Fjodor Dostojewski - Fjodor Dostojewski - Der Jüngling

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Fjodor Dostojewski: Der Jüngling: краткое содержание, описание и аннотация

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"Der Jüngling" von Fjodor Dostojewski erzählt von der psychischen Entwicklung eines ungefähr 20jährigen Mannes. Wegen seiner unehelichen Geburt kann er in der russischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts nicht Fuß fassen. Zunächst zieht er sich auf sich selbst zurück und «rächt» sich durch Missachtung an der Gesellschaft. Sein Leben gewinnt an Schwung, als er seinem bis dahin weitgehend unbekannten Vater begegnet und sich von ihm beraten lässt. Doch als der Sohn das wahre Wesen des Vaters durchschaut, ändert sich ihr Verhältnis.
Dostojewskis «Jüngling» ist ein Roman voller anrührender Weisheiten, mitten aus dem realen Leben gegriffen.
Dieses E-Book enthält eine vollständige deutsche Ausgabe des Romans «Der Jüngling» von Fjodor Michailowitsch Dostojewski.

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»Wenn Sie nicht einmal wußten, wo ich aufgewachsen bin, wie können Sie dann wissen, wodurch jemand ein Hypochonder wird?«

»Da haben wir des Rätsels Lösung: du hast dich gekränkt gefühlt, weil ich vergessen hatte, wo du aufgewachsen bist!«

»Durchaus nicht, beschuldigen Sie mich nicht fälschlich solcher Dummheiten! Mama, Andrej Petrowitsch hat mich soeben dafür gelobt, daß ich gelacht habe; nun gut, lassen Sie uns lachen – warum sitzen wir so trübselig da! Wenn es Ihnen recht ist, möchte ich Ihnen ein paar Geschichtchen aus meinem Leben erzählen, um so mehr, als Andrej Petrowitsch von meinen Erlebnissen absolut nichts weiß.«

Es kochte in mir. Ich wußte, daß wir nie wieder so zusammensitzen würden wie jetzt und daß, wenn ich dieses Haus würde verlassen haben, ich es nie mehr betreten würde, – und so konnte ich mich denn am Vorabend dieser wichtigen Entscheidung nicht beherrschen. Er selbst forderte mich dazu heraus, in dieser Weise Schluß zu machen.

»Das wird natürlich sehr nett sein, vorausgesetzt, daß es wirklich komisch ist«, bemerkte er, indem er mich durchdringend ansah. »Du bist da, wo du aufgewachsen bist, ein bißchen derb geworden, mein Freund, indessen, sonst bist du immer noch ziemlich manierlich. Er ist heute sehr liebenswürdig, Tatjana Pawlowna, und Sie haben sehr gut daran getan, daß Sie endlich das Paket aufgemacht haben.«

Aber Tatjana Pawlowna machte ein finsteres Gesicht; sie wandte sich bei seinen Worten nicht einmal nach ihm um und fuhr fort, das Paket aufzumachen und die Näschereien auf Teller, die ihr gereicht wurden, zu verteilen. Auch meine Mutter saß in verständnisloser Verwunderung da; natürlich merkte und ahnte sie, daß unser Rededuell einen üblen Ausgang nehmen würde. Meine Schwester berührte mich noch einmal am Ellbogen.

III

»Ich will euch allen nur erzählen«, begann ich mit der harmlosesten Miene, »wie ein Vater zum erstenmal mit seinem lieben Sohn zusammentraf; das begab sich gerade da, wo du aufgewachsen bist.«

»Mein Freund, wird das nicht ... langweilig sein? Du weißt: tous les genres ...«

»Machen Sie kein finsteres Gesicht, Andrej Petrowitsch; ich beabsichtige ganz und gar nicht das, was Sie glauben. Ich will weiter nichts, als daß alle lachen.«

»Möge Gott deinen Wunsch erhören, mein Lieber! Ich weiß, daß du uns alle liebhast und ... uns unsern Abend nicht wirst verderben wollen«, sagte er halblaut mit gekünstelter Lässigkeit.

