Antonia beobachte Matthew und Julia. Gerne wäre sie genauso unbefangen mit den Männern umgegangen, aber sie fühlte sich von Matthew und Frank eingeschüchtert. Sie sahen beide so perfekt aus, sie selbst fühlte sich dagegen unattraktiv. Auch sie beobachtete die beiden morgens beim Frühstück, allerdings nicht so offen wie Julia und Robin. Das hätte sie sich nie getraut. Allerdings frühstückte sie auch nicht wie Robin und Julia in ihrem Schlafzeug. David hingegen hatte ihr gleich Vertrauen eingeflößt. Er sah bei weitem nicht so perfekt aus, David war etwas kleiner als sie und man konnte ihn nicht unbedingt als schlank bezeichnen. Er hatte keine dummen Sprüche auf Lager gehabt und erschien ihr sympathisch. Genauso wie Robin, denn auch er war kein Schönling, sondern ein absoluter Exot.
Julia hingegen beneidete sie um ihre lockere Art, sie kam bisher mit jeden hier klar, ließ sich nichts gefallen und man sah ihr an, dass sie Spaß hatte.
Unglaublich, dass sie bereits an dem Tag nach ihrer Ankunft einen Job hatte. Auch Antonia suchte nach Arbeit, aber bisher hatte sie nichts gefunden. Vielleicht sollte sie einfach Julia um Hilfe bitten? Allerdings war Julia selten allein und Antonia wollte sie nicht vor den Anderen fragen.
Später am Abend hatte Antonia Glück, denn Julia saß allein im Wohnzimmer.
„Julia, kann ich dich mal was fragen?“
„Ja, klar! Was gibt’s denn?“
In dem Moment kamen Matthew und Frank in die Stube. Mir fiel Antonias Blick auf, dass sie den beiden gegenüber unsicher war, konnte sie vor mir nicht verbergen.
„Gehen wir in mein Zimmer?“ bot ich ihr an.
Erleichtert nickte Antonia.
Als wir auf meinem Bett saßen, begann Antonia mir von ihrem Problem zu erzählen.
„Was für Arbeit suchst du denn?“
„Das ist mir ziemlich egal!“
„Hast du schon mal gejobbt?“
„Ja, in den Sommerferien.“
„Als was?“
„Verrätst du`s den Anderen?“ fragte sie mich unsicher.
„Warum sollte ich?“
„Ich hab’ geputzt“, verriet sie leise und sah mich dabei nicht an.
„Was ist daran so schlimm?“
Als Antonia nicht antwortete, redete ich weiter:
„Ich hab’ während meiner ersten beiden Semester auch geputzt.“
Erstaunt sah sie mich an.
„Danach hab’ ich dann in ner Kneipe angefangen, weil das besser bezahlt wurde, aber der erste Job war besser!“
„Wieso?“
„Wenn die Betrunkenen einen ewig anmachen kann das schon ganz schön nerven!“
„Dich stört das?“
„Ja, und ob! Wenn ich das Geld nicht bräuchte, würde ich meinen Job im `blue elegant` sofort hinschmeißen!“
„Wie kommst du dann mit Matthew und Frank klar?“
„Erfahrung.“
„Wie meinst du das?“
„Ich hab’ vorher in einer WG mit sieben Männern gelebt.“
„Und du warst die einzige Frau?“
„Ja, das war nicht immer leicht, aber ich hab’ gelernt, damit umzugehen.“
„Und warum hast du mitten im Studium die Uni gewechselt?“
Ihr konnte ich schlecht dieselbe Antwort geben wie Matthew.
„Hier hab´ ich mehr Möglichkeiten“, erwiderte ich also ausweichend.
„Antonia, wegen einem Job könntest du hier anrufen. Das ist eine Vermittlungsagentur für Studenten, die haben mir auch weiter geholfen.“
Sie sah sich die Nummer an.
„Da hab’ ich’s schon versucht, die nehmen wirklich nur Studenten.“
Ich überlegte kurz.
„Am Stadtrand gibt es eine Villa, dort wurde letzten Monat noch eine Hilfe gesucht. Vielleicht haben die noch niemanden.“
„Was für eine Hilfe?“
„Keine Ahnung, zu dem Vorstellungsgespräch war ich nicht mehr, weil ich ja schon was hatte.“
Ich schrieb Antonia die Nummer auf, dann gingen wir zurück ins Wohnzimmer.
David saß auf einem der Sessel. Matthew, Frank und Robin lümmelten auf der Couch. Es wunderte mich nicht, dass Antonia sich schnell den freien Sessel nahm. Entschuldigend sah sie mich an. Ich lächelte verständnisvoll, so hatte ich in meiner ersten WG auch angefangen.
