1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 „Aber, Oma, du kennst ihn doch. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann macht er das auch.“
„Du sagst es, und dabei hatte er mir versprochen, keine „Kriminalfälle“ mehr zu lösen. Und da macht er mit dir an Weihnachten diese Verfolgungsjagden in Oberstdorf.“
„Zum Glück, Oma, sonst wäre ich wohl nicht bei der Entführung so glimpflich davon gekommen. – Du sagst, seine Wunde an der Hüfte verheilt nicht?“
„Genau, Britta, er muss schon bei der Erstversorgung in der Klinik in Oberstdorf oder dann hier in Bielefeld mit MRSA-Bakterien infiziert worden sein.“
„Mein neuer Freund hat mir erzählt, dass seine Tante aus Garmisch-Partenkirchen auch diese multiresistenten Bakterien hatte. Die ist jetzt aber geheilt.“
„Die Hoffnung habe ich natürlich auch. Aber die Antibiotika, die Opa Robert bisher erhalten hat, zeigen keine Wirkung.“
„Weißt du zufällig, was Opa bekommen hat?“
„Warum willst du das wissen? Ich dachte, du studierst Informatik und nicht Medizin.“
„Tu ich auch, aber ich will Gregor mal fragen, was seiner Tante geholfen hat.“
„Warte einen Augenblick. Ich habe mir das aufgeschrieben. Ich muss eben meinen Schreibblock aus dem Schrank holen.“ Kerstin legt den Hörer ihres veralteten Wählscheibentelefons auf den Zeitungsständer, geht hinüber zum dunklen Eichenschrank und kramt im Sekretär herum.
„Bist du noch dran, Schatz?“
„Natürlich, Oma, was denkst du denn. Ich habe mir sogar auch was zum Notieren geholt.“
„Also, was steht hier? Zuerst eine Kombination aus Glykopeptid-Antibiotika zusammen mit Rifampicin, anschließend mit Clindamycin, dann eine Kombination aus Fosfomycinund Fusidinsäure. Einmal haben sie auch nur ein einzelnes Antibiotikum gegeben mit dem Wirkstoff „Linezolid.“
„Oh Gott, oh Gott, das klingt ja nur nach Chemie. Haben die Ärzte es auch mal mit Naturheilkunde versucht?“
„Da bin ich glatt überfragt. Da musst du mal mit deinem Opa selber sprechen.“
„Ist Opa denn da?“
„Seine Fußballjacke hängt nicht im Flur. Aber eigentlich muss sein heutiges Spiel längst aus sein. Er wird sicherlich gleich kommen.“
„Ist gut, Oma, ich rufe heute Abend noch mal an. Bis dahin kann ich Gregor wegen seiner Tante interviewen.“
„Gregor, ist das dein neuer Freund?“ Kerstin kann ihre Neugier nicht zügeln. „Vielleicht wird da bald jemand Urgroßmutter?“
„Gregor-Maria zu Hohenstein, aber Freund ist vielleicht zu viel gesagt. Ich habe jetzt eine kleine Einliegerwohnung bekommen, und die gehört zu seiner Villa in Grünwald.“
„Ach, ist das nicht da, wo die Reichen und Schönen Münchens wohnen?“
„Doch, Oma, schön ist es schon. Aber davon erzähle ich dir ein anderes Mal, Gregor klopft schon ungeduldig an meine Tür.“
Kapitel 10 - Eishalle Oberstdorf 09.02., 20:30
Die EISBÄREN Oberstdorf verlassen mit hängenden Köpfen das Eis in Halle 2 des Eissportzentrums an der Nebelhornbahn. Soeben haben die Eishockeycracks das dritte Spiel in Folge in der Landesliga Süd/West verloren: gegen die RIVER KINGS aus Landsberg reichte es nur zu einem enttäuschenden 2:4.
Die vereinzelten „Endras raus“-Rufe der knapp hundert Zuschauer steigern sich nach dem Abpfiff der Partie und sind unüberhörbar. Die durch den Vorsitzenden Ulrich Winterscheid zustande gekommenen Transfers von drei DEL-Spielern haben keine Verbesserung gebracht. Der Torwart Bob Rapp wurde gleich nach seinem Debüt nach seiner Tätlichkeit gegen den Vereinspräsidenten noch in der ersten Januarwoche aus dem Vertrag entlassen. Die beiden anderen erhielten Abmahnungen, da sie zu wenig Engagement für den Fünft-Ligisten gezeigt hatten. Die Saisonziele mit dem Aufstieg sind bereits jetzt klar verfehlt worden.