»Das haben Sie gewiß auch aus meinem Gesicht erraten, daß ich Sie liebhabe?«

»Ja, zum Teil auch aus deinem Gesicht.«

»Na, und ich habe aus Tatjana Pawlownas Gesicht schon längst erraten, daß sie in mich verliebt ist. Sehen Sie mich nicht so grimmig an, Tatjana Pawlowna, lachen Sie lieber! Lachen Sie lieber!«

Sie drehte sich plötzlich schnell zu mir um und blickte mich etwa eine halbe Minute lang scharf an:

»Nimm dich in acht!« sagte sie und drohte mir mit dem Finger, aber so ernst, daß sich das entschieden nicht auf meinen dummen Scherz beziehen konnte, sondern eine Warnung vor etwas anderem war; als wollte sie sagen: ›Erdreistest du dich, Streit anzufangen?‹

»Andrej Petrowitsch, erinnern Sie sich wirklich nicht, wie ich mit Ihnen zum erstenmal im Leben zusammenkam?«

»Weiß Gott, ich hab's vergessen, mein Freund, und schäme mich herzlich. Ich erinnere mich nur, daß es vor sehr langer Zeit geschah, und es war irgendwo ...«

»Mama, erinnern Sie sich nicht, daß Sie auf dem Gut waren, wo ich, ich glaube bis zu meinem sechsten oder siebenten Jahr, aufwuchs, und die Hauptsache: sind Sie wirklich einmal auf diesem Gut gewesen, oder habe ich das nur geträumt, daß ich Sie dort zum erstenmal gesehen habe? Ich hatte Sie schon längst danach fragen wollen, verschob es aber; jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür gekommen.«

»Gewiß, Arkaschenjka, gewiß! Ja, ich bin dort bei Warwara Stepanowna dreimal zu Besuch gewesen; das erstemal kam ich, als du erst ein Jährchen alt warst, das zweitemal, als du vier, und das drittemal, als du sechs Jahre alt geworden warst.«

»Na, sehen Sie, danach hatte ich Sie den ganzen Monat fragen wollen.«

Meine Mutter war bei dem plötzlichen Andrang dieser Erinnerungen ganz rot geworden und fragte mich mit warmer Empfindung:

»Hast du mich denn wirklich von meinem Besuch dort noch in Erinnerung, Arkaschenjka?«

»Ich erinnere mich an nichts und weiß nichts: nur ein Eindruck von Ihrem Gesicht ist für das ganze Leben in meinem Herzen haftengeblieben, und außerdem ist mir das Bewußtsein geblieben, daß Sie meine Mutter sind. Ich sehe dieses ganze Gut jetzt wie im Traum und habe sogar meine Kinderfrau vergessen. An diese Warwara Stepanowna entsinne ich mich nur deswegen ein klein wenig, weil sie immer ein Zahnschmerzentuch um die Backe trug. Ich erinnere mich noch an riesige Bäume, die um das Haus herumstanden, ich glaube Linden, ferner an den kräftigen Sonnenschein, der manchmal durch die offenen Fenster hereindrang, an ein Vorgärtchen mit Blumen, an einen kleinen Steig. An Sie, Mama, erinnere ich mich deutlich nur in dem Augenblick, wo mir in der dortigen Kirche einmal das Abendmahl gereicht wurde und Sie mich in die Höhe hoben, damit ich das Sakrament empfing und den Kelch küßte; es war im Sommer, und eine Taube flog quer durch die Kuppel, von einem Fenster zum andern ...«

»Herrgott! So ist das alles wirklich gewesen!« rief meine Mutter und schlug die Hände zusammen. »Und auf das Täubchen besinne ich mich auch noch, wie wenn's heute wäre. Gerade als du mit dem Mund dicht am Kelch warst, fuhrst du zusammen und riefst: ›Eine Taube, eine Taube!‹«

