Die Blicke der Frauen wurden auch nicht nur eine winzige Spur freundlicher, und Paul breitete entschuldigend die Arme aus. »Das hat ja auch gut geklappt, aber ich wollte sie natürlich sehen. Also bin ich neben ihrem Auto sitzen geblieben. Und nachdem wir das mit ›Hund oder Wolf‹ klären konnten«, er grinste Charlotta an, »habe ich gedacht, wenn sie bislang nicht schreiend vor mir weggelaufen ist, weil sie Rob zutraut, seinen Hund im Zaum zu halten … da konnte ich’s mir nicht verkneifen, ihr noch ein bisschen näher zu kommen.«
»Näher?« Helen.
»Als Wolf«, mischte Charlotta sich ein, »geht er mir ungefähr bis zur Hüfte. Rückenmaß, meine ich. Als er da auf mich zukam und mir seine Nase knapp unterhalb meiner Brust in den Bauch gestoßen hat, da hatte ich sehr wohl Panik. Wenn es Rob nicht gelingt, seinen Hund« , sie übernahm absichtlich Pauls abfälligen Ausdruck »davon abzuhalten, näher zu mir heranzukommen, wie sollte ich da annehmen, dass er schnell genug ist, wenn das Tier zubeißen will?«
»Und da war sie so sauer«, setzte Rob hinzu, »dass sie mich nie wiedersehen wollte. Fast hätte Paul dafür gesorgt, dass wir jetzt nicht hier stehen.«
»Na jaa«, versuchte der, sich lahm zu verteidigen, nachdem er sich den Blicken der anderen auf so unangenehme Weise ausgesetzt sah. »Hey! So schlimm wird’s schon nicht …«
»Doch«, sagte Charlotta überraschend ernst. »Doch, genau so war’s. Wenn der Pisap Inua und Rob mir nicht sehr kurz darauf in einem Traum erschienen wären und mir dadurch ein wenig meine Ängste genommen hätten, wäre ich heute vermutlich nicht hier. Oder Rob hätte zur Keule greifen und mir heimlich aus dem Hinterhalt eins überbraten müssen, um mich hierher zu schleppen.« Sie drehte sich halb zu Rob um, der immer noch mit den Händen auf ihren Schultern hinter ihr stand, und lächelte ihn an. »Aber«, sagte sie versöhnlich und an Paul gewandt, »das ist jetzt Geschichte. Du kannst ja versuchen, mir in Zukunft zu zeigen, dass nicht nur deine Frau nett ist.«
Helen lachte hell auf, was ihren Mann dazu veranlasste, erleichtert die Schultern sinken zu lassen. Trotzdem hatte er das Gefühl, gerade nicht sonderlich gut weggekommen zu sein. »Du gefällst mir«, sagte sie begeistert.
Die Brüder wechselten einen Blick und Paul nickte erst anerkennend und grinste dann. »Wir sehen uns dann, Kleiner.«
»Kleiner?« Charlotta drehte sich zu Rob um, nachdem die beiden gegangen waren. »Du bist doch viel größer als er.«
»Er war als Kind aber naturgemäß erst mal viele Jahre lang größer als ich. Immer wenn er sich als großer Bruder aufspielen will, sagt er das noch mal.« Rob grinste. Dann sah er auf die Uhr. »Wir können uns schon langsam umziehen und rausgehen. Das Fest beginnt erst später, aber wir können den anderen ja bei den Vorbereitungen zuschauen. Magst du?«
Wenngleich sich ihr beim Gedanken an die vielen Fremden schon wieder der Magen verkrampfte, nickte Charlotta. »Gerne, dann sehe ich noch mal ein bisschen mehr von eurem Dorf. Allerdings würde ich ganz gerne vorher noch duschen. Diesmal kann es ein bisschen länger dauern, weil ich mir auch die Haare waschen will.«
»Okay, dann komme ich mit«, sagte Rob in dem selbstverständlichen Ton, den sie erwartet hätte, hätte sie verkündet, zum Einkaufen zu fahren. Er lachte, als er ihr verblüfftes Gesicht sah.
»Fast hätte ich dir das geglaubt«, grinste Charlotta. Sie drehte sich um und holte sich aus Robs Gästezimmer frische Wäsche.
Bislang hatte niemand ein Wort darüber verloren, aber da sie mangels Stadtwasserversorgung sicherlich gerade mit Grundwasser duschte, das in diesem trockenen Sommer knapp werden könnte, bemühte Charlotta sich um etwas Eile. Außerdem hatte sie an diesem Tag schon zweimal geduscht. Sie merkte, wie ihre Haut prickelte, als sie daran dachte, was der Grund dafür gewesen war. Sie glaubte, noch einmal zu spüren, wie Robs Hände über ihren Körper strichen, seine Lippen ihre berührten …
Ein Luftzug ließ sie erschaudern. Sie wischte sich das Shampoo aus den Augen, um zu sehen, woher der plötzlich kam.