Schweigend steht Trainer Peter Endras am Eingang zur Umkleidekabine und klopft jedem Spieler auf die Schulter. Resigniert hat er nur einen Kommentar: „Das war´s, Jungs!“
Seinem langsam in der letzten Woche gereiften Wunsch, sein Traineramt abzugeben, kommt Winterscheid zuvor. Er hat die einsame Entscheidung ohne Absprache mit den anderen Vorstandsmitgliedern getroffen und diktiert in der „Strafbank“, dem Restaurant über der Eishalle, in die Pressemikrofone:
„Meine Damen und Herren, ich muss Ihnen mitteilen, dass der Eishockeyverein EISBÄREN Oberstdorf mit sofortiger Wirkung seinen Trainer Peter Endras freigestellt hat. Die Entscheidung ist einstimmig und im gegenseitigen Einvernehmen mit Herrn Endras gefallen. Wir danken dem Peter für die geleistete Arbeit in den vergangenen Jahren. Die letzten Spiele dieser Saison wird Co-Trainer Fritz Senfhuber an der Bande stehen. Wir hoffen, dass der Verein dann im nächsten Jahr den angestrebten Aufstieg schaffen wird, ich werde mein Möglichstes dazu beitragen. Unserem Trainer Endras wünschen wir für die Zukunft alles Gute. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.“
Die Zuhörer haben dieses Statement Ulrich Winterscheids ohne große Emotionen aufgenommen. Der Rauswurf des Trainers war im Grunde schon erwartet und von der Lokalpresse gut eingeleitet worden.
Kapitel 11 - Bielefeld, Sparrenstraße 09.02., 21:35
In der ARD läuft wie üblich der „Tatort“, Robert Schibulskys Pflichtprogramm, schon aus altem Berufsethos heraus. Heute ermitteln die Berliner Kommissare Stark und Ritter zum 30. Mal. Dabei gibt Dominic Raacke im „Großen schwarzen Vogel“ letztmals den Kommissar Ritter.
Kurz vor Ende des Films, also kurz vor der Lösung des Falls, läutet das Telefon. Widerwillig schaltet Robert den Fernseher stumm und geht zum Telefonapparat: „Ja, hier Schibulsky“, bollert er in den Hörer.
„Entschuldige den späten Anruf, Opa.“
Als er die Stimme seiner Enkelin einordnen kann, hebt sich seine Stimmung schlagartig. „Ach du bist es, Britta. Oma hat mir schon angekündigt, dass du noch mit mir sprechen wolltest.“
„Genau, Opa. Ich hoffe, es geht dir gut.“
„Na ja, die Ärzte heute, verstecken sich hinter ihren Computern, aber praktisch ist nicht viel los mit denen.“
„Oma hat mir erzählt, dass du wegen MRSA immer noch eine offene Wunde hast.“
„Das ist richtig. Die haben schon verschiedene Antibiotika ausprobiert. Aber ich komme mir dabei langsam immer mehr wie ein Versuchskaninchen vor.“
„Hast du dich deshalb aus dem Evangelischen Krankenhaus entlassen lassen?“
„Ja, das ist aber nur ein Grund, Britta. Vier Wochen nur im Bett und auf der Krankenstation, da wird man ja rammdösig.“
Es entsteht eine kleine Pause. Dann nimmt Britta den Gesprächsfaden wieder auf: „Aber du weißt schon, dass diese Bakterien tödlich sein oder eine Amputation deines Beines nötig machen können?“
Robert antwortet wieder nicht sofort: „Ach, mach´ dir mal keine Gedanken. Unkraut vergeht nicht.“
„Ich habe mit meinem Freund gesprochen. Er kennt hier in München einen Spezialisten, der MRSA-Patienten mit einer alternativen, ganzheitlichen, biologisch und naturheilkundlich ausgerichteten Therapie behandelt. Er verwendet vornehmlich homöopathische, spagyrische, das heißt pflanzliche, und isopathische Medikamente. Gregors Tante ist dadurch schnell geheilt worden.“
„Davon habe ich auch was gehört, oder besser gelesen, deine Oma schlägt so etwas im Internet nach. Aber wer ist Gregor? Muss ich da etwas wissen?“
„Nichts Besonderes. Gregor-Maria zu Hohenstein ist ein Kommilitone, nichts Ernstes.“
„Wenn du das sagst. Aber denke an deine wilden Zeiten noch auf der Hauptschule. Die Arbeit geht vor, also dein Studium, danach steht dir alles frei. Enttäusche mich nicht.“
„Was hältst du denn davon, dass du mich hier in München besuchst. Ein Zimmer für zwei, drei Wochen würdest du bei uns bekommen und dann gehst du mal zu diesem Spezialisten Dr. Jorge Rolf.“
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