„Aha!“, murmelte Harry. „Ich dachte nur, ich wäre der Erste von uns, der die Bilokation beherrscht. Du bist mir scheinbar einen Wimpernschlag voraus.“
„Das ist doch egal, denn wir sind in der gleichen Energiespur. Was ich kann, kannst du auch, und umgekehrt“, sagte Sarinah liebevoll zu ihm.
Erzengel Michael hatte das Gespräch mitgehört und ergriff das Wort. „Je höher ihr schwingt, umso mehr werdet ihr spüren, dass es keine Konkurrenz mehr gibt. Wer sich an ein neues Thema herantraut, tut das nicht nur für sich allein, sondern auch für alle, die in der gleichen Energiepulsung sind. Niemand ist eine Insel, schlussendlich sitzen wir alle im selben Boot. Wer denkt, er wäre ganz allein gerudert und hätte all die geistige Arbeit alleine gemacht, der irrt. In den Frequenzen der geistigen Heimat gilt das Prinzip des Geistes. Geist ist gleich Aktion und umgekehrt.“
„Was sagst du?“, fragte soeben Lady Faith, die plötzlich neben Erzengel Michael stand. „Du Schelm! Schau nur, wie verwundert sie dich ansehen. Du vergisst zu erwähnen, dass das nicht gilt, wenn man sich vor dem Abwasch drücken will.“
Erzengel Michael lachte schallend, fasste seine Lady um die Taille und ging mit ihr zum Tor, wo sie die ankommende Lady Portia begrüßten.
„Ich verstehe das nicht“, flüsterte Harry zu Sarinah. „Was bedeutet, Geist ist gleich Handeln?“
„Lass es uns herausfinden. Ich denke, dazu ist noch Gelegenheit genug“, antwortete ihm Sarinah.
„Wo ist denn dein Held? Hast du heute diesen galaktischen Clown nicht im Schlepptau?“, flüsterte Harry ihr zu.
Sarinah sah Harry ernst an und erwiderte würdevoll. „Marix kommt sicher noch, er hat noch zu tun. Lass uns zu unseren Plätzen gehen, meine Beine werden langsam müde.“ Bei diesen Worten schaute Harry sich die Beine von Sarinah genauer an und sah, dass sie ein weißes Kleid trug, das scheinbar etwas zu kurz geraten war.
„Oder hast du deine Beine aus Versehen etwas zu lang manifestiert?“, scherzte er und sah Sarinah dabei grinsend an.
Diese schritt mit hoch erhobenem Kopf zu ihrem Platz, setzte sich und murmelte wie zu sich selbst: „Aus Versehen, aus Versehen zu lang manifestiert. Ts, ts, ts, wenn der wüsste, dass ich zwar Dinge sehr gut auf den Kopf stellen kann, aber ich kann sie nicht mehr geraderücken. Außer, die Dinge rücken sich von selbst wieder gerade. Wenn der wüsste, wie sehr mir das Kopfzerbrechen macht. Denn das, was man materialisiert hat, das muss man doch auch dematerialisieren können. Nur, wie geht das?“
Sarinah sah an sich herunter und fand, dass sie mit ihrem Körper alles richtig gemacht hatte. Sie zupfte den Stoff ihres Kleides ein wenig nach unten, sodass er mehr von ihren Beinen bedeckte.
Erzengel Uriel hatte ihre Gedanken gelesen und das Spiel mit ihrem Kleid beobachtet. Er sagte: „Kindchen, lass doch. Harry reagiert nur auf deine ureigenen Gedanken. Es ist alles in Ordnung. Dein Kleid ist nicht zu kurz, du bist wunderschön. Dematerialisieren tust du übrigens nicht das, was du dir erschaffen hast, sondern nur die Energie dessen, dann funktioniert es.“
Sie sah Erzengel Uriel etwas verwirrt an. Der große rote Engel resümierte: „Schau, du manifestierst dir ja nicht sofort ein neues Auto. Du stellst diese Verbindung erst über die Energie, zum Beispiel die Vorfreude, her. Dass du einfach so ein neues Auto im Vorgarten stehen hast, ist ziemlich schwierig, das obliegt mehr der Zauberei, nicht der Manifestationskraft.“
Erzengel Uriel saß auf dem Tisch, während er mit Sarinah plauderte, so, als hätten sie ein gemeinsames Geheimnis, so sah es wenigstens für den gerade ankommenden Marix aus. Erzengel Uriel erklärte Sarinah anhand einer Zeichnung, wie er das mit der Dematerialisierung genau meinte. Dabei beugte er sich vor, sodass ihre Köpfe sich fast berührten, und Sarinah hörte ihm gespannt zu.
Das war zu viel für Marix. Er setzte sich sofort in Bewegung. Bei den beiden angekommen, wäre er beinahe über die Beine von Erzengel Uriel gestolpert, so sehr hatte er sich beeilt. Marix tat so, als würde er Erzengel Uriel zur Begrüßung an der Schulter berühren, aber eigentlich stützte er sich nur ab, denn beinahe wäre er vor lauter Überschwang in Uriel hineingerannt.