„Komm her, Liebes!“ forderte Robin mich auf.
Er saß zwischen Frank und Matthew, rutschte nun dicht an Frank und klopfte auf das kleine Stückchen Platz zwischen ihm und Matthew.
Frank rutschte auch zur Seite, aber Matthew machte mir natürlich keinen Platz…
Es gab Tage, da bereute ich meinen Wechsel an diese Uni. Stoffmäßig hatte ich viel aufzuholen, dabei hatte man mir vorher versichert, dass diese Uni an derselben Stelle mit dem Hauptstudium anfangen würde wie meine Alte. Dennoch versuchte ich mich durchzukämpfen. Allerdings brauchte ich für heute eine Pause, irgendwie ging gar nichts mehr. Ich war müde, denn gestern hatte ich länger arbeiten müssen und danach hatte ich noch gelernt. Also ließ ich die letzte Vorlesung für heute sausen und ging nach Hause.
Ich hatte es mir gerade in meinem Bett gemütlich gemacht, da hörte ich, wie die Wohnungstür zuknallte, danach eine Zimmertür und dann hörte ich auch das leise Schluchzen. Also stand ich auf und klopfte an Antonias Zimmertür.
„Was ist denn los?“
Nun schüttete sie mir ihr Herz aus. Sie war einsam und schaffte es als Gasthörerin einfach nicht Kontakte zu knüpfen, außerdem wurde sie nie zu einer der Studentenpartys eingeladen.
„Haben Matthew und Frank dir nicht angeboten, dich mitzunehmen?“
„Doch, schon…“
Ich verstand.
„Was hältst du davon, wenn wir beide uns dieses Wochenende den Jungs anschließen?“
„Du würdest mit mir auf eine Party gehen?“
„Ja, klar! Warum auch nicht!“
„Du gehst doch sonst auf keine Partys“, überlegte sie laut.
„Glaubst du, ich hab’ Lust mit den beiden alleine zu gehen?“
Nun lächelte Antonia mich an.
„Aber du musst sie fragen!“ forderte sie.
Ich hörte wie Matthew und Frank kamen, wie immer waren sie nicht gerade leise.
Also ging ich gleich auf den Flur.
„Ist am Wochenende wieder eine Party?“ fragte ich ohne Begrüßung.
„Klar, morgen schon!“
„Nehmt ihr uns mit?“
Antonia stand mittlerweile hinter mir.
„Sicher, aber du fährst!“
Damit hatte ich gerechnet, also durfte ich wieder nichts trinken.
Nachdem das nun geklärt war, konnte ich mich endlich in mein Bett legen.
Am nächsten Morgen war ich etwas früher als gewöhnlich in der Uni, dort hängte ich einen Zettel an das schwarze Brett, denn ich suchte dringend Nachhilfe, mir war klar, dass ich sonst niemals den Anschluss finden würde.
Bereits am Mittag klingelte mein Handy.
„Hallo?“
„Hallo! Bist du diejenige, die Nachhilfe in Englisch braucht?“
„Ja, genau. Und du glaubst, du kannst mir helfen?“
„Ich bin im vorletzten Semester zum Dolmetscher. Und du?“
„Ich hab’ grad erst mit meinem Hauptstudium angefangen. Wie viel nimmst du?“ fragte ich gleich.
Ich hörte ein sympathisches Lachen.
„Wollen wir uns darüber persönlich unterhalten?“
„Wie wär’s um vier vor Sprachlabor zwei?“ schlug ich vor.
„Okay, bis nachher!“
Schon hatte er aufgelegt.
Da ich noch mit meinem Professor redete, kam ich mit etwas Verspätung aus dem Sprachlabor. Davor stand bereits ein junger Mann. Er hatte dunkelblondes Haar und war mehr als einen Kopf größer als ich.
Ich ging davon aus, dass er auf mich wartete, da sonst niemand hier war.
„Du hast mich heute Mittag angerufen?“ fragte ich.
„Hallo! Ich bin Kai!“
„Hallo Kai!“
„Und wie heißt du?“
„Julia.“
„Und du brauchst Hilfe in Englisch?“
Ich erklärte ihm mein Problem.
„Wer wechselt auch mitten im Studium die Uni?“
„Glaubst du, du kannst mir helfen?“
„Bei mir gibt’s grundsätzlich eine kostenlose Probestunde, dann werden wir schon sehen, ob wir miteinander auskommen.“
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