Fjodor Dostojewski - Fjodor Dostojewski - Der Jüngling

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Fjodor Dostojewski: Der Jüngling: краткое содержание, описание и аннотация

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"Der Jüngling" von Fjodor Dostojewski erzählt von der psychischen Entwicklung eines ungefähr 20jährigen Mannes. Wegen seiner unehelichen Geburt kann er in der russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts nicht Fuß fassen. Zunächst zieht er sich auf sich selbst zurück und «rächt» sich durch Missachtung an der Gesellschaft. Sein Leben gewinnt an Schwung, als er seinem bis dahin weitgehend unbekannten Vater begegnet und sich von ihm beraten lässt. Doch als der Sohn das wahre Wesen des Vaters durchschaut, ändert sich ihr Verhältnis.
Dostojewskis «Jüngling» ist ein Roman voller anrührender Weisheiten, mitten aus dem realen Leben gegriffen.
Dieses E-Book enthält eine vollständige deutsche Ausgabe des Romans «Der Jüngling» von Fjodor Michailowitsch Dostojewski.

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»Er schildert das alles mit besonderer Liebe«, bemerkte Wersilow, zu Tatjana Pawlowna gewendet; diese wandte sich ab und gab keine Antwort.

»Ich sehe Sie noch in Ihrer damaligen schönen, blühenden Erscheinung vor mir, als wäre es heute. Sie sind in diesen neun Jahren erstaunlich gealtert und haben sich sehr zu Ihrem Nachteil verändert, verzeihen Sie diese Offenherzigkeit; übrigens waren Sie damals auch schon siebenunddreißig, aber ich konnte mich an Ihnen gar nicht satt sehen: was hatten Sie für wundervolles Haar, fast ganz schwarz, mit einem glänzenden Schimmer, ohne die geringste Spur von Grau; der Schnurrbart und der Backenbart sahen aus, als hätte sie ein Juwelier gemacht, – ich kann mich nicht anders ausdrücken; das Gesicht war von einer matten Blässe, nicht von einer solchen kränklichen Blässe wie jetzt, sondern so, wie es jetzt bei Ihrer Tochter Anna Andrejewna der Fall ist, die ich vorhin die Ehre hatte kennenzulernen; dazu kamen noch die feurigen, dunklen Augen und die blitzenden Zähne, besonders wenn Sie lachten. Sie fingen nämlich, als ich eintrat, bei meinem Anblick an zu lachen; ich besaß damals nur wenig Urteilskraft, und Ihr Lachen machte mein Herz nur fröhlich. Sie trugen an diesem Morgen ein dunkelblaues Samtjackett, ein gesticktes solferinofarbenes Halstuch und ein prachtvolles Hemd mit Alençonspitzen, und Sie standen mit einem Heft in der Hand vor dem Spiegel und studierten sich Tschazkijs letzten Monolog ein und besonders seinen letzten Ausruf:

›Den Wagen, schnell den Wagen!‹«

»Ach mein Gott«, rief Wersilow, »da hat er ja recht! Ich hatte es damals trotz der kurzen Dauer meines Aufenthalts in Moskau wegen Schilejkos Erkrankung übernommen, bei Alexandra Petrowna Witowtowa auf ihrer Hausbühne den Tschazkij zu spielen!«

»Hatten Sie das wirklich vergessen?« fragte Tatjana Pawlowna lachend.

»Er hat mich wieder daran erinnert! Und ich muß gestehen, die paar Tage damals in Moskau sind vielleicht die glücklichste Zeit meines ganzen Lebens gewesen! Wir waren alle damals noch so jung ... und sahen alle der Zukunft mit heißer Erwartung entgegen ... Ich kam damals in Moskau unerwartet mit so vielen ... Aber fahre fort, mein Lieber, du hast diesmal sehr gut daran getan, daß du in deiner Erzählung so ausführlich warst ...«