»Ihr Gesicht oder etwas in diesem Gesicht, der Ausdruck desselben, ist mir so fest im Gedächtnis geblieben, daß ich Sie fünf Jahre darauf in Moskau sofort erkannte, obgleich mir damals niemand gesagt hatte, daß Sie meine Mutter seien. Aber als ich mit Andrej Petrowitsch zum erstenmal zusammenkam, wurde ich gerade von Andronikows weggenommen; bei denen hatte ich bis dahin still und vergnügt fünf Jahre verbracht. Auf ihre Dienstwohnung besinne ich mich noch bis in die unbedeutendsten Einzelheiten, und auf alle diese Frauen und Fräulein, die jetzt alle hier so alt geworden sind, und auf das volle Haus und auf Andronikow selbst, wie er alle möglichen Lebensmittel, Geflügel, Zander, Ferkel, selbst aus der Stadt in einer Markttasche herbeitrug, und wie er bei Tisch an Stelle seiner Gattin, die immer sehr vornehm tat, uns die Suppe aufschöpfte und wir, der ganze Tisch, immer darüber lachten und er als erster. Dort unterrichteten mich die Fräulein im Französischen; am meisten aber liebte ich die Krylowschen Fabeln, lernte eine Menge von ihnen auswendig und deklamierte Herrn Andronikow täglich eine Fabel, indem ich ohne weiteres zu ihm in sein kleines Arbeitszimmer ging, ganz gleich, ob er beschäftigt war oder nicht. Na, und sehen Sie, durch eine dieser Fabeln bin ich denn auch mit Ihnen bekannt geworden, Andrej Petrowitsch ... Ich sehe, Sie fangen an, sich zu erinnern.«

»Ja, es kommt mir so eine schwache Erinnerung, mein Lieber, daß du mir damals etwas aufgesagt hast ... eine Fabel oder etwas aus ›Verstand schafft Leiden‹, glaube ich. Aber was hast du für ein gutes Gedächtnis!«

»Ein gutes Gedächtnis? Meinen Sie? Ich habe ja die ganze Zeit einzig und allein daran gedacht.«

»Schön, schön, mein Lieber, du hast mich durch deine Erzählung ganz munter gemacht.«

Er lächelte sogar, und sofort fingen auch meine Mutter und meine Schwester an zu lächeln. Das Vertrauen kehrte wieder zurück; aber Tatjana Pawlowna, die die Näschereien auf dem Tisch zurechtgestellt und sich in eine Ecke gesetzt hatte, sah mich immer noch mit einem bösen Blick durchdringend an.

»Das trug sich folgendermaßen zu«, fuhr ich fort. »Eines schönen Morgens erschien, um mich abzuholen, die Freundin meiner Kindheit, Tatjana Pawlowna, die in meinem Leben immer plötzlich wie auf dem Theater zu erscheinen pflegte; ich wurde in einem Wagen nach einem herrschaftlichen Haus gefahren und in eine prächtige Wohnung geführt. Sie logierten damals bei Frau Fanariotowa, Andrej Petrowitsch, in ihrem leerstehenden Hause, das sie früher einmal von Ihnen selbst gekauft hatte; sie selbst befand sich damals im Ausland. Ich hatte bis dahin immer nur Jacken getragen; jetzt bekam ich auf einmal einen hübschen kleinen blauen Rock und vorzügliche Wäsche. Tatjana Pawlowna war den ganzen Tag über eifrig mit mir beschäftigt und kaufte mir eine Menge Sachen; ich aber ging durch all die unbewohnten Zimmer und besah mich in allen Spiegeln. So kam es, daß ich am andern Morgen gegen neun Uhr bei meinem Umherwandern in der Wohnung auf einmal ganz zufällig zu Ihnen in Ihr Zimmer hineingeriet. Ich hatte Sie schon tags zuvor gesehen, als man mich eben hingebracht hatte, aber nur flüchtig auf der Treppe. Sie stiegen die Treppe hinunter, um sich in den Wagen zu setzen und irgendwohin zu fahren; Sie waren damals allein nach Moskau gekommen, nach einer außerordentlich langen Abwesenheit und nur auf kurze Zeit, so daß man sich um Sie von allen Seiten riß und Sie beinah gar nicht mehr im Hause wohnten. Als Sie mir und Tatjana Pawlowna begegneten, sagten Sie nur in gedehntem Ton ›Ah!‹ und blieben nicht einmal stehen.«

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