Robert Ullmann - Herbstfeuer
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„Wer heiß trinken kann, kann auch schweigen, sagt man“, der alte Fischer blickte Timmrin ernst ins Gesicht.
„Schweigen?“, fragte Timmrin.
„Nehmen wir an, du wurdest nicht in den Ghor gerempelt . Vielleicht hast du ja was ausgefressen… Wir haben heute erfahren, dass es einen Überfall auf die Kaserne gab.“ Timmrin erschrak innerlich. Die alte Frau blickte ihn verstört an. „Sei es drum“, fuhr der Fischer fort. „Wir sind dir jedenfalls nie begegnet, weder ich, noch meine Söhne, noch meine Frau. Hast du das begriffen?“ „Ja.“ „Gut. Dann lass uns essen.“ Als sie gegessen hatten, stand Timmrin auf, zog einen Thamen heraus und legte sich die nasse Jacke über die Schulter. Er wendete ihn einmal, legte ihn dann auf den Tisch und verabschiedete sich mit den Worten: „Ich wollt, es wäre mehr. Ich danke euch.“ Der Fischer sah ihn anerkennungsvoll an, griff langsam nach dem Geldstück und schabte es vom Tisch. Timmrin wandte sich um und ging hinaus. Er fand sich wieder in der Kälte eines frühen Spätherbstabends. Bald würde es dämmern und zu allem Überfluss fiel leichter Graupel. Timmrin entschied sich, dass Händlerviertel zu verlassen und trottete davon in Richtung Arbeiterviertel .
-3-
Timmrin starrte in seinen Krug und atmete die heißen Dämpfe ein, die daraus aufstiegen. Er hatte seinen letzten Thamen hergegeben für einen Krug heißes Wasser mit Brandwein. Die Mischung war stark. Er wollte trinken, hustete aber vorher vom heißen Alkoholdunst und setzte den Krug wieder ab. Es war warm in der Taverne zu „Aller Herren“. Bei dem Wort Herren schien es sich wohl um einen schlechten Witz zu handeln, oder um eine sarkastische Aufwertung. Die Gäste hier sahen schäbiger aus und die Einrichtung war noch heruntergekommener als in den wenigen Gasthäusern im Arbeiterviertel, in denen Timmrin schon gewesen war. Er wollte schneller trinken, damit der Inhalt des Kruges nicht kalt würde, hielt aber nach einem kräftigen Schluck wieder inne. Wenn er nicht trank, würde man ihn früher oder später hinauswerfen und Geld hatte er keines mehr. Anschreiben ließen die Wirte hier nicht, schon gar nicht von Leuten wie ihm. Dieses Getränk musste also noch eine Weile vorreichen, denn jede Minute im Warmen, in der Timmrins Kleider weiter trocknen konnten, war für ihn von unbezahlbarem Wert. Er wärmte seine Hände am Tonkrug und blickte in den Raum. Die Pinte war gefüllt. All die armen Teufel aus den Fabriken, zu denen er eigentlich auch gehörte, vertranken ihre Tageslöhne. Unter ihnen waren auch Frauen. Die Arbeit der einfachen Fabrikarbeiter begann um 6 Uhr morgens und endete um 7 Uhr abends, wenn es keine Sonderschichten gab. Es war Samstag, der Tag, an dem viele ihren halben Wochenlohn in einem der schäbigen Trinkhäuser der Stadt verprassten. Timmrin hatte seine Anstellung vor zwei Wochen verloren. Er war dazwischen gegangen, als einer der Schichtführer einen Arbeiter mit einer lehren Schnapsflasche niedergeschlagen und dessen Gesicht in die Glasscherben am Boden gepresst hatte. Man hatte von dem jungen Mann abgelassen, der eigentlich ein Knabe von etwa vierzehn Jahren war. Timmrin aber hatte eine Tracht Prügel erhalten, die er heute, zwei Wochen später, noch deutlich in den Knochen spürte. Er selbst war schon 23 und eigentlich hatte er Glück, in der Fabrik eine „kriegserforderliche Arbeit“ zu verrichten. Die meisten jungen