e. Problematik der Geld-Regel
Die Problematik dieser Regel ist sehr vielschichtig und wirkt sich auf unterschiedliche Weisen aus. Dabei verstärken sich die negativen Wirkungen der unterschiedlichen Effekte untereinander. Die Verschiebung der Regeln, weg von den gesellschaftlichen Interessen, hin zu den Interessen derer, die das Geld kontrollieren, führt zu Armut und damit zu Chancenungleichheit. Dies wird gesondert betrachtet und deshalb nun hier ausgeklammert.
Ein anderes Problem ist bei der Technik und den Dienstleistungen zu sehen. Hier ist es nämlich so, dass diejenigen, die Geld kontrollieren, eine bestimmte Palette an Produkten oder Dienstleistungen anbieten. Bezüglich dieser Produkte haben sie Kernkompetenzen aufgebaut und beherrschen diese Märkte. In diesen Märkten müssen und können sie sich gegen bekannte Konkurrenten behaupten, weil sie ihre Kernkompetenzen auf ihrer Seite wissen. Diese Unternehmen sind nicht gezwungen sich oder ihre Produkte neu zu erfinden und sich in neue Märkte vorzuwagen oder den Nutzen, bzw. die Interessen der Kunden immer wieder neu zu hinterfragen. Das ist eine bequeme und kostengünstige Situation, und man kann eigene Innovationen in aller Ruhe mit geringem Budget im Keller vorbereiten und erst in Notsituationen zum Vorschein bringen, dann nämlich, wenn der alte und bekannte Markt zusammen zu brechen droht.
Dafür gibt es gute Beispiele. Etwa RWE, EON und Co, die den Trend der erneuerbaren Energien aussitzen wollten und erst im letzten Moment auf den Zug aufgesprungen sind – als der Zerfall des traditionellen Marktes für Atom- und Kohlekraftwerke unausweichlich war. VW, Audi und Mercedes sind erst nach dem Dieselskandal von VW und dem Erscheinen des neuen Konkurrenten Tesla mit den Elektroautos aus ihren Kellern hervorgestiegen – als die Diskussionen ein Verbot von Verbrennungsmotoren in Aussicht stellten. Davor waren sie nur dabei sich zu beklagen, dass es nicht möglich wäre, schadstoffarme Autos zu bauen und haben ihre Muskel spielen lassen, um die gesetzlichen Anforderungen an die Abgaswerte aufzuweichen. Es wurde lieber Zeit und Geld in Lobbyismus investiert, als innovativ die Chance neuer Märkte zu ergreifen, so wie es andere getan haben. Denn wie heißt es so schön: „Warum in das Weite schweifen, wenn das Gute liegt so nah.“ Hier sind damit die alten Märkte gemeint.
Die Regel des Geldes bringt somit die Problematik hervor, dass neu erwachtes Bewusstsein der Gesellschaft, wie etwa Umweltschutz, Schadstofffreiheit der Produkte oder faire Produktionsbedingungen ausgeklammert werden können. Etwa dadurch, dass Standards verwässert werden, und jeder Marktteilnehmer gut aussieht, oder dass die Ideen für eine nötige Anschubfinanzierung für neue und wichtige Märkte fallen gelassen werden, oder neue Trends, die Produkte unnötig machen, als umsatzgefährend und damit arbeitsplatzzerstörend dargestellt werden. Diese Diskussionen wurden lebhaft geführt, als Apps dafür sorgten, dass Autos nicht mehr so leer fahren sollten und Taxiunternehmen sich bedroht sahen. Der Trend zu einer nachhaltigen Welt wird in erster Linie durch Lobbyismus gebremst, oder eben durch die Regel des Geldes. Weil Lobbyismus in einer gewissen Weise auf Innovationen eine Monopolstellung einzunehmen versucht und den Wandel bekannter oder anders gesagt überalterter und nicht mehr zeitgemäßer Märkte zu unterbinden versucht. Auf diese Weise wird die Gesellschaft um zusätzlichen Nutzen betrogen, der noch nicht einmal in erster Linie etwas mit Chancenungleichheit oder Armut zu tun haben muss.
Zusammenfassend läuft es darauf hinaus, dass die Geld-Regel innovationshemmend ist, denn sie führt zu einer Kapitalmacht, mit dem Resultat, dass sich nicht der bessere, effizientere oder kundenorientiertere durchsetzt, sondern der Reichere.
In diesem Sinne hat es dann doch wieder etwas mit Chancenungleichheit zu tun.
f. Vergleichsproblematiken aus der Vergangenheit
Ein Armutsproblem hat es noch immer gegeben. Unabhängig von der Rechtsform, ob Königshaus, Diktatur oder Demokratie, auch unabhängig von der Wirtschaftsstruktur, wie Kapitalismus oder sogenanntem Kommunismus.
