Petra Lehnert
Die eine Hälfte Leben
meinem Sohn gewidmet
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Petra Lehnert Die eine Hälfte Leben meinem Sohn gewidmet Dieses ebook wurde erstellt bei
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Vorwort Vorwort Meine Tochter Antonia ist heute bei mir zu Besuch. Ich mache uns Kaffee und sehe von der Küche aus, wie unruhig sie auf dem Stuhl hin und her rutscht, mit großen, wunderschönen Augen, die neugierig und unruhig auf die Dinge warten, die da kommen. „Mama, erzähl’ mir alles von früher. Ich möchte jetzt endlich wissen, was damals los war!“ „Bleib ruhig, wir haben uns lange nicht gesehen, ich weiß nicht …“ Ich höre auf zu reden. Bin ich etwa misstrauisch? Ich kenne meine Tochter eigentlich gar nicht mehr. Wir haben uns geschlagene zehn Jahre nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht wie sie denkt und was sie fühlt. Ich weiß nicht, wer ihr erster Freund war, ob sie Liebeskummer hatte, wie sie alles verkraftet hat. Was darf ich ihr jetzt nach all den langen und sehr schmerzvollen Jahren erzählen? Was darf ich ihr erzählen? Ich weiß ja nicht einmal, ob ich mich freue, dass sie auf einmal hier ist. Einhunderttausend Mal habe ich mir gewünscht, sie möge doch aus eigenem Antrieb, weil sie mich vermisst, zu mir kommen. Doch zehn Jahre sind eine lange Zeit und in dieser Zeit habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass es nur wenige Menschen gibt, die einen als Mensch und Person vermissen und sich Gedanken um einen machen, auch wenn man sich nicht immer meldet. Es ist erschreckend, wie ähnlich sie mir doch sieht. Es ist, als würde ich in einen Spiegel von früher sehen und mich noch einmal betrachten und dann die bittere Wahrheit. Damals war ich so voller Tatendrang. Ich wollte so viel bewegen und jetzt habe ich nichts geschaffen von all dem, was ich damals wollte. Nur meinen Prinzipien bin ich treu geblieben, auch denen von damals. Man taucht wieder in eine alte Zeit, die endlos lange her ist – Jahrzehnte – und die ganzen Emotionen kommen wieder, die ganze Gefühlswelt zwischen Liebe und Hass. Es werden sicher Tränen rollen. Inwieweit habe ich jetzt noch das Recht, mein Kind zu belasten. Aber ich habe das Recht, mich zu entlasten, denn eine Schuld liegt schwer auf meinem Herzen, wie eine Last, die mich seit Jahren erdrückt. Aber es hat auch ihre Entwicklung beeinflusst und in erster Linie die eines zerrissenen Kindes, was nicht verdient hat, dass man ihr die Mutter nahm.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Nachwort
Impressum neobooks
Meine Tochter Antonia ist heute bei mir zu Besuch. Ich mache uns Kaffee und sehe von der Küche aus, wie unruhig sie auf dem Stuhl hin und her rutscht, mit großen, wunderschönen Augen, die neugierig und unruhig auf die Dinge warten, die da kommen.
„Mama, erzähl’ mir alles von früher. Ich möchte jetzt endlich wissen, was damals los war!“ „Bleib ruhig, wir haben uns lange nicht gesehen, ich weiß nicht …“ Ich höre auf zu reden. Bin ich etwa misstrauisch?
Ich kenne meine Tochter eigentlich gar nicht mehr. Wir haben uns geschlagene zehn Jahre nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht wie sie denkt und was sie fühlt. Ich weiß nicht, wer ihr erster Freund war, ob sie Liebeskummer hatte, wie sie alles verkraftet hat. Was darf ich ihr jetzt nach all den langen und sehr schmerzvollen Jahren erzählen? Was darf ich ihr erzählen? Ich weiß ja nicht einmal, ob ich mich freue, dass sie auf einmal hier ist. Einhunderttausend Mal habe ich mir gewünscht, sie möge doch aus eigenem Antrieb, weil sie mich vermisst, zu mir kommen. Doch zehn Jahre sind eine lange Zeit und in dieser Zeit habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass es nur wenige Menschen gibt, die einen als Mensch und Person vermissen und sich Gedanken um einen machen, auch wenn man sich nicht immer meldet.