Männer in seinem Alter mussten an die Front und nur die wenigsten waren inzwischen noch naiv genug, diesen Dienst als eine Ehre zu betrachten. Jetzt, wo er seine Arbeit verloren hatte, würde es ihn auch bald treffen. Vielleicht würde er aber auch zeitnah an einem Galgen enden. Er wusste nicht, für welche Möglichkeit er sich entscheiden würde, hätte er die Wahl. Es war nicht unüblich, dass die Arbeiter in den Fabriken beschimpft, oft auch geschlagen wurden. Aber in letzter Zeit waren die Willkür und die Strafmaßnahmen brutaler geworden. Den Leuten ihrerseits blieb keine andere Wahl: entweder die Front, der Hunger, der Bergbau oder die Fabrik. Die letzten beiden Optionen blieben sich gleich. Am besten unter den einfachen Leuten ging es in diesen Tagen jenen, die einen ertragreichen Hof hatten, als Knechte und Erntehelfer dort arbeiteten oder das Fischereirecht besaßen. Freilich konfiszierte der Staat große Mengen der Ernte. Doch Nahrung wurde gebraucht, im Land, wie auch an der Front. Die Alten, die Kranken, die Krüppel, die Geistesschwachen, sie alle hatten in den Städten das gleiche Los zu tragen. Sie mussten in den Fabriken schuften. Und diejenigen, denen die Werke gehörten? Man hörte oder sah kaum etwas von ihnen. Hier in Ersthafen lebten sie im ersten Bezirk auf der anderen Seite des Ghor. Der Zutritt war nur Soldaten und „Ehrenbürgern“ der Stadt gewährt – Ehrenbürgern, die das Leben von gut dreiviertel der Stadtbevölkerung zu einer Tortur machten, die manche das Leben kostete. Die Arbeitsunfälle hatten sich gehäuft, die Löhne waren erneut gesunken, die Arbeitsbedingungen noch unerträglicher geworden. Aber warum? Timmrin und viele andere kannten die Antwort: Es war der Krieg, ein Krieg, der schon seit mehr als zwölf Jahren den Kontinent in Atem hielt. Waffen wurden gebraucht, Munition, Kleidung und Stiefel für die Soldaten. Doch obgleich er die Geißel vieler war, schien niemand wirklich etwas zu unternehmen, diesen Krieg zu beenden - im Gegenteil. Einige gingen freiwillig an die Front, weil es für sie attraktiver schien als die Arbeit in den Fabriken. Andere wussten, dass sie, wenn sie lebend zurückkehrten, wenngleich als Krüppel, wenigstens geringe Abfindungen erhalten würden. Freilich reichten diese nicht zum Leben, aber die sonst so kaltherzigen Aristokraten und Kapitalisten waren zumindest dann gewillt, einen Thamen in eine Bettelschale zu werfen, wenn ein Veteran dahinter saß - ein Soldat, der dazu beigetragen hatte, den Krieg weiterzuführen, dem sie Reichtum und Wohlstand verdankten. Veteranen war es gestattet, sich im ersten Bezirk aufzuhalten und auch dort zu betteln. Was neben den entstellten oder im Geiste gebrochenen Kriegsheimkehrern die Alten, die Väter und Großväter, die Mütter und Großmütter oder die jungen Knaben und Mädchen betraf, die oftmals bereits von Kind auf in den Fabriken schufteten: Sie alle hassten den Krieg mehr als alles andere. Doch wer würde etwas unternehmen, der Hochkönig? Die Könige, die seine engen Berater waren und denen es an Besitz, Land und Investitionen nicht mangelte? Das Parlament, dessen Abgeordnete bestochen waren von den Besitzern der Fabriken und denen, die Patente auf Waffen besaßen, die zu tausenden hergestellt wurden? Nein, wenn jemand etwas bewegen würde, dann das einfache Volk. Und so kam es, dass sich mutige Männer versammelt hatten, um die Kaserne von Ersthafen niederzubrennen. Sie wollten ein Zeichen