Fjodor Dostojewski - Fjodor Dostojewski - Der Jüngling

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Fjodor Dostojewski: Der Jüngling: краткое содержание, описание и аннотация

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"Der Jüngling" von Fjodor Dostojewski erzählt von der psychischen Entwicklung eines ungefähr 20jährigen Mannes. Wegen seiner unehelichen Geburt kann er in der russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts nicht Fuß fassen. Zunächst zieht er sich auf sich selbst zurück und «rächt» sich durch Missachtung an der Gesellschaft. Sein Leben gewinnt an Schwung, als er seinem bis dahin weitgehend unbekannten Vater begegnet und sich von ihm beraten lässt. Doch als der Sohn das wahre Wesen des Vaters durchschaut, ändert sich ihr Verhältnis.
Dostojewskis «Jüngling» ist ein Roman voller anrührender Weisheiten, mitten aus dem realen Leben gegriffen.
Dieses E-Book enthält eine vollständige deutsche Ausgabe des Romans «Der Jüngling» von Fjodor Michailowitsch Dostojewski.

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»Du hast das sehr schön erzählt und mir alles so lebhaft wieder ins Gedächtnis zurückgerufen«, sagte Wersilow sehr ruhig und deutlich, »aber was mir in deiner Erzählung am meisten imponiert, das ist die Fülle merkwürdiger Details, zum Beispiel hinsichtlich meiner Schulden. Ich will gar nicht davon reden, daß die Erwähnung dieser Einzelheiten einigermaßen taktlos ist, aber ich begreife nicht, woher du diese Kenntnisse erlangt hast.«

»Woher ich die Kenntnis dieser Einzelheiten erlangt habe? Aber ich wiederhole Ihnen, daß ich während dieser ganzen neun Jahre weiter nichts getan habe, als mir eingehende Kenntnisse über Sie zu verschaffen.«

»Ein seltsames Bekenntnis und ein seltsamer Zeitvertreib.«

Er drehte sich in halb liegender Haltung auf seinem Lehnstuhl herum und gähnte sogar ein wenig – ob absichtlich oder nicht, weiß ich nicht.

»Nun, wie ist's? Soll ich weitererzählen, wie ich von Touchard zu Ihnen fliehen wollte?«

»Verbieten Sie es ihm, Andrej Petrowitsch! Jagen Sie ihn einfach aus dem Zimmer!« rief Tatjana Pawlowna heftig.

»Das geht nicht, Tatjana Pawlowna«, erwiderte Wersilow nachdrücklich. »Arkadij hat sich augenscheinlich etwas vorgenommen, und folglich muß man ihn unbedingt die Sache zu Ende bringen lassen. Mag er es also tun! Hat er's erzählt, dann ist er die Last vom Herzen los, und das ist ja für ihn die Hauptsache. Fang nur deine neue Geschichte an, mein Lieber; das heißt, wenn ich sage ›neu‹, so rege dich deswegen nicht auf, sei versichert, ich kenne das Ende.«

IV

»Wie ich floh, das heißt, wie ich zu Ihnen fliehen wollte, das ist eine sehr einfache Geschichte. Erinnern Sie sich wohl noch, Tatjana Pawlowna, daß ungefähr zwei Wochen nach meinem Einzug Touchard Ihnen einen Brief schrieb, ja? Mir hat später Marja Iwanowna den Brief gezeigt, er hatte sich ebenfalls in den Papieren des verstorbenen Andronikow gefunden. Touchard war auf einmal zu der Ansicht gelangt, daß er zu wenig Geld für mich gefordert habe, und erklärte Ihnen nun in seinem Brief höchst ›würdevoll‹, in seinem Institut würden nur Söhne von Fürsten und Senatoren erzogen und er halte es mit dem Ansehen seines Institutes für unvereinbar, daß ihm ein Zögling von solcher Herkunft wie ich angehöre, wenn er nicht eine Zulage bekäme.«

»Mon cher, du könntest ...«

»Oh, seien Sie unbesorgt, seien Sie unbesorgt«, unterbrach ich ihn; »ich will nur ein bißchen von Touchard erzählen. Sie antworteten ihm vierzehn Tage darauf schon aus der Provinz, Tatjana Pawlowna, und schlugen es ihm rundweg ab. Ich erinnere mich, wie er damals mit dunkelrotem Kopf in unser Klassenzimmer hereinkam. Er war ein sehr kleiner, sehr stämmiger Franzose, etwa fünfundvierzig Jahre alt, und stammte tatsächlich aus Paris, wo er Schuster gewesen war, aber er war schon seit undenklichen Zeiten in Moskau an einer staatlichen Anstalt als Lehrer des Französischen angestellt und hatte sogar einen ziemlich hohen Rang, auf den er nicht wenig stolz war – ein ganz ungebildeter Mensch. Zöglinge waren wir bei ihm nur sechs, von denen einer wirklich der Neffe eines Moskauer Senators war, und wir lebten alle bei ihm ganz wie Mitglieder der Familie, im wesentlichen unter der Aufsicht seiner Frau, einer sehr affektierten Dame, der Tochter eines russischen Beamten. Ich hatte in diesen paar Wochen meinen Kameraden gegenüber sehr großgetan und mich mit meinem blauen Rock und mit meinem Papa Andrej Petrowitsch gebrüstet, und ihre Fragen, warum ich Dolgorukij hieße und nicht Wersilow, hatten mich nicht in Verlegenheit gesetzt, weil ich den Grund eben selbst nicht kannte.«

»Andrej Petrowitsch!« rief Tatjana Pawlowna in beinahe drohendem Ton. Meine Mutter dagegen folgte meiner Erzählung mit der größten Teilnahme und wünschte offenbar, daß ich fortfahren möchte.