Es ist erschreckend, wie ähnlich sie mir doch sieht. Es ist, als würde ich in einen Spiegel von früher sehen und mich noch einmal betrachten und dann die bittere Wahrheit. Damals war ich so voller Tatendrang. Ich wollte so viel bewegen und jetzt
habe ich nichts geschaffen von all dem, was ich damals wollte. Nur meinen Prinzipien bin ich treu geblieben, auch denen von damals.
Man taucht wieder in eine alte Zeit, die endlos lange her ist – Jahrzehnte – und die ganzen Emotionen kommen wieder, die ganze Gefühlswelt zwischen Liebe und Hass. Es werden sicher Tränen rollen. Inwieweit habe ich jetzt noch das Recht, mein Kind zu belasten. Aber ich habe das Recht, mich zu entlasten, denn eine Schuld liegt schwer auf meinem Herzen, wie eine Last, die mich seit Jahren erdrückt. Aber es hat auch ihre Entwicklung beeinflusst und in erster Linie die eines zerrissenen Kindes, was nicht verdient hat, dass man ihr die Mutter nahm.
Ich, Laura, nicht hässlich, nicht dumm, habe eine Krise. Eine furchtbare Krise. Ich werde 40 Jahre alt. Das eigentlich Schlimme ist: Ich kann es nicht ändern. Ich werde 40 Jahre alt, nicht 39, sondern wirklich schon 40! Mein fast erwachsener Sohn meint, dass ich noch ganz gut für mein Alter aussehe, gar nicht wie 40. Toll! Hilft mir aber auch nicht unbedingt weiter. Die Krise hab’ ich doch nicht wegen dem Aussehen, na, vielleicht auch ein bisschen, oder sagen wir einfach, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt. Ich werde 40 und habe nicht das im Leben erreicht, was ich einmal mit 20 oder auch noch mit 30 Jahren so wollte. Jetzt habe ich das Gefühl, dass es zu spät ist. „Es ist nie zu spät“, sagen wieder andere Menschen, aber ich fühle mich in einer unzufriedenen und ausweglosen Lage. Ich komme mir so schlecht vor meinem eigenen Gefühl und vor mir selbst vor, weil ich mich belüge und an dieser Lüge festhalte, jetzt schon seit fünf Jahren. Und auf der anderen Seite bin ich manchmal für andere ein Wohltäter, Schlichter, Engel oder ein Putzlappen und ein Aschenputtel. Ich lebe seit fünf Jahren mit einem Mann zusammen, der so selbstgefällig ist, dass man es kaum mit Worten beschreiben kann. Es ist manchmal direkt zum Totlachen und andererseits so abscheulich und kaltherzig, dass die Einsamkeit in einem hochsteigt und man sich so wunderbare Märchenwelten wünscht wie in den Träumen, die man als Kind hatte.
Geburtstagsvorbereitungen. Meine Kollegen kommen gegen 15.00 Uhr, aber Tine wollte mir noch Bescheid geben. Ein Schwein wird angeliefert. Das bedeutet wenig Arbeit für mich. Ich muss nur Sauerkraut, Bouletten und Rustikales zubereiten.
Das ist ein Schwein für die Gäste. Ich esse es nicht einmal, aber es war die prima Idee von W. Na ja, ein Hungertag bekommt mir auch ganz gut. Das Wetter sieht heute auch nicht so gut aus. Der Himmel weint wohl, weil ich 40 Jahre alt werde. Könnte jetzt nicht ein Lebensretter den Garten betreten und mich von hier fortbringen in eine unbeschwerte glückliche Zeit, in die Ewigkeit …? Oh Gott, was für schlechte Gedanken. Ich lebe mit einem Mann zusammen und wünsche mir etwas anderes. Ich würde mir wünschen, dass er eines Tages in seinem Leben für mich da sein würde, mich versuchen zu verstehen und mir das Gefühl geben würde, dass er mich wirklich liebt. Doch warum denke ich immer, dass er mich belügt, wenn er davon spricht? Ganz einfach, weil das immer mit irgendwelchen Aufträgen verbunden ist oder einen sexuellen Hintergrund hat. Einen Grund, an dem ihm gelegen ist, der nichts mit mir als Mensch zu tun hat.
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