setzten, zeigen, dass sie es nicht länger hinnahmen, dass dieser Krieg das Leben so vieler zerstörte, die Ressourcen des Landes verschlang und es seiner Söhne beraubte – der Söhne Tamhalls. Die Wachen überrumpeln, die Fenster einschlagen, die Fackeln hindurch werfen und sich so schnell als möglich aus dem Staub machen - so der Plan. Freilich war es fraglich, ob die Kaserne überhaupt Feuer gefangen hätte. Die Rekruten in der Festung hätten sich in Sicherheit gebracht, vorher womöglich sogar noch das Feuer gelöscht. Aber es war im Grunde auch gar nicht darum gegangen, dachte Timmrin bei sich. Es war wohl das Ziel, das jeder von ihnen im inneren verfolgte, ein Feuer anderer Art zu entfachen, ein Feuer, das sich über ganz Tamhall ausbreiten sollte: ein Feuer in den Herzen der Menschen. Doch nicht viele würden überhaupt davon erfahren, was sich in jener Nacht zugetragen hatte. Die Soldaten hatten die Rebellen bereits erwartet und zusammengeschossen. Erklärung konnte es dafür nur eine geben: Verrat. Aber wer? Wer hätte dazu fähig sein können? Der Nachtwächter, ging es Timmrin durch den Kopf. Er hatte nicht viel zu gewinnen bei dieser Sache. Er musste sich nicht jeden Tag in eine Fabrik schleppen. Freilich, sein ältester Sohn sei im Krieg gefallen, sagt man. Aber stimmte das? Timmrins Gedanken konnten nicht länger um diese Verdächtigungen kreisen, zu groß war der Schmerz über den Verlust seiner Freunde. Ganz besonders musste er an Torek denken, der sich für ihn geopfert hatte. Er war tot, er musste tot sein. Sie alle mussten tot sein. Wenn es Überlebende gab, waren sie sicher gefangen genommen worden und ihr Schicksal besiegelt. Timmrin ballte eine Faust. Waren sie alle umsonst gestorben? Torek hatte sein Leben gegeben, damit Timmrin fliehen konnte. Das Gewissen des jungen Mannes ließ Gedanken aufkommen, die er bis jetzt verdrängt hatte. Nun fühlte er sich schuldig, weil er Torek nicht zur Seite gestanden hatte, obgleich es nur seinen eigenen Tod bedeutet hätte. Er fühlte sich schuldig, weil die anderen, möglicherweise alle, gestorben waren, er aber lebte. Doch was nützte ihm das jetzt? Wäre er doch nur mit den anderen umgekommen, dachte er. Vielleicht wäre es besser gewesen. Allein hatte Timmrin keine Chance mehr etwas zu bewegen, oder seine Kameraden zu rächen. Er konnte ja noch nicht einmal mehr für sich selbst sorgen. Sollte er die Stadt verlassen, so wie es vor vielen Jahren einige Männer und Frauen getan hatten, um sich als Landstreicher und Waldläufer durchzuschlagen? Auf Landstreicherei stand Gefängnisstrafe und Gefängnis bedeutete in diesen Tagen meist den Tod. Nicht einmal die Bauern hatten reichlich zu essen oder die Ernteknechte, noch weniger die Handwerker. Dienstleister konnten sich meist nur dann über Wasser halten, wenn sie für die Oberschicht arbeiteten. Am wenigsten hatten die niederen Fabrikarbeiter und Bettler. Was blieb da für den im Kerker inhaftierten? Nichts als schmutziges Wasser und Reste! Die „Verlorenen“ finden, irgendwo da draußen, sich ihnen anschießen, überlegte Timmrin. Es waren hauptsächlich Männer und einige Frauen, die vor Jahren die Stadt verlassen hatten, um sich im Dorngebirge zu verstecken. Sie waren heute nicht mehr als eine halbvergessene Legende. Doch ein Mann, der neulich in die Stadt kam, um etwas Salz zu kaufen, hatte für Gerüchte gesorgt. Er habe furchtbar ausgesehen, hatte Timmrin vor kurzem aufgeschnappt. Sein