»Ce Touchard ..., ich erinnere mich jetzt tatsächlich, daß er so ein kleiner, beweglicher Kerl war«, sagte Wersilow langsam, »aber er war mir damals von durchaus vertrauenswürdiger Seite empfohlen worden ...«

»Ce Touchard kam mit dem Brief in der Hand herein, trat an unseren großen eichenen Tisch, an dem wir alle sechs irgend etwas büffelten, faßte mich derb an der Schulter, riß mich von meinem Stuhl in die Höhe und befahl mir, meine Hefte zu nehmen.

»Dein Platz ist nicht hier, sondern dort!« schrie er und wies mich in ein winzig kleines Zimmerchen links vom Vorzimmer, wo nur ein einfacher Tisch, ein Rohrstuhl und ein mit Wachstuch überzogenes Sofa standen – genauso, wie jetzt bei mir oben in meinem Giebelzimmer. Erstaunt und höchst verschüchtert ging ich hinüber; ich war noch nie von jemand so grob behandelt worden. Eine halbe Stunde darauf, als Touchard das Klassenzimmer verlassen hatte, begann ich mit meinen Kameraden Blicke zu wechseln, und wir lachten uns gegenseitig an; natürlich lachten sie über mich, aber ich merkte das nicht und dachte, wir lachten einfach, weil wir vergnügt wären. Da kam plötzlich Touchard herheigestürzt, packte mich am Haar und riß mich heftig davon.

»Untersteh dich nicht, dich zu anständigen Kindern hinzusetzen; du bist von schlechter Herkunft und nicht besser als ein Lakai!«

Nach diesen Worten schlug er mich schmerzhaft auf meine volle, rote Backe. Das machte ihm sofort Vergnügen, und er schlug mich zum zweiten und zum dritten Mal. Ich weinte und schluchzte, ich war furchtbar erstaunt. Eine ganze Stunde lang saß ich da, das Gesicht mit den Händen, bedeckend, und weinte und weinte. Es war etwas geschehen, was ich absolut nicht begreifen konnte. Ich begriff nicht, wie ein eigentlich nicht boshafter Mensch wie Touchard, ein Ausländer, der sich sogar über die Befreiung der russischen Bauern gefreut hatte, einen so dummen kleinen Jungen wie mich hatte schlagen können. Übrigens war ich nur erstaunt, fühlte mich aber nicht beleidigt; mich beleidigt zu fühlen, das verstand ich noch nicht. Ich meinte, ich hätte irgendeine Unart begangen; wenn ich aber wieder artig wäre, so würde mir verziehen werden, und wir würden wieder alle vergnügt sein und auf den Hof gehen, um da zu spielen, und das schönste Leben führen, das man sich nur denken kann.«

»Wenn ich davon nur etwas gewußt hatte, mein Freund ...«, sagte Wersilow gedehnt mit dem lässigen Lächeln eines etwas ermüdeten Menschen. »Aber was ist dieser Touchard für eine Kanaille gewesen! Ich gebe jedoch noch nicht die Hoffnung auf, daß du deinem Herzen einen Stoß geben und uns schließlich das alles verzeihen wirst und wir dann wieder das schönste Leben führen werden, das man sich nur denken kann.«

Er gähnte nun deutlich.

»Ich erhebe ja gar keine Beschuldigungen, durchaus nicht, und glauben Sie mir, ich beklage mich auch nicht über Touchard!« rief ich, einigermaßen aus dem Konzept gebracht. »Geschlagen hat er mich ungefähr zwei Monate lang. Ich erinnere mich, daß ich ihn immer irgendwie entwaffnen wollte, auf ihn zustürzte, um ihm die Hände zu küssen, und sie auch wirklich küßte, und daß ich immer weinte und weinte. Meine Kameraden lachten über mich und verachteten mich, weil Touchard anfing, mich manchmal wie einen Bedienten zu gebrauchen, und mir befahl, ihm seine Kleider hinzureichen, wenn er sich anzog. Dabei kam mir meine Bedientennatur unwillkürlich zustatten: ich gab mir die größte Mühe, es ihm recht zu machen, und fühlte mich in keiner Weise beleidigt, weil ich eben noch nichts von alledem verstand, und ich wundere mich sogar bis heute noch darüber, daß ich damals noch so dumm war, meine niedrige Stellung den andern gegenüber nicht zu begreifen. Allerdings erklärten meine Kameraden mir auch damals schon manches, es war eine nette Vorschule. Später liebte Touchard es mehr, mich von hinten mit dem Knie zu stoßen als mir ins Gesicht zu schlagen, und nach einem halben Jahr war er mitunter sogar freundlich zu mir; nur ab und zu, aber sicher einmal im Monat, schlug er mich noch, zur Erinnerung, damit ich nicht vergäße, wer ich sei. Auch durfte ich bald wieder mit den andern Knaben zusammensitzen und mit ihnen spielen; aber nicht ein einziges Mal in den ganzen zweieinhalb Jahren vergaß Touchard den Unterschied unserer sozialen Stellung und gebrauchte mich, wenn auch nicht in starkem Maße, aber doch immer noch beständig zu allerlei. Dienstleistungen, und zwar – wie ich glaube –, um meinem Gedächtnis zu Hilfe zu kommen.

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