Rob bedauerte, dass Charlotta seine Anwesenheit bemerkt hatte. Gerne hätte er sie noch ein wenig beobachtet. Nun erkannte er, dass sie sich verlegen hastig das Shampoo aus den Haaren wusch, und sich heimlich sowohl nach ihrem Handtuch als auch einer Fluchtmöglichkeit umzusehen schien. Wortlos zog er sich das T-Shirt aus. Während er über Charlottas erschrockenen Gesichtsausdruck grinste, knöpfte er seine Jeans auf. Er zog sie gleichzeitig mit der Unterhose aus, und als er sich wieder aufrichtete, hörte er, wie Charlotta den angehaltenen Atem ausstieß.
Als sei es das Normalste der Welt – was es vielleicht tatsächlich war –, trat er auf sie zu, legte seine Hände auf ihre Hüften und seine Lippen auf ihre. Er zog sie an sich, und sie spürte seine Erektion an ihrem Bauch. Rob drehte sich mit ihr, sodass das Wasser nun auf ihn herabprasselte. »Du liebe Güte, was duschst du heiß!« Das war das Erste, was er sagte, seit er ins Bad gekommen war.
Charlotta lachte. Sie sah Rob an, der schließlich das Wasser abstellte. Gleich zog er sie wieder an sich und sah ihr herausfordernd in die Augen. Überraschung und Begeisterung vermischten sich, als Charlotta seine Aufforderung annahm. Sanft rieb sie sich an ihm und hörte, wie er aufstöhnte. Um seine Beherrschung ringend, schob Rob sie ein Stückchen von sich fort. Seine Lippen fuhren an ihrem Hals entlang. »Dein Puls rast schon wieder«, murmelte er.
Charlotta kicherte. »Diesmal ist es keine Angst«, flüsterte sie und krallte sich in seine Oberarme, als sie seine Finger in ihrem Schritt spürte.
»Ob man deine roten Wangen damit begründen kann, dass du gerade so heiß geduscht hast?«, zog Rob sie auf, als sie später wieder im Wohnzimmer aufeinandertrafen. Er legte seine Zeitschrift zur Seite und erhob sich. Er hielt Charlotta in Armeslänge von sich und sah sie aufmerksam an. »Ich glaube, ich bin ziemlich froh, dass die alten Geister eine so hübsche Frau wie dich für mich ausgewählt haben«, sagte er und strahlte sie mit seinem atemberaubenden Lächeln an, das Charlotta schon auf dem Supermarktparkplatz aufgefallen war.
Unwillkürlich lächelte sie zurück, schüttelte dann aber den Kopf. »Quatsch, ich bin nicht hübsch«, wehrte sie ab.
»Natürlich!«, beharrte Rob, hatte aber doch das Gefühl, es sei keine Koketterie, sondern ihr Ernst. »Und Helen hat auch recht«, fügte er etwas vorsichtiger hinzu. »Wenn du gleich so wunderschön lachst, hast du alle auf deiner Seite. Es wäre mir übrigens sehr recht, wenn du nur die Frauen anlächeln würdest.« Er grinste übermütig, zog ihr Gesicht zu sich heran und gab ihr einen zärtlichen Kuss.
»Weißt du, was gleich das Problem sein wird?«, fragte sie ihn mit einem schiefen Grinsen und fügte, als er den Kopf schüttelte, hinzu: »Erfahrungsgemäß wird mich niemand fragen, weshalb ich so rote Wangen habe. Alle werden sich ihre Gedanken machen, und ich befürchte, niemand wird annehmen, dass ich heiß geduscht habe und deshalb noch so erhitzt bin.«
Rob lachte laut auf. Er drückte sie an sich, ließ sie jedoch gleich wieder los. »Komm, gehen wir.«
Jetzt erst sah Charlotta, dass Rob statt der T-Shirts, in denen sie ihn bislang gesehen hatte, ein weißes Hemd mit dezenten Schriftzügen darauf, trug. Es stand ihm ausgezeichnet, und das sagte sie ihm. Überrascht registrierte sie, dass Rob verlegen wurde und sich eine sanfte Röte über sein sonnengebräuntes Gesicht zu ziehen schien.
Rob musste Charlotta mehrfach versichern, dass von ihr nicht erwartet wurde, sich an den Festvorbereitungen zu beteiligen. Also schlenderten sie über den großen Platz, an den Häusern entlang und dazwischen hindurch. Rob hielt sie umfasst, und es dauerte nicht lange, da legte Charlotta einen Arm um seine Hüfte. So fühlte sie sich gewappnet, den Blicken der anderen zu begegnen. Überall wurden sie angesprochen und konnten kaum zwei Meter gehen, bis sie wieder stehenbleiben mussten.
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