wuchernder, verfilzter Bart und seine langen, halb ergrauten fettigen Haare sollen kaum noch etwas von seinem Gesicht zu erkennen gegeben haben. Barfuß, seine Kleidung zerfetzt und schmutzig, seine Hände vernarbt, so hatte man ihn beschrieben. Auf die Frage nach seiner Herkunft soll er zur Antwort gegeben haben: „Aus den Bergen. Dort bin ich zuhause“. Vielleicht ein verrückter Bettler oder einfach ein verkommener Vagabund? Vielleicht ein Verlorener? Das Dorngebirge war ein Küstengebirge, nicht so hoch wie die Schneeberge im Landesinneren, auch nicht besonders weitläufig. Menschen gab es wenige dort. Ein paar wenige Bergbauern hatten sich in den Tälern niedergelassen, dort wo es Bäche gab. Es war zu felsig für den Ackerbau. Nur Schaf- und Ziegenbauern gab es dort. Neben seiner geringen Urbarkeit existierte ein weiterer Grund, das Dorngebirge zu meiden - Die Bergschrate: graupelzige Wölflinge, die in merkwürdigen Zungen sprachen, die niemand verstand. Vor vielen Jahren soll es Menschen gegeben haben, die ihre Sprache erlernt hatten. Heute sind sie scheu geworden und dennoch können sie sehr gefährlich werden, heißt es vielerorts. Behaarte Menschenähnliche hatte es auch in den Wäldern einmal hunderttausende gegeben. Als große Waldflächen gerodet wurden, um Holz für den Schiffbau zu gewinnen, schwand ihr Lebensraum. Es hatte schon immer Konflikte zwischen Menschen und Wölflingen gegeben, in jener Zeit aber große Kriege. Die Menschen benötigten zu dieser Zeit immer größere Mengen an Holz für den Bau von Städten, als Heizmaterial, später zur Errichtung ihrer Fabriken. Gewehre sollten hergestellt, heute schließlich auch die neuartigen Dampfmaschinen angetrieben werden, die mancherorts den Ackerboden der Großbauern bearbeiteten. Als immer größere Mengen von Bäumen, darunter auch die heiligen Riesenbäume der Waldschrate gefällt wurden, kam es vor fast zwanzig Jahren zum letzten großen Aufstand des Waldvolkes. Die Clans vereinten sich und schwarze, braune, wie rote Wölflinge des Waldes und ihre Mischlinge zogen in den Krieg. Sie verübten mehrere Massaker und machten die Waldstadt Bunthain dem Erdboden gleich. Für die Millitärs Tamhalls aber bedeutete dieser Konflikt keinen wirklichen Krieg, sondern viel mehr eine Gelegenheit, die Effizienz neuer Feuerwaffen an den Tiermenschen zu erproben. Die Schrate hatten den Salven der disziplinierten Schützenreihen nichts entgegenzusetzen und so flohen sie tiefer in die Wälder. Heute leben einige von ihnen in kleinen Reservationen, die sie nicht verlassen dürfen. Das sind meist mittelgroße Waldstücke, die von Wiesen umgeben sind. Außerhalb dieser darf Jagd auf sie gemacht werden, so wie auf gewöhnliche Tiere. Viele schon verhungerten, weil sie nicht genug Wild zu jagen hatten und nicht genug Früchte des Waldes finden konnten in den kleinen Reservationswäldern. Einige heißt es, verließen Tamhall in Richtung Osten, andere seien in die Berge geflohen, zu den grauen Bergschraten. Selten verirren sich Soldaten oder Jäger in die höheren Lagen des kargen Felsengebirges, wo sonst nur Wölfe, Luchse, Bären, Gämse und andere wilde Tiere leben. Tiefer im Dorngebirge soll es einige Höhlensysteme geben. Vielleicht hatten sich die Verlorenen in einem solchen verschanzt. Aber wie überlebten sie da oben? Von was ernährten sie sich und wie erwehrten sie sich der Schrate? Timmrin begann diese Gedanken zu vertreiben. Es waren Märchen, dachte er. Diese Leute