon gut“, entgegnete Mora mit scheinbar missbilligend hochgezogenen Augenbrauen und einem scheinbar genervten Augenaufschlag. „Also, hier im Erdgeschoss haben wir das Wohnzimmer mit Gartenterrasse, eine Küche und zwei Büros, die mein Vater und ich als häusliche Arbeitszimmer nutzen und da vorne ist ein Gäste-WC und die Tür daneben führt zum Keller. Oben liegen die Schlafzimmer von meinem Vater und mir sowie zwei Bäder und noch vier Gästezimmer, die ich dir jetzt zeige – du hast also momentan die freie Auswahl für deine Unterbringung.“
Bei diesen Worten hatte sich Mora bereits mit raschen Schritten über die handgeschnitzte Eichentreppe zum Obergeschoss aufgemacht.
„Sehr geschmackvoll und gediegen“, bemerkte Alex anerkennend beim Anblick seines im Landhausstil eingerichteten Gästezimmers. „Gibt es oben drüber auch noch einen Dachboden?“
„Yep!“, und der Zugang dorthin führt über eine ausklappbare Leiter hier im oberen Flur“, antwortete Mora. „Ich geh‘ uns jetzt erst mal Kaffee machen und richte einen kleinen Imbiss her, aber vorher brauche ich noch etwas von dir.“
Bei diesen Worten hatte sich Mora katzengleich zu Alex herum gedreht und ihm einen heftigen, atemberaubenden Kuss aufgedrückt. „So, das muss erst mal reichen, wie du siehst, bist du nicht der Einzige, der sich ungefragt Küsse rauben darf.“
Noch ehe Alex darauf reagieren konnte, war Mora auch schon leise lachend durch die Tür und die Treppe hinunter gewirbelt. „Das kann ja heiter werden“, dachte sich Alex. „Diesen Wildfang zu zähmen, dürfte keine leichte Aufgabe werden – aber der Mensch wächst mit seinen Aufgaben – und ich wollte es auch gar nicht anders haben. Vielleicht ist das auch der Grund, warum es mit meinen Verflossenen nicht funktioniert hat, die waren mir halt mit der Zeit einfach zu oberflächlich und fade.“
In diesem Moment klingelte sein Mobiltelefon und es meldete sich Pitt Breuer, der Chef seiner Labortechnischen Gruppe.
„Hallo, Alex, ich habe einige sehr interessante Neuigkeiten für dich. Wir haben den elektronischen Footprint dieses Mitarbeiters von Frau Dr. Klausner analysiert. Demnach steht fest, dass sein Handy am Sonntagabend erst in eine Funkzelle bei Starnberg und kurz darauf in eine benachbarte Funkzelle nahe der Autobahn A95 eingeloggt war. Wenn du mich fragst, der Kerl war zur Tatzeit am Tatort.
Von diesem Gruber, den wir ja schon länger als Hehler von Kunstgegenständen verdächtigen, wissen wir bereits aus unseren bisherigen Ermittlungen, dass er in seinem Geschäft in München offenbar mit mehreren Prepaid-Handys arbeitet, die er zwar öfter mal wechselt, die wir aber nummerntechnisch alle kennen. Und jetzt kommt‘s: Eine der von ihm benutzten Rufnummern war am Sonntagabend exakt zur selben Zeit in die gleichen Funkzellen, wie das Handy von Leitner eingeloggt. Das kann ja wohl kaum mehr ein Zufall sein.“
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