Er hatte schon den Fellzipfel erhoben, um zu gehen, als ein leiser Ausruf ihn bewog, sich umzudrehen. Zarinska war auf dem Bärenfell in die Knie gesunken, ihr Gesicht strahlte in weiblicher Hingebung, und schamhaft schnallte sie ihm den schweren Gürtel auf. Er sah verwirrt auf sie hinab, misstrauisch, angestrengt auf den schwächsten Laut von draußen lauschend. Aber ihre nächste Bewegung verscheuchte alle Furcht, und er lächelte froh. Sie nahm aus ihrem Nähbeutel eine Elchfellscheide, die herrlich mit bunten Perlen in phantastischen Mustern verziert war. Sie zog sein großes Jagdmesser, betrachtete ehrfürchtig die scharfe Schneide, schien sie mit dem Daumen probieren zu wollen und schob sie hierauf in ihre neue Hülle. Dann steckte sie ihm die Scheide in den Gürtel, an ihren gewöhnlichen Platz, gerade über der Hüfte. Es war wie eine Szene aus alten Tagen – die Dame und ihr Ritter. Mackenzie hob sie dann auf und berührte ihre Lippen mit seinem Bart – diese ihr fremde Liebkosung der weißen Männer. Es war eine Begegnung zwischen Steinzeit und Stahlzeit. Die Luft zitterte von Erregung, als Mackenzie, ein Bündel unter dem Arm, den Zipfel von Thling-Tinnehs Zelt beiseite schlug. Die Kinder liefen draußen herum und sammelten trockenes Holz für den Potlach, ein Geschwirr von Weiberstimmen wuchs beständig, die jungen Männer berieten sich in murrenden Gruppen, und aus der Hütte des Schamanen ertönten die unheimlichen Klänge eines Beschwörungsgesanges.
Der Häuptling war allein mit seinem triefäugigen Weibe, aber ein Blick genügte, um Mackenzie zu erzählen, dass seine Neuigkeit bereits alt war. Er ging daher geradeswegs auf die Sache los, indem er die perlengestickte Scheide demonstrativ nach vorn schob, um die Verlobung bekanntzugeben.
»O Thling-Tinneh, du mächtiger Häuptling der Sticks und des Tanana-Landes, du Herrscher über Lachs und Bär, Elch und Rentier! Der weiße Mann steht in einer großen Sache vor dir. Viele Monde hat seine Wohnung leer gestanden, und er ist einsam. Und sein Herz hat sich in der Stille verzehrt und hungert nach einem Weibe, das neben ihm in seiner Wohnung sitzen und ihm, wenn er von der Jagd heimkehrt, warmes Feuer und gutes Essen bieten kann. Er hat seltsame Dinge gehört. Das Trippeln kleiner Mokassins und den Klang von Kinderstimmen. Und eines Nachts hatte er ein Gesicht, und er sah den Raben, der dein Vater ist, den großen Raben, der der Vater aller Sticks ist. Und der Rabe sprach zu dem einsamen weißen Manne und sagte: ›Binde dir deine Mokassins und schnalle dir deine Schneeschuhe an und belade deinen Schlitten mit Nahrung für viele Schläfe und mit schönen Geschenken für den Häuptling Thling-Tinneh. Denn du sollst dein Angesicht dorthin wenden, wo die Frühlingssonne hinter dem Land zu versinken pflegt, und nach den Jagdgründen dieses großen Häuptlings ziehen. Dort sollst du ihm reiche Geschenke machen, und Thling-Tinneh, der mein Sohn ist, soll dir ein Vater sein. In seiner Wohnung ist ein Mädchen, dem ich den Atem des Lebens für dich eingehaucht habe. Dies Mädchen sollst du zum Weibe nehmen.‹ O Häuptling, so sprach der große Rabe; und deshalb lege ich meine Geschenke vor deine Füße, deshalb bin ich gekommen, um deine Tochter zu nehmen!«
Der alte Mann wickelte sich mit dem würdigen Bewusstsein seiner Majestät in seine Felle, schob aber die Antwort hinaus, da ein Kind hereinkroch und ihm den Bescheid überbrachte, dass er in den Rat kommen solle, worauf es wieder verschwand.