waren alle tot. Ihm wurde klar, dass er sich diese Geschichten zurechtmalte, um der kalten Wirklichkeit zu entfliehen, in die er hineingeboren war. Sein Leben war entbehrungsreich gewesen. Von Kindheit an hatte es nur Arbeiten, Schlafen und sich um seinen jüngeren Bruder Kümmern bedeutet. Sein Vater war im Krieg gefallen. Seine Mutter war krank geworden. Sein kleiner Bruder war ein Krüppel gewesen von Geburt an. Timmrin und sein Onkel Torek hatten versucht, genug zu verdienen, um die beiden zu versorgen. Uranze, Timmrins Mutter, war vor einigen Jahren an Kummer, gebrochenem Herzen, an Krankheit und Hunger gestorben. Und nicht ganz einen Monat war es nun her, da hatte auch sein kleiner Bruder Tammrin für immer seine kleinen, unschuldigen Augen geschlossen. Eine kleine Träne kullerte über Timmrins Wange – und wieder ballten sich ihm die Fäuste! Und wer hatte Schuld? Er wusste es genau. Er kannte ihre luxuriösen Kutschen, in denen sie sich durch die Stadt bringen ließen, wenn sie sich ins Arbeiterviertel wagten, um ihre Werkshallen zu besuchen. Sie waren stets umgeben von Leibwächtern: finstere Männer, bewaffnet mit vierläufigen Pistolen und Faschinenmessern. Timmrin hatte auch von ihren technischen, kostspieligen Entwicklungen gehört: dampfbetriebene Maschinen kolossalen Ausmaßes, welche Pflüge ersetzen sollten, Kutschen ohne Pferde. Luxuriöse Bauwerke gab es im ersten Bezirk: Saunen, Bäder, Bordelle und Räumlichkeiten, in denen sich die Fabrikanten und Aristokraten trafen - zum Rauchen, zum Trinken, um sich geschwollene, hochgestochene Reden anzuhören. Mancherorts, so sagt man, gingen sie auch widernatürlichen Gelüsten nach. Sie mussten vernichtet werden, allesamt! Das war es, was Timmrin sich ersehnte. Sein Hass war beinahe größer geworden als sein Kummer, seine Angst und Verzweiflung. Timmrin trank wieder, diesmal lehrte er den Krug. Der Schankwirt wollte zu ihm herüberkommen, da tat er schnell so, als würde er weitertrinken. Wäre er an die Front gegangen, dachte er. Vielleicht hätte er Kriegsbeute mitgebracht, vielleicht genug um seine Familie zu ernähren. Von frühester Kindheit an hatte Timmrin in der Fabrik gearbeitet, mit seinen kleinen Fingern filigran die Papierpatronen mit Pulver gefüllt. Er war so schnell und gut in dem, was er tat, dass er auch später weiter in der Fabrik arbeiten durfte und nicht an die Front musste. In solchen Fällen zahlten die Fabrikmagnaten geringe Summen an den Staat, um sich Arbeiter, die eigentlich in wehrfähigem Alter und Zustand waren, für die Produktion zu „erkaufen“. Diese Fähigkeit, die beinahe alles war, was er beherrschte oder gelernt hatte, brachte Timmrin jetzt nicht mehr weiter. Was gab es überhaupt noch, an das er sich klammern konnte? Vom Hass allein schien er sich in diesem Augenblick zu ernähren, das wusste er. Doch was würde der ihm nützen? Den Kampf wieder aufnehmen? Wer würde ihm zur Seite stehen? Er wusste ja noch nicht einmal, woher er ein Dach über dem Kopf oder etwas zu essen bekommen sollte. Es gab NICHTS mehr für ihn in dieser kalten, unwirtlichen Welt. Sein Onkel Torek war tot. In die kleine Arbeiterwohnung konnte er nicht zurück. Er teilte sie mit elf anderen. Mehr als die Hälfte von ihnen fehlten jetzt und würden nie wieder zurückkehren. Der Stadtgarde konnte das genügen, um Rückschlüsse zu ziehen. Sicher wurden bereits die Wohnungen hunderter Arbeiter nach Waffen durchwühlt und Verhöre