»Ich stand da, sah Sie an und rief auf einmal: ›Ach, wie schön, der richtige Tschazkij!‹ Sie drehten sich schnell zu mir um und fragten: ›Weißt du denn schon etwas von Tschazkij?‹ und setzten sich auf das Sofa und machten sich in der heitersten Gemütsstimmung an Ihren Kaffee – ich hätte Sie küssen mögen. Und da erzählte ich Ihnen, daß bei Andronikows alle sehr viel läsen und die jungen Damen viele Gedichte auswendig könnten und aus ›Verstand schafft Leiden‹ ganze Szenen unter sich spielten und daß wir uns alle in der ganzen vorigen Woche abends Turgenjews ›Aufzeichnungen eines Jägers‹ zusammen vorgelesen hätten und daß ich am meisten die Krylowschen Fabeln liebte und viele davon auswendig könnte. Sie forderten mich auf, etwas zu deklamieren, und ich sagte Ihnen ›Das wählerische Mädchen‹ auf:

›Ein Mädchen wünschte sich 'nen Mann.‹«

»Ganz richtig, ganz richtig, ja, jetzt erinnere ich mich an alles«, rief Wersilow wieder, »aber, mein Freund, auch an dich erinnere ich mich deutlich: du warst damals ein so netter Junge, sogar ein gewandter Junge, und ich versichere dir, du hast in diesen neun Jahren ebenfalls viel verloren.«

Nun begannen alle zu lachen, auch Tatjana Pawlowna selbst. Es war klar, daß Andrej Petrowitsch ein Späßchen machen und mir für meine boshafte Bemerkung über sein Altern mit gleicher Münze zahlen wollte. Alle wurden vergnügt, und es war ja auch von ihm sehr hübsch gesagt.

»Je weiter ich aufsagte, um so mehr lächelten Sie, aber ich war noch nicht bis zur Mitte gekommen, als Sie mich innehalten ließen, klingelten und dem eintretenden Diener befahlen, Tatjana Pawlowna herzubitten, die denn auch sogleich mit so vergnügtem Gesicht angelaufen kam, daß ich, der ich sie tags zuvor gesehen hatte, sie nun kaum wiedererkannte. In Tatjana Pawlownas Gegenwart fing ich ›Das wählerische Mädchen‹ noch einmal von vorn an und führte die Deklamation glänzend zu Ende; selbst Tatjana Pawlowna lächelte, und Sie, Andrej Petrowitsch, riefen sogar ›Bravo!‹ und bemerkten mit warmer Anerkennung, wenn ich ›Die Libelle und die Ameise‹ aufgesagt hätte, so wäre es noch nicht so erstaunlich gewesen, daß ein gescheiter Knabe in meinem Alter gescheit deklamiere; aber eine ganz andere Leistung sei doch die Fabel:

›Ein Mädchen wünschte sich 'nen Mann,

Was man nicht weiter tadeln kann.‹

›Hören Sie nur‹, sagten Sie, ›wie er das herausbringt: »Was man nicht weiter tadeln kann!«?‹ Kurz, Sie waren entzückt. Dann fingen Sie auf einmal an, mit Tatjana Pawlowna französisch zu sprechen; sie machte sofort ein finsteres Gesicht und widersprach Ihnen, sie wurde dabei sogar sehr erregt; aber da es unmöglich ist, Andrej Petrowitsch zu widersprechen, wenn er sich plötzlich etwas in den Kopf gesetzt hat, so führte Tatjana Pawlowna mich eilig nach ihrem Zimmer; dort wurden mir noch einmal Gesicht und Hände gewaschen, ich bekam frische Wäsche an, wurde pomadisiert, ja, es wurden mir sogar Locken gebrannt. Dann zog sich zum Abend Tatjana Pawlowna selbst recht elegant an, so wie ich es von ihr gar nicht erwartet hätte, und nahm mich im Wagen mit sich. Zum erstenmal in meinem Leben kam ich in ein Theater, in eine Liebhabervorstellung bei Frau Witowtowa; die Kerzen, die Kronleuchter, die Damen, die Offiziere, die Generale, die jungen Mädchen, der Vorhang, die Stuhlreihen – ich hatte noch nie etwas Ähnliches gesehen. Tatjana Pawlowna wählte sich ein ganz bescheidenes Plätzchen in einer der hintersten Reihen aus, und ich mußte mich neben sie setzen. Natürlich waren auch Kinder wie ich da, aber ich sah nach nichts mehr hin, sondern wartete mit stockendem Herzschlag auf die Vorstellung. Als Sie auftraten, Andrej Petrowitsch, war ich begeistert, so begeistert, daß mir sogar die Tränen kamen; warum, weshalb, das verstehe ich selbst nicht. Woher kamen diese Tränen der Begeisterung? – Das erschien mir immer wunderlich, wenn ich in diesen ganzen neun Jahren daran zurückdachte! In höchster Spannung folgte ich dem Gang des Lustspiels; ich verstand davon natürlich nur, daß sie ihm untreu wurde und daß dumme Menschen, die nicht soviel wert waren wie sein kleiner Finger, sich über ihn lustig machten. Als er sich auf dem Ball freimütig aussprach, da verstand ich, daß er erniedrigt und beleidigt war, daß er allen diesen kläglichen Menschen Vorwürfe machte, daß er selbst aber groß war, wahrhaft groß! Natürlich erleichterte auch die Vorbereitung, die ich bei Andronikows gehabt hatte, mir das Verständnis, aber es war ganz besonders auch Ihr Spiel, Andrej Petrowitsch! Ich sah zum erstenmal eine Bühne! Als am Schluß Tschazkij rief: ›Den Wagen, schnell den Wagen!‹ (und Sie riefen das wundervoll), da sprang ich vom Stuhl auf und klatschte mit dem ganzen laut applaudierenden Saal in die Hände und schrie aus voller Kehle: ›Bravo!‹ Ich erinnere mich lebhaft, daß ich in diesem Augenblick hinten ›unterhalb des Kreuzes‹ einen Schmerz wie von einem Stecknadelstich fühlte; Tatjana Pawlowna hatte mich wütend gekniffen, aber ich achtete gar nicht darauf! Selbstverständlich brachte mich Tatjana Pawlowna sofort nach der Vorstellung nach Hause: ›Zum Tanzen kannst du doch nicht dableiben; du bist bloß schuld daran, daß ich selbst nicht dableiben kann‹, so mäkelten Sie, Tatjana Pawlowna, auf der ganzen Rückfahrt. Die ganze Nacht war ich wie im Fieber, und am andern Morgen stand ich schon um zehn Uhr an der Tür Ihres Zimmers, Andrej Petrowitsch, aber das Zimmer war verschlossen: es waren bei Ihnen Leute, mit denen Sie geschäftlich verhandelten; dann fuhren Sie plötzlich weg und blieben den ganzen Tag bis spät in die Nacht hinein fort – auf diese Weise bekam ich Sie gar nicht zu sehen! Was ich Ihnen eigentlich damals sagen wollte, habe ich natürlich vergessen, und ich wußte es nicht einmal damals; aber ich hatte ein brennendes Verlangen, Sie so bald wie möglich zu sehen. Am folgenden Tage aber reisten Sie schon um acht Uhr morgens nach Serpuchow: Sie hatten damals soeben Ihr im Gouvernement Tula gelegenes Gut verkauft, um mit Ihren Gläubigern ins reine zu kommen, hatten aber dabei doch ein ganz nettes Sümmchen in den Händen behalten; das war der Grund, weswegen Sie damals auch Moskau wieder einmal besuchten, wo Sie sich bisher aus Furcht vor Ihren Gläubigern nicht hatten zeigen können; und nun war dieser Grobian in Serpuchow der einzige von all Ihren Gläubigern, der sich nicht mit fünfzig Prozent zufriedengeben wollte. Tatjana Pawlowna antwortete mir nicht einmal auf meine Fragen. ›Das geht dich nichts an‹, sagte sie, ›und übermorgen bringe ich dich in eine Pension; mach dich fertig, leg deine Hefte zusammen, bring deine Bücher in Ordnung; du könntest dich auch daran gewöhnen, deinen Koffer selbst zu packen, werde mir nur nicht dünkelhaft und arbeitsscheu, du junger Herr!‹ Und so ging es in einem Zuge: Sie haben mich in diesen drei Tagen gehörig betrommelt, Tatjana Pawlowna! Schließlich wurde ich zu Touchard in Pension gebracht, ich, der ich mich in meiner Unschuld in Sie verliebt hatte, Andrej Petrowitsch. Nun, meinetwegen mag man unsere ganze Begegnung für einen dummen Zufall halten, aber werden Sie es glauben: später, ein halbes Jahr darauf, wollte ich von Touchard zu Ihnen fliehen!«

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