»Oh, weißer Mann, den wir den Elchtöter genannt haben, auch bekannt als der Wolf und der Sohn des Wolfs! Wir wissen, du kommst von einem mächtigen Volke. Wir sind stolz, dass wir dich als Gast bei unserm Potlach haben; aber der Königslachs paart sich nicht mit dem Hundelachs, und so auch der Rabe nicht mit dem Wolf.«
»Nein, das stimmt nicht!« rief Mackenzie. »Ich habe die Töchter des Raben in den Lagern der Wölfe gefunden – die Squaw von Mortimer, die von Tregidgo und die von Barnaby, der vor zwei Eisbrüchen kam, und ich habe von anderen Squaws gehört, wenn meine Augen sie auch nicht sahen.«
»Sohn, deine Worte sind wahr; aber sie passen schlecht zusammen, wie Wasser und Sand, wie die Schneeflocken und Sonne. Hast du aber Mason und seine Squaw getroffen? Nein? Er kam vor zehn Eisbrüchen – der erste aller Wölfe. Und mit ihm kam ein mächtiger Mann, rank wie ein Weidenzweig, groß und stark wie der graue Bär, mit einem Herz wie der Sommermond; sein –«
»Oh!« unterbrach ihn Mackenzie, der sich der wohlbekannten Gestalt erinnerte – »Malemute Kid!«
»Ja, er war ein mächtiger Mann. Aber sahst du die Squaw? Sie war Zarinskas Schwester.«
»Nein, Häuptling, aber gehört habe ich von ihr. Mason – fern, fern im Norden zerschmetterte ihn eine Kiefer, schwer von Jahren. Aber seine Liebe war groß, und er hatte viel Gold. Mit dem und mit ihrem Knaben reiste sie zahllose Schläfe der Mittagssonne des Winters zu, und dort lebt sie noch – kein schneidender Frost, kein Schnee, keine Mitternachtssonne, keine Winternacht.«
Ein zweiter Bote unterbrach sie mit einer gebieterischen Aufforderung des Rates. Als Mackenzie ihn in den Schnee hinausjagte, sah er einen Augenblick schwankende Gestalten vor dem Ratsfeuer, hörte die tiefen Basstöne vom rhythmischen Gesang der Männer und wusste, dass der Schamane den Zorn des Volkes entfachte. Eile tat not. Er wandte sich an den Häuptling.
»Ich will dein Kind haben, und sieh, hier ist Tabak, Tee, hier sind viele Tassen Zucker, warme Decken, große und gute Tücher. Und hier, sieh, hier ist eine treffliche Büchse mit vielen Kugeln und viel Pulver.«
»Nein«, antwortete der alte Mann und wehrte sich gegen die großen Reichtümer, die vor ihm ausgebreitet waren. »In diesem Augenblick hat mein Volk sich versammelt. Es will nichts von dieser Heirat wissen.«
»Aber du bist der Häuptling.«
»Doch meine jungen Männer sind wütend, weil die Wölfe ihnen ihre Mädchen genommen haben, so dass sie nicht heiraten können.«
»Höre mich, o Thling-Tinneh! Ehe die Nacht dem Tage weicht, wird der Wolf seine Hunde nach den Bergen des Ostens wenden und in das Land des Yukons ziehen. Und Zarinska wird seinen Hunden den Weg bahnen.«
»Und ehe die Nacht halb vergangen ist, werfen meine jungen Männer vielleicht das Fleisch des Wolfes den Hunden vor, und seine Knochen liegen im Schnee verstreut, bis der Frühling sie bloßlegt.«
Das war Drohung. Mackenzies Bronzegesicht färbte sich dunkelrot. Er erhob seine Stimme. Die alte Squaw, die bis jetzt als passive Zuhörerin dabeigesessen hatte, versuchte, an ihnen vorbei zur Tür zu kriechen. Der Gesang der Männer brach plötzlich ab, und man hörte laute Stimmen; er warf die alte Frau unsanft auf ihr Fellager zurück.
»Noch einmal rufe ich: Höre mich, o Thling-Tinneh! Der Wolf stirbt mit zusammengebissenen Zähnen, und mit ihm werden zehn deiner stärksten Männer zur Ruhe gehen – Männer, die man vermissen wird, denn die Jagd hat längst begonnen, und es dauert nicht viele Monde, bis der Fischfang beginnt. Was nützt es euch, dass ich sterbe? Ich kenne die Gebräuche deines Volkes. Dein Anteil an meinem Reichtum wird nur sehr klein sein. Gibst du mir dein Kind, so ist alles dein. Noch eines: Meine Brüder werden kommen, und ihrer sind viele, und ihre Bäuche sind nie gefüllt; und die Töchter des Raben werden Kinder in den Wohnungen des Wolfes gebären. Mein Volk ist größer als dein Volk. Das ist die Bestimmung. Willige ein, und all diese Reichtümer sind dein.«
Mokassins knirschten draußen im Schnee. Mackenzie spannte den Hahn seiner Büchse und lockerte die beiden Revolver im Gürtel.
»Sag' ja, o Häuptling!«
»Aber mein Volk wird nein sagen.«
»Sag' ja, und alles dies ist dein. Mit deinem Volke werde ich später abrechnen.«
»Der Wolf will es so. Schön, ich nehme seine Geschenke – aber ich habe ihn gewarnt.«
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