Eines aber hatten alle Strukturen gemein. Es gab einen Mechanismus, der einen Zwang ausübte, damit viele auf Wohlstand verzichten, gleichzeitig die Arbeit leisten und es anderen dadurch ermöglichen, reich und mächtig zu sein. Als Dank für diese Aufopferung erhalten sie absolute Missachtung ihrer Werte. Bis heute wird geringschätzig von armen Menschen gesprochen.
Dieses Abwertende ist in unseren Köpfen geblieben, denn wir sehen das Problem darin, dass die Armen unseren Wohlstand wollen und verstehen nicht, dass wir auf ihre Kosten leben. Sie wollen nicht etwas von uns, sondern wir sind es, die über ein Machtinstrument verfügen, das die Armen versklavt.
Durch die gesamte Geschichte hindurch gab es Strukturen, die so geschaffen waren, dass eine Minderheit auf Kosten der Mehrheit leben konnte. Die Minderheit bestand aus einer Mischung derer, die Regeln erstellten oder Geld besaßen, oft, aber nicht immer, auch beides. Auch war es von jeher ein Bestreben eben dieser Minderheit, die Grenze zu anderen Schichten möglichst undurchlässig zu lassen. Mit dem Spruch „Blut ist dicker als Wasser“ kann man das Bestreben der Oberschicht gut darstellen. Man will unter sich bleiben, weil die Privilegien nicht auf alle ausweitbar sind. Lebt man nämlich auf Kosten anderer, so muss es auch welche geben, die die Rechnung bezahlen. Dies ist das Geheimnis des außerordentlichen Reichtums. Hinzu kommt, dass jene, denen es gut geht, wollen, dass dies auch für deren Familien, Freunde und Nachkommen gilt. So war man stets bemüht, die Strukturen zu festigen, die den Wohlstand für eine Gruppierung sicherstellen sollte. Wurde das System gestürzt, gleich welcher Natur es war, änderte sich möglicherweise ein Teil der Gruppierung und die Strukturen. Es wurde aber schnellstmöglich versucht die Systematik oder vielmehr die Wirkung der alten Struktur wieder zu erzielen.
Die Wohlstandspyramide hatte eigentlich immer Bestand und jedes Mal wenn sie oben zu eng wurde, kam es zu einem irgendwie gearteten Putsch, der die selbsternannte Elite vom Thron stürzte und dazu führte, dass sich eine neue Gruppierung dazu auserkoren sah, den Wohlstand für sich und Ihresgleichen beanspruchen zu dürfen. Die Darsteller wechselten ständig, oft genug blutig, aber das Theaterstück ist seit Jahrtausenden das Gleiche. Schuld daran ist die Gier, das fehlende gesellschaftsorientierte Denken und die Problematik, dass Reichtum Armut bedingt.
Wir kennen aus der Vergangenheit das Gutherrentum, bei dem die Ländereien vererbt oder von den Adligen oder Klöstern nach Gutdünken verteilt werden, damit die armen Bauern hart arbeiten und mit ihrem Ertrag die Wohlstandspyramide errichten dürfen. Je mehr man arbeiten musste, um so ärmer war man. Das System war geprägt von Ausbeutung und der Druck war vor allem auch durch die Armut so groß, sodass es vergleichsweise nur selten zu einem erfolgreichen Aufstand kam. Denn die Armut war so weit verbreitet und so stark ausgeprägt, dass jeder mit dem täglichen Kampf um sein Überleben und der aufzehrenden Arbeit so sehr ausgelastet war, dass nicht die Zeit blieb, sich mit Aufständen zu beschäftigen. Außerdem führten die sehr schwachen und vor allem vergänglichen Rechte der Armen dazu, dass man jederzeit seiner Existenzgrundlage beraubt werden konnte, und den Hungertod fürchten musste, wenn man seinem Unmut Luft gemacht hätte. Es gab einfach zu viele Arme, die auf die Gelegenheit hofften in der Gunst der Gutsbesitzer aufsteigen zu können, und durch harte Arbeit vor allem den Reichtum der Reichen zu mehren, solange man wenigstens die Gelegenheit bekam, den gröbsten Hunger seiner Familie zu stillen.
Diesen Konkurrenzkampf konnte, und kann aber nur aufrecht gehalten werden, solange eine breite Masse arm ist und viele nur allzu gern bereit sind, die Stelle desjenigen einzunehmen, der durch rebellische Forderungen seine Existenzgrundlage verliert. Somit ist auch hier die Armut der Grund warum Armut aufrecht gehalten werden kann.
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