„Hallo, ich grüße euch“, sagte Marix fast schüchtern. „Ich habe euer Gespräch ein wenig mitgehört. Nun, wer manifestieren kann, kann auch das Gegenteil“, sagte er.
„Meine weiße Taube, ich bin geflogen, so schnell ich konnte.“ Dabei breitete Marix die Arme weit aus, in der Hoffnung, er würde eine Umarmung von Sarinah bekommen. Diese war aber etwas genervt von seinen ewig weisen, frechen Sprüchen.
„Erklärst du es anhand eines Beispiels?“, forderte sie Marix heraus. „Wie lasse ich Dinge verschwinden, wenn ich sie nicht mehr brauche?“
„Sie meint doch hoffentlich nicht dich?“, flüsterte Erzengel Uriel dem immer noch stehenden Marix zu. „Ein Scherz!“, sagte er gerade, als die Tür aufging und Erzengel Metatron mit Lady Maria den Saal betrat. Erzengel Uriel stand sofort auf und gab Marix noch einen ermunternden Klaps auf die Schulter. Danach ging er mit großen Schritten auf die Ankommenden zu.
Die drei schüttelten sich die Hände und umarmten sich freundschaftlich. Dann gesellte sich Lady Portia zu ihnen. Sie lächelte zur Begrüßung freundlich in die Runde.
Erzengel Metatron schüttelte den Kopf und murmelte wie zu sich selbst. „Schon wieder ist kein Thema vorgegeben bei dieser Ratssitzung.“ Er sah Lady Portia von der Seite an, und bei ihrem Anblick wurden seine Augen ganz groß. „Wo hast du dein langes Haar gelassen? Wer hat es dir genommen?“, fragte er entsetzt. Lady Portia kicherte. „Lieber Erzengel Metatron, wir haben heute unter anderem das Thema Dematerialisation. Ich habe es für Sarinah getan, sie soll anhand eines Beispiels sehen, wie so etwas funktioniert.“
Lady Maria war gerührt von der Geschichte, die ihre Freundin gerade erzählte, und wischte sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. Da sah sie, wie die Augen von Erzengel Metatron noch größer wurden. „Du kannst weinen?“ Jetzt war es um seine Fassung geschehen. Er ging mit geneigtem Kopf zu seinem Platz und murmelte vor sich hin. „Sie kann weinen, und die andere Lady schneidet sich ihren über 2000 Jahre alten Zopf ab, den sie gehütet hat wie ihr eigenes Kind.“ Er setzte sich und dachte: „Ich brauche jetzt einen Schnaps!“
Gelächter war zu hören, denn Gedanken sind in diesen Sphären wie ein gesprochenes Wort.
Erzengel Uriel setzte sich neben Metatron und säuselte in sein Ohr. „Ich kann dir zwar keinen Schnaps zaubern, du weißt, dass Alkohol für uns nicht gut ist. Doch dieser Anblick da, schau, ist das nicht total berauschend?“ Lady Maria und Lady Portia hatten Sarinah in ihre Mitte genommen. Sie sahen süß zusammen aus, denn alle drei trugen Kleider in der Farbe Weiß. Sie steckten die Köpfe zusammen und kicherten. Erzengel Uriel zauberte etwas Wind, sodass die Kleider der Damen um ihre Körper geweht wurden. Da die drei mit dem Rücken zu den Herren standen, war es wohl der Anblick ihrer Kehrseite, die die Herren, veranlasste, es als „berauschend“ zu bezeichnen.
„Ich verstehe, was du meinst“, sagte Erzengel Metatron, der nun seinen Kopf etwas schräg hielt. Erzengel Uriel, meine nächste Frage meine ich jetzt bitterernst, also lach nicht. Warum reagieren wir Erzengel plötzlich wie ganz normale Männer? Ich will ja niemanden degradieren, wir waren doch immer so diszipliniert. Die Menschen von der Erde reden und verhalten sich manchmal auch so, als wären sie die Bewohner der geistigen Sphären. Und wir verhalten uns wie sie. Warum ist das so?“
Erzengel Uriel sah seinen Freund mitfühlend an. „Die Bewusstwerdung der Menschheit führt zu einer Art Wippbewegung, auf die das ganze Universum reagiert. Das heißt, dass sich die Verhaltensweisen von uns allen erst wieder neu einstellen müssen. Ich denke, dass es für Wesen aus der geistigen Hierarchie zurzeit nichts Schöneres gibt, als alles in sich aufzusaugen, was irdische Sinnlichkeit in sich trägt. Klar, denn wo spürt man das Dasein am meisten? Wenn man Sinnlichkeit, Lust und Liebe erfährt. Den Rest erzähle ich dir morgen, mein Freund. Ich finde, Sarinah muss nicht alles wissen.“
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