angestellt. Vermutlich wurde der eine oder andere ausgepeitscht, weil er die Ermittlungsarbeiten unzureichend unterstützte oder sich das nicht zur Anzeige bringen geplanter Straftaten nahelegen ließ. Und wenn es Kameraden gab, die überlebt hatten? Vielleicht hatte es außer ihm noch jemand anders geschafft. Aber dies brauchte schon mehr als Glück, dachte Timmrin. Die Wahrscheinlichkeit, einen von ihnen je wieder zu sehen, war mehr als gering. Und wieder überkam ihn tiefe, beißende Trauer. Plötzlich wurde er vom raunenden Gesprächston zweier Männer aus seinen Gedanken gerissen. „Hast du das mitbekommen? Die aus den Gruben und ein paar andere sollen eine Revolte angezettelt haben.“ Timmrin hatte sich von all den lauten Stimmen im Wirtshaus nicht aus seinem inneren Monolog ziehen lassen. Doch gerade der verhaltene Flüsterton des Mannes alarmierte ihn. „Das waren die Schüsse oder, letzte Nacht?“, erkundigte sich der Gesprächspartner. „Ja. Man sagt, die Soldaten haben nur wenige Salven gebraucht. Mich wundert nur ganz gehörig, wie sich die Gardisten so schnell formieren konnten. Immerhin haben die Jungs ja noch nicht mal die Kaserne erreicht. Die wurden alle auf der Brücke erledigt, wie´s scheint.“ „Nun, das ist glasklar. Die wurden erwartet. Irgendeiner hat gequatscht und die Gardeschweine wussten schon vorher, was gespielt wird.“ „Reiß dich mal zusammen“, empörte sich der andere. „Du kannst nicht schwätzen, wie dir das Maul gewachsen ist.“ „Wie ich schwätze bleibt sich gleich, solange ich keinen einfältigen Dung von mir gebe, wie du.“ Sein gegenüber wollte etwas erwidern, hielt aber inne, weil sich seine Aufmerksamkeit plötzlich auf die Tavernentür richtete. Ein Mann trat herein. Er war sehr hoch gewachsen. Sein schulterlanges Haar war vollständig ergraut. In sein Gesicht hatten sich einige Falten gegraben. Auch Timmrin bemerkte ihn sofort. Er schätzte ihn auf Anfang fünfzig. Der Fremde trug einen langen, grauen Wollumhang mit einer Kapuze, die nach hinten geschlagen war. Unter dem Umhang konnte Timmrin den Griff eines Schwertes hervorragen sehen. Der Alte zog seinen Mantel vor sich zusammen und schritt geradewegs auf den Tisch zu, an dem Timmrin saß. Die übrigen Tische waren voll. Nur Timmrin saß allein an seinem. „Habt Ihr noch Platz für mich?“, erkundigte sich eine raue, gelassene Stimme. „Das fragt man nicht in diesen Vierteln“, entgegnete Timmrin. „Ihr seid nicht von hier, oder? Setzt Euch.“ Dieser Mann war gewiss nicht von hier, oder jedenfalls gehörte er nicht in diese Viertel. Timmrin hatte das beinahe gleich erkannt. Er war hier aufgewachsen und wusste es einem anzusehen, ob er diesem Teil der Stadt entstammte. „Was darf es sein?“, der Wirt war an den Tisch herangetreten. „Ein Becher Wein“, gab der Fremde zur Antwort. „Und du?“, wandte der Wirt sich zu Timmrin, der sich weit über seinen Krug gebeugt hatte, um das leere Trinkgefäß zu verbergen. „Also, ich…“, stammelte er. „Du hast nichts mehr im Krug. Bestell oder sieh zu, dass du hier raus kommst! Wir sind hier keine Schlafstube!“ Timmrin wollte etwas erwidern, kam aber nicht dazu, weil der Fremde sprach: „Gib ihm auch einen Becher.“ Ungläubig starrte der Wirt ihn an, nahm Timmrins lehren Krug und schlurfte zum Tresen. „Also…vielen Dank, mein Herr“, Timmrin blickte verlegen zum Spender. „Na sieh mal einer an. Ich bezahle dir einen Becher Wein und schon bin ich
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